Filmindustrie – stabil aber mit Potenzial

CHARITÉ, historische Krankenhausserie mit sechs Folgen ab 21. März in der ARD. Die Schauspieler Justus von Dohnányi (Rolle Koch, 2.v.l.) und Matthias Koeberlin (Rolle Behring, r.) bei einer Kameraprobe mit Kameramann Holly Fink (l.) und Regisseur Sönke Wortmann (2.v.r.) Foto: ARD/Nik Konietzny

Laut einer vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) in Auftrag gegebenen Studie erwirtschaftet die deutsche Filmindustrie 13,6 Milliarden Euro im Jahr, entwickelt sich insgesamt stabil und steht im internationalen Vergleich befriedigend da. „Am Ende der Nahrungskette“ sehen sich jedoch diejenigen, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, nämlich die Filmschaffenden. Sie klagen über zu wenig Gehalt und fehlende soziale Absicherung.

13,6 Milliarden Euro. So viel betrug im Jahr 2014 die Bruttowertschöpfung der deutschen Filmindustrie, also der Gesamtwert der erzeugten Waren und Dienstleistungen abzüglich des Werts der Vorleistungen. Die Zahl der in der Filmwirtschaft beschäftigten beträgt rund 161.000 Personen und je Euro direkter Bruttowertschöpfung, der aus den Kernaktivitäten der Filmwirtschaft resultiert, werden insgesamt 1,60 Euro an Wertschöpfung in der Volkswirtschaft realisiert. So weit zu den Kernzahlen der von Goldmedia, Hamburg Media School und DIW Econ durchgeführten und nun in Berlin vorgestellten Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Filmindustrie in Deutschland. Sie liefert erstmals belastbare Kennzahlen, die auf den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2014 basieren. Als Grundlage für eine detaillierte Analyse der Teilsektoren entlang der Wertschöpfungskette der Filmwirtschaft – also Filmschaffende, Produktion, Filmdienstleister, Kino, Verleih/Vertrieb, Videomarkt und TV-Markt – dient hingegen eine Online-Befragung, an der sich insgesamt 1009 Unternehmen und Einzelpersonen beteiligt haben. Ziel der Studie ist es nicht, wie auch immer geartete Handlungsempfehlungen zu geben, sondern wissenschaftlich fundierte Aussagen zum derzeitigen Status quo der Filmwirtschaft und ihrer Teilbranchen zu treffen. Sie sei damit also vielmehr als Diskussionsimpuls zu verstehen, als Anstoß für einen Dialog mit den Akteur_innen der Filmwirtschaft, so Stefan Schnorr, Ministerialdirigent im BMWI und Leiter der Abteilung Digital- und Innovationspolitik.

Eine Bruttowertschöpfung von 13,6 Milliarden Euro ist keine unbedeutende Größe, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um eine Wertschöpfung von immateriellen Gütern handelt. So erwirtschaftet zwar die Automobilindustrie etwa neunmal so viel, die Musikindustrie jedoch nur 3,9 Milliarden Euro. Und auch der gesamte Wirtschaftsbereich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei weist mit 15,03 Milliarden Euro für das Jahr 2015 nur eine geringfügig höhere Bruttowertschöpfung auf. Im Unterschied zu anderen Erhebungen definiert die BMWI-Studie allerdings neben der Herstellung von Filmen, Videofilmen und Fernsehprogrammen, der Nachbearbeitung und sonstiger Filmtechnik sowie dem Filmverleih und –vertrieb auch Fernsehveranstalter und Kinos als Kernaktivitäten der Filmwirtschaft. So entfallen allein 7,3 Milliarden Euro der gesamten Bruttowertschöpfung von 13,6 Milliarden auf Fernsehveranstalter.

Im internationalen Vergleich sei Deutschland im Mittelfeld „ganz erfolgreich“, so Goldmedia-Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Goldhammer, der die Studie vorgestellt hat. Auf dem europäischen Markt befinde es sich immerhin unter den Top 5, wenn auch nur auf der vorletzten Position. Die im Rahmen der Studie durchgeführte Befragung habe gezeigt, dass die Drehorte, Filmfestivals, Infrastrukturen und die Qualifikation des Personals im internationalen Vergleich als besonders positiv, die Rahmenbedingungen insgesamt als befriedigend bewertet werden.

Allerdings, im Vergleich zu anderen Anreizmodellen in den USA, Kanada, Australien, Großbritannien und vielen weiteren Staaten stellt die doppelte Kappung des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) einen Wettbewerbsnachteil dar: So kann ein Projekt zum Einen nur mit maximal 4 Millionen Euro (in Ausnahmefällen bis zu 10 Millionen Euro) gefördert werden und zum Anderen ist der Fonds auf 50 Millionen Euro* gedeckelt, was dazu führen kann, dass die Fördergelder bei Antragstellung zur Mitte des Jahres bereits ausgeschöpft sind. Der Standort Deutschland bietet, so ein Fazit der Studie, daher insgesamt hervorragende und sehr stabile Produktions-, nicht jedoch Finanzierungsbedingungen.

Ein Umstand, den auch die Filmschaffenden in ihrer Position am Anfang der Wertschöpfungskette zu spüren bekommen. Die Online-Befragung im Rahmen der Studie hat gezeigt, dass sie die Höhe der Vergütung sowie die Möglichkeiten der sozialen Absicherung als besonders negativ empfinden und sich infolgedessen auch „am Ende der Nahrungskette“ sehen. Zwar beträgt das durchschnittliche Brutto-Jahresgehalt laut einer Umfrage im Auftrag von Die Filmschaffenden e.V. 38.400 Euro, doch ist die Schere zwischen Gutverdienern und Geringverdienern in der Filmbranche besonders hoch. So bewerten 37% der Befragten die Höhe ihrer Vergütung als eher schlecht. Die überwiegend projektbezogene Arbeit, in der Filmschaffende tätig sind, führt zudem zu Problemen bei ALG-2-Leistungen und bei der Rente, wenn nicht über einen ausreichend langen Zeitraum Sozialabgaben geleistet wurden. Für die meisten Filmschaffenden unmöglich, weshalb 74% der Befragten ihre soziale Absicherung als ungenügend beurteilen.

Jedoch werden die Kooperations-/Netzwerkmöglichkeiten und Plattformen der Filmschaffenden – dazu zählen die gewerkschaftliche Organisation im ver.di-Netzwerk connexx.av oder die Organisation in Branchenverbänden wie dem Dachverband Die Filmschaffenden e.V. – als überwiegend positiv bewertet. Gleichzeitig stellen die Autoren der Studie fest, „dass die Kreativität und die Qualifikation der Filmschaffenden wichtige Faktoren für den Produktionsstandort Deutschland sind, welche zukünftig, in einem zunehmend internationalen Markt, als Abgrenzungsmerkmal an Bedeutung gewinnen werden“.

Zwei Faktoren, die zusammengenommen das Potenzial in sich tragen, die künftige Situation der Filmschaffenden merklich zu verbessern. Von denen bewertet nämlich knapp die Hälfte ihre beruflichen Entwicklungsperspektiven eher negativ – während hingegen 80% der befragten Unternehmen der Filmwirtschaft in Zukunft stabile oder steigende Beschäftigungszahlen erwarten.

Die komplette Studie „Wirtschaftliche Bedeutung der Filmindustrie in Deutschland“ kann hier als PDF heruntergeladen werden


*Wie Staatsministerin Monika Grütters am 09. Februar 2017 beim Deutschen Produzententag bekanntgegeben hat, wird der DFFF noch in diesem Jahr um 25 Millionen Euro auf dann 75 Millionen Euro erhöht. Sie wolle damit einen zusätzlichen Anreiz für internationale Aufträge an deutsche Produktionsdienstleister schaffen und deutsche Produktionsstandorte wie die Filmstudios in Potsdam-Babelsberg, München oder Köln wettbewerbsfähig halten. Grütters zeigte sich außerdem sehr zuversichtlich, für die Folgejahre ab 2018 noch weitere Erhöhungen des DFFF zu erreichen.

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