Das Herz der Studioproduktion

Benedikt Kemper hat in der Gesamtdisposition bei RTL den Überblick

„Du willst wissen, was heute ist? Aufzeichnung um 16.30 bis 17.00 Uhr für Exclusiv.“ Benedikt Kemper blickt kurz in seinen Kalender, bevor er die Information an den Aufnahmeleiter weitergibt, der in seinem Büro steht. Der Leiter der Gesamtdisposition bei RTL hat den Überblick darüber, wer gerade in welchem Studio produziert, ob irgendwo ein Interview aufgezeichnet wird oder wo noch Kapazitäten frei sind. Er weiß, wer gerade in Urlaub ist und deshalb für die tagesaktuellen Sendungen in den beiden Sendestudios nicht zur Verfügung steht. Dort werden alle Eigenproduktionen für RTL gemacht, dazu gehören die Nachrichten am Abend, die „punkt“-Ausgaben sowie Exclusiv.

Die Organisation dieser Sendungen geht bei Benedikt Kemper über den Schreibtisch. Seit jetzt 18 Jahren arbeitet er in der Dispo bei RTL, nachdem er als der erste Volontär Produktion und Technik 1989 nach Köln kam. Im Hochsauerland aufgewachsen, führte ihn das Studium in die Stadt, zunächst nach Düsseldorf und später nach Köln. Dort wohnt er jetzt mitten drin, ist ganz schnell im Konzert, im Theater und auch mal in Kino – wenn es dann klappt. Wichtig ist ihm, dass er spontan das Angebot nutzen kann, das ihm die Großstadt bietet – auch wenn er es im Alltag dann doch nicht so oft wahrnimmt. Am Wochenende aber zieht es den Sauerländer dann aufs Land, er schätzt Bewegung und frische Luft als Ausgleich zum Schreibtisch.
Der steht in einem schmucklosen Büro, das er sich mit einer Kollegin teilt. Hier geht es um Zahlen und Pläne, Zeiterfassung und interne Leistungsverrechnung. Arbeitsatmosphäre eines Schreibtischtäters. Das Handwerk hat er an der Fachhochschule für Wirtschaft gelernt, die Erfahrung zuerst in Schmallenberg und dann bei RTL gesammelt. Und diese Erfahrung ist wichtig, denn es werden schließlich nicht nur Studios und Kameras verplant, sondern vor allem die Menschen, die in den Studios arbeiten und die Kameras bedienen. Benedikt Kemper kennt die Aufnahmeleiter und Kameraleute ebenso wie die redaktionellen Mitarbeiter und Moderatoren. Wenn er die Dienstpläne macht, dann weiß er um die persönlichen Lebensumstände der Mitarbeiter. Er weiß, welche alleinerziehende Mutter Probleme bekommt, wenn sie zu viele Spätschichten macht und welche Teams besonders gut funktionieren – und welche nicht so reibungslos miteinander arbeiten können. Er kümmert sich um den Alltagsbetrieb. Die Sendungen, die für Schlagzeilen sorgen, sind Auftragsproduktionen und werden in den Studios in Hürth und Ossendorf von Produktionsfirmen dem RTL Programm zugeliefert, so zum Bespiel der jüngste Aufreger „Eltern auf Probe“ oder auch der Dauerbrenner „Deutschland sucht den Superstar“. Wenn dann Dieter Bohlen mit seinen Sprüchen über Superstar-Kandidatinnen und Kandidaten für Unterhaltung und Empörung sorgt, dann ist das auch für Benedikt Kemper ein Thema. Wenn er von Freunden und Bekannten angesprochen wird auf die Programme in seinem Sender, dann muss er eine Meinung haben und Haltung zeigen. Da ist es nicht immer einfach, seine eigene Arbeit, die er mit großem Spaß macht, von den umstrittenen Programmformaten zu trennen. Vieles gefällt ihm nicht, einige Programme werden immer wieder auch innerhalb des Kollegenkreises kritisch diskutiert – aber letztlich: der Job geht vor.

Kündigung im Briefkasten

Beruflich wird sich für Benedikt Kemper spätestens zum Jahresende einiges ändern. Im November wird RTL mit seinen Redaktionen vom Stadtrand in die alten Messehallen direkt am Rhein ziehen. Diese werden bis dahin komplett für die Bedürfnisse des Fernsehsenders umgebaut. Doch die Bertelsmann-Tochter ändert nicht nur ihren Standort, sie nutzt den Umzug auch für eine Umstrukturierung des Unternehmens. So wird es einige organisatorische Veränderungen geben. Unter anderem wird die gesamte Abteilung Produktion und Technik ausgegliedert, dazu gehört auch die Gesamtdisposition für die RTL-Eigenproduktionen, also der Arbeitsbereich von Benedikt Kemper. Die Abteilung Produktion und Technik wird Teil des Cologne Broadcasting Centres (CBC) in Köln Ossendorf, das bereits als Dienstleister für andere Sender der RTL-Familie tätig ist, zum Beispiel für VOX. Die CBC steuert demnächst die Produktion und Sendeabwicklung. Für die RTL-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Folgen dieses Outsourcings zum Teil gravierend: Letztes Jahr wurden rund 50 Kündigungen verschickt, auch Benedikt Kemper hatte einen entsprechenden Brief in der Post. Mit einigen Betroffenen wurden Abfindungen ausgehandelt, andere gingen zum Arbeitsgericht. Dort laufen jetzt noch die Verfahren, auch der Prozess von Benedikt Kemper gegen das Fernsehunternehmen ist noch nicht abgeschlossen, der Ausgang ist offen. Für den ruhigen und besonnenen langjährigen RTL-Mitarbeiter war die Kündigung ein einschneidendes Ereignis seiner beruflichen Laufbahn. Die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind für den 54jährigen begrenzt, die beruflichen Perspektiven überschaubar. Die Vorbereitung auf den Arbeitsgerichtsprozess und die Auseinandersetzungen der Kolleginnen und Kollegen im Betrieb haben aus dem kollegialen Mitarbeiter ein aktives Gewerkschaftsmitglied gemacht. Am 25.März sind Wahlen zum Betriebsrat bei RTL, Benedikt Kemper hat sich entschlossen, für den Betriebsrat zu kandidieren.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Recherchen für die Demokratie

Die Uhr tickt – politisch und ökologisch. „Der Ton wird rauer, die Angriffe intensiver“, so NDR-Intendant Joachim Knuth im Begrüßungsgespräch mit Daniel Drepper, dem Vorsitzenden der Journalist*innenvereinigung Netzwerk Recherche (NR), die ihre Jahreskonferenz unter das Motto stellte: „Now is the time. Recherchen für die Demokratie“. Etwa 900 Teilnehmende trafen sich beim NDR Fernsehen in Hamburg zu Austausch und Debatte über die Rolle der Medien in Zeiten des politischen Rechtsrucks und der Klimakrise. 
mehr »

Reformstaatsvertrag: Zweifel am Zeitplan

Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
mehr »

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Filmschaffende kriegen künftig mehr

In der achten Tarifverhandlungsrunde für die rund 25.000 Filmschaffenden haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz auf Eckpunkte einer vorläufigen Tarifeinigung verständigt. Doch nicht alle Verhandlungsthemen konnten geklärt werden. Die Frage nach der Regelung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Film wurde verschoben.
mehr »