Es ist nicht nur das bisschen Haushalt – es ist die Hälfte des Lebens: Noch immer sind Pflege, Erziehung und das Management des Privatlebens vor allem Frauenaufgaben. Auch unter Journalistinnen und Journalisten. Das muss sich zum Wohle aller ändern. Ein von einem Journalistenpaar initiierter bundesweiter Aktionstag soll das befördern.
Das Private bleibt politisch: Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Familienmanagement – Frauen in Deutschland arbeiten pro Tag im Schnitt viereinhalb Stunden, ohne dass sie dafür bezahlt werden. Das geht aus einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) , wonach Frauen weltweit etwa vier Mal so viel unbezahlte Sorgearbeit verrichten wie Männer. Selbst unter Akademiker-Paaren und Kinderlosen ist die Familienarbeit ungleich aufgeteilt.
Doch das hat Folgen – auf den unterschiedlichsten Ebenen. Weil Frauen den Großteil der Fürsorgearbeit übernehmen, haben sie weniger Zeit, der bezahlten Erwerbsarbeit nachzugehen. Sie fehlen also auf dem Arbeitsmarkt.
Im Journalismus, der geprägt ist von überlangen Arbeitszeiten mit Arbeit oft rund um die Uhr, am Wochenende und an Feiertagen sowie einer ständigen Erreichbarkeit, wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf damit für diejenige, die den Großteil der Fürsorgearbeit übernimmt, zum kaum machbaren Spagat. Nicht wenige Journalistinnen reduzieren daher im Job, wenn sie Kinder haben oder mit der Pflege von Angehörigen betraut sind. Immer noch verzichten viele Kolleginnen sogar ganz auf Kinder. Zwar sind die vorliegenden Daten veraltet, die existierenden Studien über Journalistinnen in Deutschland zeigen aber: In kaum einer anderen Branche sind Frauen so oft kinderlos wie im Journalismus.
Neben weiteren, auch strukturellen Gründen ist der sogenannte Gender Care Gap, also die ungleiche Verteilung der Fürsorgearbeit, auch ein wichtiger Grund dafür, dass Frauen als Chefredakteurinnen nach wie vor fehlen. Die letzte Erhebung des Vereins ProQuote Medien zeigt: Bei den Regionalzeitungen zum Beispiel stehen hundert Männern nur acht Frauen gegenüber. Und von diesen acht waren drei zum Erhebungszeitpunkt Teil einer Doppelspitze mit einem Mann.
Dass der Gender Care Gap endlich kleiner wird, dafür soll nun ein bundesweiter Aktionstag sorgen: der Equal Care Day (ECD). Und auch hier spielt eine Journalistin eine zentrale Rolle. Der Tag wurde 2016 von der Journalistin Almut Schnerring und ihrem Partner, dem Journalisten Sascha Verlan, ins Leben gerufen. Die beiden hatten sich durch ihr Buch „Die Rosa-Hellblau-Falle“ mit den Auswirkungen von Geschlechterstereotypen auf Jungen und Mädchen beschäftigt. Und das nicht von ungefähr, immerhin hat das Journalistenpaar selbst drei Kinder und den Anspruch, sich die Fürsorge- und Familienarbeit ebenso wie die Berufstätigkeit gleichberechtigt zu teilen. Doch immer wieder gerieten sie an Grenzen, die struktureller Natur waren. So reifte die Idee, einen ähnlichen Aktionstag wie den Equal Pay Day (EPD) zu schaffen. Der macht nämlich auf die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen aufmerksam und wird in vielen Ländern auf der Welt begangen – jeweils an dem Datum, das rechnerisch den Tag markiert, bis wohin Frauen aufgrund der unbereinigten Lohnlücke quasi umsonst arbeiten.
Um auf die noch viel größere Lücke bei der Care-Arbeit hinzuweisen, wählten Schnerring und Verlan den 29. Februar als Schalttag. Damit soll gezeigt werden, dass die meiste Fürsorgearbeit unsichtbar bleibt. Vor allem aber, dass Männer rechnerisch etwa vier Jahre bräuchten, um so viele Fürsorgetätigkeiten zu verrichten wie Frauen in einem Jahr. In Jahren, in denen es keinen 29. Februar gibt, wird der ECD übrigens am 1. März gefeiert.
2020 findet er erstmals bundesweit unter Beteiligung verschiedener Verbände und Initiativen statt. Auch die dju in ver.di unterstützt den Equal Care Day, ebenso wie der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, immerhin sind 53 Prozent der ver.di-Mitglieder Frauen. „Sorgearbeit ist höchst anspruchsvolle, oftmals emotional und körperlich belastende Arbeit. Und sie ist gesellschaftlich notwendige Arbeit“, sagt Werneke. „Es ist höchste Zeit, Care Arbeit in ihrer zentralen Bedeutung für die Gesellschaft zu würdigen, sie als solche sichtbar zu machen.“
Aber kann man die unterschiedliche Verteilung der Care-Arbeit wirklich seriös in Zeiten beziffern, wie es die ILO-Studie tut? Immer wieder wird dies in Zweifel gezogen und kritisiert. Vor allem Männer wenden ein, dass Frauen ja überwiegend Teilzeit arbeiteten, die Aufgabenteilung selbst so gewählt hätten.
Schaut man sich die Daten genauer an, stellt man schnell fest: Es gibt tatsächlich unterschiedliche Methodiken und Definitionen. Überraschenderweise sind die Unterschiede in den einzelnen Studien aber gering. Sogar, wenn man die Verteilung der unbezahlten Familienarbeit in Industrienationen mit denen in Entwicklungsländern vergleicht.
Auch Almut Schnerring hat Kritik an der Zeitstatistik: „Den Care-Begriff nur auf den privaten unbezahlten Bereich zu beziehen, ist eigentlich falsch, weil in den Familien zunehmend Care-Arbeit ausgelagert wird, meist an andere Frauen. Privat und beruflich gehen also ineinander über. Und gerade in jenen Branchen, in denen besonders viele Frauen arbeiten, ist das Lohnniveau so niedrig, dass es kaum möglich ist, angemessen für das eigene Alter vorzusorgen.“
Ganz generell sollte der ECD-Initiatorin zufolge auch nicht die konkrete Zahl der ungleichen Verteilung der unbezahlten Arbeiten im Fokus stehen, sondern die Auswirkungen dieser Aufgabenteilung: In Deutschland arbeitet jede zweite erwerbstätige Frau nicht in Vollzeit, bei denjenigen mit minderjährigen Kindern beträgt der Anteil sogar mehr als zwei Drittel, zeigen Daten der Bundesagentur für Arbeit. Bei Männern ist Teilzeit hingegen die Ausnahme.
2017 verwies bereits eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) darauf, dass die hohe Teilzeitquote der Frauen in Deutschland vor allem damit zu tun hat, dass sie einen Großteil der privaten Fürsorgearbeit übernehmen. Auch eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2017 arbeitete diesen Zusammenhang deutlich heraus.
Auch Journalistinnen mit kleinen Kindern reduzieren häufig im Job. Viele wechseln sogar mit der Familiengründung von der Festanstellung in die Freiberuflichkeit. Als Grund wird von den Frauen oft angegeben, dass sie hoffen, so Job und Familienarbeit besser in Einklang bringen zu können. 2016 zeigte eine Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass dies auf freie Journalistinnen tatsächlich zutrifft. Aber die Frauen zahlen dafür einen Preis: Ihr Einkommen halbiert sich der Studie zufolge.
Die Folgen für die Alterssicherung sind dabei enorm. In Deutschland bekommen Frauen viel weniger Rente als Männer. Der sogenannte Gender Pension Gap, also die Lücke zwischen den Renten von Männern und Frauen, beträgt 44,8 Prozent. Daten allein für den Journalismus gibt es keine. Die Statistik zeigt aber generell: Es sind überwiegend Frauen auf die Grundsicherung im Alter angewiesen. Die Grundrente soll dies zwar ändern – dennoch ist Altersarmut in Deutschland vor allem ein weibliches Problem, das seine Wurzeln auch bei der ungleichen Aufteilung der Care-Arbeit hat.
Damit sich dies endlich ändert, wird es in diesem Jahr in Bonn zum ECD erstmals eine zweitägige Konferenz am 28. und 29. Februar geben – mit Workshops und Vorträgen. Zudem soll ein Equal-Care-Manifest erarbeitet werden, das als offener Brief veröffentlicht werden soll. Hierfür werden nach wie vor Frauen (und Männer) gesucht, die sich beteiligen wollen.
Wir rufen daher alle Kolleginnen und Kollegen auf, den Equal Care Day zu unterstützen!