Mit einem Fest-Wochenende, Jubiläumsbänden und einer Ausstellung im Leipziger Druckkunstmuseum beging die Büchergilde Gutenberg – eine Gründung der gewerkschaftlichen Buchdrucker – ihren 100. Geburtstag. Die inzwischen einzige Buchgemeinschaft hierzulande ist mittlerweile eine Genossenschaft und hat in ihrer wechselvollen Geschichte über 9000 Titel herausgebracht: Klassiker, Weltliteratur, Neues von zeitgenössischen Autoren, Reise-, politische und Kinderliteratur. „Willkommen bei den schönen Büchern“, soll es auch in Zukunft heißen.
Als Mitglieder des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker am 29. August 1924 im Leipziger Volkshaus beschlossen, die Büchergilde Gutenberg zu gründen, zielten sie auf Kultur und Bildung der gewerkschaftlichen Kollegenschaft. Jeder Buchdrucker sollte sich eine Bibliothek anlegen können. Dass damit ein Jahrhundertwerk in Gang kam, ahnte wohl nicht einmal ihr Vorstand Bruno Dreßler, der später auch die „Buchdruckwerkstätte“ leitete. Buchgemeinschaften, die mit regelmäßigen Abo-Beiträgen das Absatzrisiko für ihre Ausgaben senkten, boomten in der Weimarer Republik. Die Buchdrucker verfolgten jedoch besondere Ziele: ihre Bücher sollten für die Mitglieder gut editiert und preiswert sein – der Beitrag lag anfänglich bei 75 Pfennigen monatlich –, aber zugleich schön und professionell gestaltet. Dieses Erfolgsrezept für ein neues Buch im Quartal trägt nun seit 100 Jahren.
Wechselhafte Zeiten
Es waren wechselhafte Zeiten, die Aufschwung und Erfolge, dann Gleichschaltung in der Nazizeit, Überleben im Exil und einen Neuanfang in den drei Westzonen noch vor Gründung der Bundesrepublik einschlossen. Die Büchergilde vollzog unter gewerkschaftlichem Dach das Wirtschaftswunder mit, erlebte erneut Krisenzeiten, die Trennung von den gewerkschaftlichen Eignern und ein rettendes Management-by-out. Schließlich sicherte die Umwandlung in eine Genossenschaft 2014, auch schon ein „Zehnjähriges“, wirtschaftliche Stabilität und weitere Unabhängigkeit der Büchergilde.
„Vorwärts – mit heiteren Augen!“ galt nun als Jahrhundert-Motto, anknüpfend an eine Losung aus Gründungszeiten und an den ersten Büchergilde-Titel überhaupt: Mark Twains Geschichtenband „Mit heiteren Augen“. Erneut als Reprint erschienen, ergänzt mit vier weiteren Jubiläumsbänden das umfangreiche Büchergilde-Sortiment.
Büchergilde zum Anfassen
Deutsche Geschichte der letzten 100 Jahre sehen die Macher der aktuellen Leipziger Jubiläumsschau in der Entwicklung der Büchergilde „sehr gut widergespiegelt“. Doch wollen sie mit ihre Werkstattausstellung nicht den historischen Zeigefinger heben, Besucher*innen sollen vielmehr „etwas erleben und aktiv werden können“. Zur Vernissage zeigte sich: Die Geschichte wird informativ nachvollzogen, überall gibt es etwas zum Anfassen: Allem voran ältere und druckfrische Büchergilde-Bücher: Nun möglichst nachhaltig produziert, noch immer sorgfältig gesetzt, kunstvoll illustriert, mit geprägtem Einband oder originellem Schutzumschlag, farbigem Vorsatzpapier, Schnittverzierung und Lesebändchen… Eine Mitmachstation speziell für die Jüngsten wurde gemeinsam mit dem Buchkinder e.V. Leipzig gestaltet. Und am Ende des Rundgangs stehen Überlegungen, wie KI künftiges Publizieren beeinflusst.
Bücher, CDs, Videos, Spiele und „schöne Dinge“
Die Büchergilde hat heute 60.000 Mitliedern und bietet ein Programm aus 1000 Artikeln, das neben Büchern auch CDs, Videos, Spiele und „schöne Dinge“ umfasst. Das mehr als 20köpfige Büchergilde-Team in Frankfurt am Main tritt auch über einen modernen Webauftritt und auf Social-Media-Kanälen mit über 100 Partnerbuchhandlungen, Bücher-Botschafter*innen und den Leser*innen in Kontakt.
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Kerngeschäft ist nach wie vor das gute Buch – „voll guten Geistes und von schöner Gestalt“, wie es einst in der Eigenwerbung hieß. Bereits 150 nationale und internationale Auszeichnungen würdigten die gelungene Buchgestaltung. Die Kooperation mit künstlerischem Nachwuchs wird mit einem Büchergilde Gestalterpreis befördert.
Mehr als bloßer Datenträger
Die Geschichte des Buches als „existenzielles Gut“ sei auch in der digitalen Welt „noch längst nicht zu Ende erzählt“, versprach Büchergilde-Geschäftsführer Alexander Elspas auf der Jubiläumsfeier im Innenhof des Leipziger Druckkunstmuseums. Bücher seien „mehr ist als ein Datenträger“, böten Inspiration, Gelegenheit zum Innehalten, regten die Phantasie an und Konzentration auf das Wesentliche. Kinderbücher wolle man künftig noch stärker in den Fokus nehmen, Reiseliteratur, die die Gemeinschaft stärke, auch die Tradition politischer Titel als gesellschaftliche Debattenbeiträge solle nicht abbrechen. Und schließlich suche man für das Projekt gutes Buch auch wieder mehr Anknüpfungspunkte mit den Gewerkschaften.
Beim Festwochenende standen außerdem Treffen mit Mitgliedern der Genossenschaft und Leser*innen, ein spezielles Kinderprogramm und ein Werkstattgespräch auf dem Programm.
Die Jubiläumsausstellung 100 Jahre Büchergilde Gutenberg im Leipziger Druckkunstmuseum läuft noch bis zum 10. November 2024.
Die Büchergilde hat zum Jubiläum auch eine lesenswerte Festschrift „Vorwärts – mit heiteren Augen!“ publiziert.