Das Zauberwort Medien

Trotz schlechter Chancen auf dem Arbeitsmarkt gibt es immer mehr Studiengänge

Das Zauberwort der deutschen Hochschulen heißt Medien. Medienwissenschaft, Medienmanagement, Digitale Medien, Multimedia, Medieninformatik, Communication and Multimedia Design oder Media Education sind nur ein paar der Titel, die zu neu entstandenen Studiengängen der vergangenen zwei Jahre gehören. An der Freien Universität (FU) Berlin wird dagegen im Publizistikstudium „gespart“.

Ob als Online- oder Fernstudium, als Ausbildung zum Technischen Redakteur, zum Online-Journalisten, zum multimedialen Autor oder zum wissenschaftlichen Analytiker, die Beschäftigung mit Medien gilt an Hochschulen als innovativ.

„Die Medien sind ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt“, bestätigt Professor Christian Begemann von der Uni Bayreuth. Dort sind eine Professur für Medienwissenschaften, der Bachelor-Studiengang Theater und Medien sowie das Master-Studium Literatur und Medien entstanden. Der in ihrer Ausstattung „am unteren Rand“ angesiedelten Fakultät solle dies den Anschluss an die aktuelle Entwicklung garantieren.

Offensiver erklärte Professor Wolfgang Ernst von der Berliner Humboldt-Universität, warum es hier jetzt ein Studium der Medienwissenschaft gibt. „Das ist ein Bedürfnis, auf das die Humboldt-Universität reagiert hat.“ Die ständige Beschäftigung mit Medien in vielen Disziplinen habe dies als Folge „interner Logik“ erscheinen lassen. Und die Nachfrage nach den 30 Studienplätzen sei ebenfalls groß. Über 800 Bewerber hatten sich gemeldet. Ähnlich ist das Zahlenverhältnis bei den Kommunikationswissenschaften an der Uni Augsburg. Der Numerus clausus für den Studiengang Journalistik in Dortmund ist von der Note 1,0 nur noch geringfügig entfernt und an der Freien Universität Berlin bewerben sich jedes Semester mehr als 2.000 junge Menschen auf die 130 Plätze in der Publizistik.

Berlin setzt Rotstift an

Doch während andernorts Medienstudien ausgebaut werden, droht in Berlin der Rotstift, zumindest an der FU. Zwei der zehn Professuren sollen dem Sparprogramm, das die Unileitung auf Druck des Berliner Senats exerziert, zum Opfer fallen. Dabei sind jetzt schon zwei Professuren vakant, eine davon seit über zwei Jahren, eine dritte wird es demnächst. Nachdem im Fernstudium der Journalisten-Weiterbildung der FU nur noch der letzte Jahrgang zu Ende betreut wird („M“ 6 / 2002), befürchten die Publizistik-Studierenden, dass bald nicht mal mehr die Pflichtveranstaltungen für sie angeboten werden. Deshalb hat sich die Fachschaft den Studentenstreiks angeschlossen. Ihre Sorgen stellten die Studierenden auch beim Journalistentag der dju Ende des Jahres in Berlin dar. Doch sie belassen es nicht beim Klagen, sondern organisieren „Streikvorlesungen“, die im Sommersemester weitergehen sollen. Kolleginnen und Kollegen der dju gehören zu den Dozenten.

Nicht nur die Studierenden sehen die Entwicklung am Institut mit Unruhe, auch die Professoren. Die Leitung der FU verschleppe die Ausschreibung der vakanten Professorenstellen, so Winfried Göpfert, der Wissenschaftsjournalismus lehrt. Unter dem Eindruck der streikenden Studenten sei zudem keine der angedrohten Kürzungen zurückgenommen worden. Dennoch habe man mit noch mehr Streichungen gerechnet. Es werde wohl ein Erfolg dieses Streiks sein, dass es nicht zu weiteren Kürzungen kommt, so Göpfert. Auf keinen Fall werde sich die große Bandbreite des Instituts erhalten lassen.

Aber auch den anderen Berliner Hochschulen sollen die Mittel gekürzt werden. Humboldt-Uni-Professor Ernst macht sich dennoch keine Sorgen. Er sieht einen großen Unterschied in der Ausrichtung zwischen HU- und FU-Forschung. Weniger den Inhalten, als der Ästhetik und den technischen Bedingungen widmen sich er und sein Kollege Wolfgang Mühl-Benninghaus. Für den Studiengang planen sie eine enge Zusammenarbeit mit der jüngst etablierten Medienwissenschaft an der Uni Potsdam. Aus der Debatte um Stellenstreichungen seien sie heraus: Mit nur zwei Lehrstühlen „backen wir kleine Fische“. Zum anderen postuliert Ernst einen „Alleinstellungsanspruch in Berlin“ durch ihre Positionierung. Und schließlich führt er den biografischen Faktor ein: Eingespart würden meist Professuren, die durch Ruhestand frei werden. Er und sein Kollege seien noch jung.

Während die Medienstudien blühen, sieht es in der Medienbranche anders aus. Entlassungen, Abbau betrieblicher Ausbildung, Konzentrationsprozesse und Auslagerung auf Freie verzeichnen die „Arbeitsmarkt-Informationen“ der Bundesanstalt für Arbeit: „Der Einstieg in die journalistische Tätigkeit im Rahmen höchst ungesicherter Zukunftsperspektiven auf Honorarbasis ist zur Zeit die Regel, auf die sich die meisten Nachwuchsjournalisten einstellen müssen.“

Interessierte junge Leute lassen sich davon kaum abschrecken. Göpfert begründet dies mit „der besonderen Bedeutung der Medien für unsere Gesellschaft“. Das fasziniere junge Menschen. Dass allerdings trotz der schlechten Arbeitsmarktchancen landauf, landab neue Medienstudiengänge gegründet werden, bezeichnet er als „ziemlich fahrlässig“. Den Anschluss an die Entwicklung nicht verlieren zu wollen, lautete ein Grund des Literaturwissenschaftlers Begemann für die Medienbetrachtung in Bayreuth. Dem Trend zur Internationalisierung tragen viele der neuen Studiengänge Rechnung: die Unterrichtssprache im Master-Studium ist oft Englisch. Wie das mit zumeist deutschen Muttersprachlern funktioniere, erklärte ein Bayreuther Philosophieprofessor einmal so: „Mit BSE, mit unserem bad simple English.“

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