Der Wert der Bilder

Foto: 123/Jinga Pantilmon Ion

Zur Situation der freien professionellen Fotografen in Deutschland

Der Erfolg eines Unternehmens hängt, nicht nur im Internet, sondern auch auf Facebook, Instagram, Pinterest und anderen Plattformen, vor allem von einem guten Bild ab. Reichweite, Page-Impressions, Visits, Klicks, Follower, Freunde bestimmen den „Wert“ einer Website, eines Blogs, des Auftritts eines Mediums oder eines Unternehmens in den Sozialen Medien, generieren Werbeeinnahmen, sind eine Rechtfertigung für die Kosten bei „Paid Content“. Professionelle Fotografen tragen mit ihrer Arbeit den Hauptteil zu journalistischem wie gewerblichem visuellen Content bei.

Print – früher die „Königsdisziplin“– scheint nur noch ein „Nice-To-Have“ zu sein. Die Wirkung der Doppelseite im hochwertigen Magazin fällt hinter dessen Auftritt in Apps oder auf Instagram zurück, das Bild muss sich mit seiner Wirksamkeit auf Facebook oder in YouTube-Kampagnen messen. Das spiegelt sich jedoch nicht in den Honoraren für Fotografien wider, im Gegenteil. Das Honorar für Bildnutzungen im Internet stagniert seit fünf Jahren auf niedrigem Niveau, wobei die Mindestbildgröße wegen der inzwischen höheren Standard-Bildschirmauflösungen größer ist. Neben der stationären Website werden Social Media-Kanäle und andere medienweitergebende Plattformen bedient.

Großer Bildermarkt durch Online-Vertrieb

Trotz dieser steigenden Anzahl an Ausspielwegen von Fotos hat die Wertschätzung von Fotografie in der Öffentlichkeit, in Publikumsmedien, im werblichen und sogar im handwerklichen Bereich im letzten Jahrzehnt massiv abgenommen. Aus einem Anbietermarkt wie noch in den 1980er bis in die 2000er ist ein Abnehmermarkt geworden. Mit der Digitalisierung von Fotografie wurde das Wissen der analogen Fotografen verallgemeinert. Angesichts der heute in Kameras integrierten Technik fällt es schwer, ein nicht richtig belichtetes Bild zu machen, gestalterische Fragen treten in den Hintergrund, die Verfügbarkeit des Bildes ist ausschlaggebend. Die rasant gestiegenen Möglichkeiten, Bilder generell online zu präsentieren und auch als Privatperson auf Plattformen wie Flickr und Fotolia einzustellen und gegebenenfalls dafür ­Lizenzhonorare zu erzielen, hat den Markt neben den traditionellen Kanälen wie Vertrieb über Bildagenturen oder eigene Website enorm erweitert.

Professionelle Fotograf_innen konkurrieren mit Amateuren, die nicht unbedingt schlechter fotografieren, aber auf den Lebensunterhalt durch die Bilderproduktion nicht angewiesen sind. Und nach wie vor konkurrieren die Profis natürlich auch untereinander. Hinzu kommt, dass Medienverlage, Werbeagenturen oder Unternehmen Bildentscheidungen weniger nach dem „visuellem Fingerprint“ der Fotograf_in in Zusammenarbeit mit dem Kreativen treffen. Vielmehr schauen sie auf ihre Kostenstellen. Die eigene visuelle Sprache, geprägt durch Fotografen, Bildredakteure, Kreation, Artbuying, tritt hinter die Anforderungen des zentralen Einkaufs zurück.

Keine genauen Statistiken

Es gibt keine schlüssige Statistik über die Anzahl von Berufsfotograf_innen. Rund 25.000 hat Stefan Gast von Berufsfotografen.com ermittelt. Grundlage war ein Abgleich zwischen Handwerkskammern (IHK), Künstlersozialkasse und den Daten des Statistischen Bundesamts. Meiner Meinung nach eine treffende Einschätzung. Ein Überschlag der in Berufsverbänden Organisierten wie ver.di/dju, DJV, Freelens, BFF, CV, DGPh, Pic-Verband, VG Bildkunst kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Ein sehr großer Teil der Fotograf_­innen arbeitet freiberuflich oder als Selbstständiger. Gerade in Verlagen gibt es die festangestellte Fotograf_in so gut wie nicht mehr. Waren es laut Erhebung der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (mfm) 2017 noch 4,6 Prozent der Befragten in Festanstellung, so sind es 2018 nur noch 1,1 Prozent.

Ob Mann oder Frau von Fotografie leben kann – dazu gibt es keine übergreifenden Statistiken. Auch Anhaltspunkte zu den erzielten Honoraren sind rar. Die Vergütungsregeln für Bildhonorare im journalistischen Bereich gemäß Vereinbarung nach §12a wurden vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) im März 2017 gekündigt (Honorarsätze auf der Website der dju in ver.di: https://tinyurl.com/ne3ajnq) und können „nach Auffassung des BDZV keine Anspruchsgrundlage mehr sein.“ Die mfm gibt nur die Honorare für Einzelbildlizensierungen wieder – Bundle-Honorare (Bilder im Bündel angeboten) oder Rabattverträge für Großabnehmer sind nicht berücksichtigt. Sie liegen in der Regel noch darunter. Berufsfotografen.com verweist in diesem Zusammenhang auf mehrere Quellen, das Durchschnittseinkommen liegt zwischen 17.500 Euro und 45.000 Euro pro Jahr. Fakt ist, die Einnahmen sinken seit Jahren, es scheint keine Strategie gegen die Abnehmer mit Interesse an möglichst niedrigen Kosten zu geben.

Was macht die Professionalität eines Fotografen aus? Heute sicher nicht mehr allein die Ausbildung! Inzwischen sind laut Berufsfotografen.com rund 35 Prozent aller Profi-Fotografen Autodidakten ohne Ausbildung in Handwerk oder Hochschule. Professionalität heißt heute, nicht nur die Kamera zu beherrschen, sondern dem Kunden „anwendungssichere“ Bilder zu liefern, Bescheid zu wissen, welche Rechte den Urheber_innen, aber auch dem Nutzer zustehen. Dazu sollte jeder wissen, wie der Vertrag mit dem Kunden aussieht – Werkvertrag oder Nutzungsvereinbarung? Welche Rechte werden übertragen? Wie wird ein Angebot erstellt? Wie kann man sich gegen Buy-Out-Klauseln wehren? Zu welchen Bedingungen werden die Bilder vertrieben, wenn an verschiedene Kunden, dann zu welchen Lizenzmodellen? Welche Unterschiede, etwa zwischen RM/RF/Microstock oder CC-Lizenzen, gibt es? Werden nichtberechtigte Nutzungen kontrolliert und wie wird dagegen vorgegangen? Dazu sind stimmige Metadaten (IPTC-Einträge) nötig, die Profis angeben sollten.

Jede professionelle Fotografin, jeder Fotograf sollte auch über sie oder ihn betreffende gesetzliche Regelungen auf dem Laufenden sein. Dazu gehören neben dem Urheberrecht (z.B. angemessene Vergütung als Rechtsanspruch) zurzeit zum Beispiel die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG oder KunstUrhG), dass das Recht am eigenen Bildnis regelt, oder auch die Drohnenverordnung. Model-Releases (Freigaben durch abgebildete Personen), Property-Releases (Freigaben durch an Sachrechten und weiteren Rechten betroffener Dritter wie Inhabern/Nutzungsberechtigten von Gebäuden, abgegrenzten Liegenschaften oder urheber-oder markengeschützten Gegenständen) sind für Profis auch außerhalb journalistische Berichterstattung ein Muss. Keinem Kunden gefällt eine Abmahnung, weil ein Shooting auf einem von der Stiftung preußischer Schlösser und Gärten verwaltetem Gelände oder anderen ähnlich – auch privat – verwalteten Grundstücken ungenehmigt stattgefunden hat. Kein Kunde will Auseinandersetzungen mit den Eltern (oder gar dem Jugendamt) wegen abgebildeter Kinder oder Jugendlicher.

Beliebigkeit als Manko

Es kann nicht beliebig sein, wie jemand seinen­Lebensunterhalt verdient und damit umgeht, außer Fotografie ist nur Nebeneinkunft. Deshalb sollte ein Profi Basics im kaufmännischen Bereich kennen. Das sind unter anderem die Kosten der Kranken-, Renten und Pflegeversicherung. Können diese über die Honorare finanziert werden, werden diese in die Stundensätze eingerechnet? Wird das Equipment refinanziert? Fließen die Nebenkosten wie Steuerberatung, Miete fürs Studio, Leasingkosten, Abschreibungen in die Kalkulation mit ein, sind wichtige Fragen.

Der Ratgeber Selbstständige ist immer noch das sehr hilfreiche Standardwerk, wenn jemand sich selbstständig als Fotograf_in oder Illustrator_in bewegen will. Er gibt einen aktuellen Überblick über Unternehmensformen, Verträge, Sozial- und andere Versicherungen, Künstlersozialkasse, Verwertungsgesellschaften und viele Dinge mehr.

Metadaten-und Rechte-Management sind die eine ­Sache. Es gibt viele Websites, Blogs, Seminare, Facebook-Gruppen usw., die sich an Profis wenden und über rechtliche Fragen und über allgemeine Fragen von Interesse von professioneller Fotografie informieren und Austausch bieten. (Siehe auch die o.g. Verbände: ver.di/dju, djv, Freelens, BFF, CV, DGPh, Pic-Verband, mfm: Links auf S. 15)

Professionalität heißt mehr

Professionalität heute heißt auch, nicht zu jammern, sondern sich zu informieren, sich weiter zu ent­wickeln, Nischen zu finden, die von Gelegenheits­fotografen nicht so schnell besetzt werden können. Weiterbildung und ständiges Lernen auch hierbei. Geschehen kann das über die Konzentration auf ein Thema – Spezialisierung. Das erfordert technische wie sachliche Kompetenz. Technische Kompetenz heißt dabei, über die Möglichkeiten der vorgegebenen und für den Standard-Anwender gedachten Programme der Kamera hinaus arbeiten zu können, mit Licht zeichnen zu können (was der Begriff Fotograf ja beinhaltet). Technische und sachliche Kompetenz heißt aber auch, den Gegenstand/die Situation zu kennen, die man abbildet. Ein Architekturfotograf muss wissen, wie ein Gebäude funktioniert, was es darstellen soll und welche Details für welchen Auftraggeber wichtig sind. Ein Food-Fotograf sollte neben Style- und Beleuchtungsmöglichkeiten auch das Lebensmittel kennen. Ein guter Porträtfotograf macht keine Passbilder. Er muss sich mit Persönlichkeit, Habitus, Stellung des Abgebildeten auseinandersetzen. Der journalistische Fotograf in Politik oder Sport muss wie der schreibende Kollege wissen, worum es bei diesem Termin geht, um das „besondere“ Bild zu machen.

Zum Schluss eine steile These: Nur wer nicht beliebig arbeitet, lässt sich nicht durch Microstock oder Abo-Bilder ersetzen, kann den Wert seiner Bilder einfordern, auch Online und in den „Sozialen Medien“. Kurz: Professionalität heißt, auf Beliebigkeit zu verzichten, im Umgang mit den Bildern wie mit sich selbst.

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