Ein Gütesiegel für Verlagsvolontariate

Fokus Bildung auf der Leipziger Buchmesse 2018
Foto: Tom Schulze

Der 2009 gegründete Junge Verlagsmenschen e.V. (JVM) ist der größte Nachwuchsverein der Buch- und Medienbranche. Seit 2016 kooperiert er auch mit ver.di, vor allem in tarif- und arbeitsrechtlichen Fragen. Nun haben die JVM im Rahmen der Leipziger Buchmesse ihr neues Gütesiegel-Projekt vorgestellt. Was es damit auf sich hat, erklärt im Interview Selina Reimer, JVM-Schatzmeisterin und Koordinatorin der ver.di-Kooperation in der Arbeitsgruppe Nachwuchsrechte.

Selina Reimer arbeitet bei Kiepenheuer & Witsch in der Werbeabteilung
Foto: Falko Bürschinger

M | Gütesiegel, das klingt nach einer Auszeichnung. Wer wird denn ausgezeichnet?

SR | Ziel und Zweck des Gütesiegel-Projektes ist es, Buchverlage zu prämieren, deren Volontariate objektiven Qualitätskriterien entsprechen und damit Standards für die Ausbildung von Volontärinnen und Volontären in der Buchbranche zu setzen.

Welche Kriterien legt Ihr dafür zugrunde?

Bei der Zusammenstellung der Kriterien, nach denen die Volontariate bewertet werden, haben wir uns zum einen am Tarifvertrag über das Redaktionsvolontariat an Zeitungsverlagen und zum anderen an den Ergebnissen unserer Nachwuchsumfrage 2016/2017  orientiert, bei der klar geworden ist, dass der Ausbildungscharakter bei Volontariaten in deutschen Buchverlagen häufig fehlt. Die Bewertungskriterien gliedern sich dementsprechend in Rahmenbedingungen, Ausbildungsinhalte sowie Organisation und Betreuung. Im Anschluss haben wir das Ganze aber auch noch mit ver.di rückgekoppelt und uns bei Detailfragen beraten lassen.

Was muss denn ein Verlag tun, wenn er das Gütesiegel verliehen bekommen möchte?

Aufgrund der von uns ermittelten Kriterien haben wir einen Fragebogen zusammengestellt, der von einer_m Personalverantwortlichen und mindestens drei aktuellen oder ehemaligen Volontär_innen ausgefüllt werden muss, damit wir ein qualifiziertes Bild bekommen. Mindestens drei auch, weil wir damit die Volontär_innen schützen wollen, denn so kann der Verlag keine Rückschlüsse auf bestimmte Personen ziehen. Entweder reicht der Verlag zuerst einen Fragebogen ein oder ein_e Volontär_in. Sind unsere Kriterien erfüllt, bekommt der Verlag natürlich das Gütesiegel, das immer für einen Zeitraum von zwei Jahren verliehen wird, danach wird neu geprüft. Hat ein Verlag einen Fragebogen eingereicht, erfüllt allerdings nicht alle Kriterien, dann melden wir erstmal zurück, was das Problem ist, sodass die Möglichkeit besteht nachzusteuern. Wir wollen ja nicht nur Verlage auszeichnen, die etwas gut machen, sondern vor allem auch erreichen, dass sie selbst aktiv werden und an ihren Ausbildungsbedingungen schrauben, um den Gütesiegel-Kriterien zu entsprechen. Deshalb hat auch jedes Unternehmen die Möglichkeit, später noch einmal mit der Bitte um eine erneute Prüfung auf uns zuzukommen. Wird hingegen der Fragebogen zuerst von einem_r Volontär_in eingereicht und der Verlag erfüllt nicht alle Kriterien, dann erfolgt auch keine Rückmeldung an die Personalabteilung, ganz einfach um die betreffenden Volontär_innen zu schützen.

Wie seid Ihr eigentlich auf die Idee für das Gütesiegel gekommen?

Nach einer ersten Umfrage noch vor Einführung des deutschlandweiten Mindestlohns sind bereits einige Probleme mit dem Volontariat in Buchverlagen zu Tage getreten. Als Reaktion darauf haben wir mit einer Kampagne angefangen, die hieß „#An die Arbeit“. Mit diesem Projekt haben wir begonnen, auf Missstände aufmerksam zu machen, mit Postkarten und provokanten Sprüchen etwa. Nach Einführung des Mindestlohns wurde uns klar, dass wir für eine effektive Kampagne unbedingt verlässliche Daten benötigen und wir haben daraufhin eine zweite Umfrage unter dem Branchennachwuchs gestartet, die vom Dezember 2016 bis Januar 2017 gelaufen ist. Die Ergebnisse haben wir dann auf der letzten Leipziger Buchmesse vorgestellt und haben mit diesen Daten in der Hand überlegt, wie wir nun die Arbeitgeber dazu bekommen, auf uns zuzugehen und wie wir das Volontariat konkret verbessern können. Wir haben gemerkt, dass es an der Zeit ist, mit positiver Kommunikation etwas zu bewegen, statt nur zu sagen was schlecht läuft. So war das Gütesiegel geboren. Mit dem Siegel kommunizieren wir, wenn Verlage etwas gut machen und wollen dadurch andere Verlage motivieren, ebenfalls besser zu werden, um das Gütesiegel zu bekommen.

Was waren denn die Ergebnisse der Umfrage unter den Volontär_innen?

Also die haben wirklich deutlich gezeigt, wo die Probleme liegen. So haben nur 24 Prozent der Befragten angegeben, einen Ausbildungsplan zu haben. 22 Prozent haben in ihrem Volontariat keine erkennbaren Ausbildungseigenschaften wahrgenommen und 91 Prozent ersetzen nach einer Einarbeitungsphase laut ihrer Selbsteinschätzung eine Fachkraft. Da war uns endgültig klar, dass es wirklich keine Standards für die Buchverlagsvolontariate gibt und das war unser Ausgangspunkt: Dass wir unbedingt einen Ausbildungsplan brauchen.

Das Gütesiegel steht und fällt ja wahrscheinlich mit seinem Bekanntheitsgrad. Wie bringt Ihr das Projekt an die Volontär_innen beziehungsweise den Verlag?

Bisher haben wir in einer Art Beta-Phase zunächst einmal Verlage angesprochen, zu denen wir persönlichen Kontakt haben und von denen wir auch wussten, sie könnten in Frage kommen. Mit ihnen haben wir die Kriterien und den Fragebogen ein erstes Mal getestet. Die Verlage finden die Idee gut und geben sogar an, bereits erste Dinge in ihrer Volontariatsausbildung im Hinblick auf die Gütesiegelkriterien umzustellen. Damit haben wir ja ein Ziel, das wir uns gesetzt hatten, schon mal erreicht. Am vergangenen Freitag haben wir das Gütesiegel dann im Rahmen der Leipziger Buchmesse auch offiziell vorgestellt und nun starten wir eine breitangelegte Kampagne, um die Auszeichnung möglichst bekannt zu machen. Wir haben unter anderem Postkarten gedruckt und eine Website aufgesetzt, auf der man den Fragebogen dann auch online ausfüllen kann. Natürlich streuen wir das Ganze auch über unsere Newsletter, über unsere Kooperationspartner und – ganz wichtig – unsere persönlichen Kontakte in den Verlagen.

Wenn ich auf der Suche nach einem Volontariat in der Buchbranche bin, woran erkenne ich dann, ob ein Verlag das Gütesiegel hat? Worauf muss ich achten?

Gütesiegel-Logo

Wir haben ein Logo für unser Gütesiegel entwickelt und wollen, dass die Verlage selbst es ganz offensiv verwenden. Wenn sie dann ein Volontariat ausschreiben, auf ihrer Website oder in den Branchenmedien beispielsweise, dann können sie das Logo direkt in die Stellenanzeige setzen. Auf der Website zum Gütesiegel-Projekt wird es zudem eine Liste der Verlage geben – und nicht nur das. Zu jeder Gütesiegel-Vergabe schreiben wir einen ausführlichen Bericht, denn im Gespräch mit ver.di haben wir gemerkt, dass es wichtig ist, nicht einfach nur ein Gütesiegel zu vergeben, sondern die Vergabe mit einem solchen Bericht auch transparent und für jeden nachvollziehbar zu gestalten.

Zum Schluss noch ein Blick in die Glaskugel: Ab wann, glaubt Ihr, wird das Gütesiegel so aussagekräftig sein, dass künftige Volontär_innen gezielt nach Gütesiegel-Verlagen suchen, weil sie wissen, dass sie dann eine gute Ausbildung mit auf den Weg bekommen?

Ich glaube, es muss eine kritische Masse überschritten sein. Als Beispiel: Es gibt ja viele Verlagsgruppen im Buchmarkt. Und wenn ein Verlag einer Gruppe das Siegel hat beziehungsweise sich gerade dafür bewirbt, dann möchten die anderen Verlage natürlich nachziehen. Deshalb denke ich, wir brauchen ein paar starke Zugpferde und dann wird das Ganze ein Selbstläufer, wird sich wie eine Welle fortsetzen. Wichtig ist uns aber auch, dass wir mit dem Gütesiegel nicht nur große Verlage ansprechen, sondern ebenso die kleineren Häuser mit ins Boot holen wollen. Eine gute Volontariatsausbildung ist keine Frage des Budgets, sondern kann auch mit geringem finanziellem Aufwand umgesetzt werden. Die Frage ist nur, ob die Verlage tatsächlich bereit sind, ihre Ausbildung anzupassen. Das wird der große Knackpunkt. Aber wie gesagt, wir haben schon erste Signale erhalten und die Jungen Verlagsmenschen sind mittlerweile so groß in der Branche, dass wahrgenommen wird, was wir tun. Deshalb sind wir da sehr optimistisch.

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