Auszubildende in der Fotografie liegen ganz am unteren Ende der Vergütungsstaffel. Einen Tarifvertrag gibt es in der Branche nicht. Die Meisterpflicht ist aufgehoben. Immer mehr Fotograf*innen ohne Ausbildung drängen in das Geschäft mit den Bildern. Und doch ist es für viele junge Leute immer noch ein Traumberuf, den sie von der Pike auf lernen möchten – auch wenn sie und ihre Eltern für die drei Lehrjahre ganz schön zubuttern müssen. Immerhin seit Beginn dieses Jahres gibt es etwas mehr Azubi-Geld.
Warum haben sie trotz der geringen Ausbildungsvergütung von durchschnittlich 240 bis 310 Euro monatlich im ersten Jahr die Ausbildung als Fotograf*in gewählt, fragt M in einer Fotografenklasse der Ernst-Litfaß-Schule im Oberstufenzentrum in Berlin-Wittenau. „Ich will ein anerkannter Fotograf werden“, heißt es, oder „Ich wollte noch mal richtig tief in die Materie eingeführt werden und ein Netzwerk aufbauen“. Fotografie als Hobby sei zu wenig, Ausbildung müsse sein, aber der künstlerische Aspekt komme leider zu kurz, wird in der Klasse gesagt. Im Arbeitsalltag gebe es „zu wenige Möglichkeiten, das Gelernte auszuprobieren“, da schon die Azubis voll in den Geschäftsbetrieb einbezogen würden. An der Größe des Betriebs läge das aber nicht, eher am Zeitmanagement oder der Kollegialität, geben einige zu bedenken. Fotograf sei der „Traumberuf“, „deswegen lebe ich damit“, heißt es bei nicht wenigen mit Blick auf das geringe Geld. „Damit“ bedeutet für die einen, noch zuhause zu wohnen, für andere, Ausbildungsbeihilfe oder Aufstockung zu beantragen.
Als Ausgelernte finanziell auf eigenen Beinen stehen zu können, darauf freuen sich viele in der Klasse. Allerdings sieht es mit der Übernahme nicht für alle gut aus. Die Azubis einer Kette oder einer Sportfoto-Agentur haben gute Chancen, bei anderen sieht es in ihren Betrieben nicht so rosig aus. Die Bewerbungsmöglichkeiten werden von „schwierig“ bis „katastrophal“ eingeschätzt, es werde in Richtung Web-Design abgewandert, sagen Schüler*innen pessimistisch. Die Lehrerin der Fotografenklasse, Sandra Ulbrich, hält Kontakt zu etlichen Absolvent*innen und klingt optimistischer. „Es arbeiten viele nach der Ausbildung als Fotografen“, meint sie, „ein großer Teil nimmt aber auch noch ein Studium auf, Kommunikationsdesign oder Druck- und Medientechnik“.
Magere Ausbildungsvergütung aufgestockt
Seit dem 1. Januar gilt nun eine neue Mindestausbildungsvergütung. Die Vergütungsstaffel sieht 515 Euro im ersten Lehrjahr, 608 Euro im zweiten und 695 Euro im dritten Jahr vor. Jährlich ist eine Erhöhung geplant, bis die Ausbildungsvergütung 2023 bei 620/732/837 Euro liegt. Danach wird jedes Jahr an die bundesweite Durchschnittsvergütung angepasst. „Nullrunden sind damit nicht möglich“, betont die ver.di-Jugend.
Im Süden Deutschlands ist in den Betrieben die Richtlinie der Fotografeninnung Schwaben-Oberbayern vielfach der Maßstab gewesen. Wie Obermeister Gert Richter im Gespräch mit M erklärte, sah sie 260 Euro im ersten, 320 Euro im zweiten und 380 Euro im dritten Lehrjahr vor für alle Azubis ab 18 Jahren. Auf die neue Mindestausbildungsvergütung angesprochen, gibt Richter zu bedenken, dass Azubis bei einer Vergütung von mehr als 325 Euro selbst Beiträge zur Sozialversicherung zahlen müssen (SGB IV §20 Abs. 3). Rechnet man mit rund 20 Prozent vom Brutto, bleiben aber von der Mindestausbildungsvergütung auch nach Abzug der Sozialversicherungskosten über 400 Euro übrig, also eine deutliche Steigerung für die künftigen Auszubildenden der Fotografie, unterstreicht Berlin-Brandenburgs ver.di-Jugendsekretär Kristof Becker.
Doch wer seine Fotografenausbildung vor 2020 begonnen hat – wie die derzeitigen Mitglieder der Fotografenklasse der Berliner Berufsschule – lebt weiterhin mit rund 260 bis 410 Euro im zweiten Lehrjahr und 290 bis 490 Euro im dritten Ausbildungsjahr, wie es die Internetseite ausbildung.de noch 2019 als Durchschnittsvergütung aufschlüsselte. Inzwischen sind bei ausbildung.de nur noch die neuen gesetzlichen Mindestsätze zu finden. Dennoch finden die gegenwärtigen Azubis das neue Gesetz gegen die „unterirdische“ Bezahlung“ gut, auch wenn ihre eigenen Vergütungen auf dem alten Niveau bleiben. „Das wird schon schwierig, wenn im Herbst die Neuen kommen und mehr verdienen als wir“, heißt es in der Berliner Fotografenklasse. Nicht wenige vermuten, dass in ihren Ausbildungsbetrieben dann keine oder weniger Azubis eingestellt würden.
Immer weniger Ausbildungsbetriebe
Die Ausbildungsbetriebe werden auch nach Beobachtung von Philipp Schumann, Geschäftsführer der Fotografeninnung Focon für die Handwerkskammerbezirke Berlin, Potsdam, Frankfurt (Oder) und Magdeburg, weniger. Zu befürchten sei, dass die Mindestausbildungsvergütung die Situation noch verschärfen werde. Er habe bereits Ankündigungen von Fotostudios erhalten, im Herbst keine Auszubildenden mehr einstellen zu wollen. Die hohen Ladenmieten drückten viele Betriebe, so Schumann, deshalb würden Auszubildende häufig früh in den Geschäftsablauf einbezogen – zum Nachteil des Ausbildungsaspekts.
Auch Daniel Philipp blickt mit seinem Fotostudio in Eching bei München zwiespältig auf die neue Mindestausbildungsvergütung. Zum einen sei die Entscheidung richtig, denn es sei ja bisher wirklich zu wenig Geld gewesen. Auf der anderen Seite müsse er nun überlegen, ob er wieder wie bisher zwei Auszubildende einstellen könne.
Durch die Abschaffung der Meisterpflicht habe der anerkannte Beruf des Fotografen gelitten, ist Schumann überzeugt. Als unlängst für zwölf Handwerksberufe die Meisterpflicht wegen „Gefahrenneigung“ wieder eingeführt wurde, waren die Fotografen nicht dabei. Die neue Medientechnik habe die Fotografie dem Hobbymarkt weit geöffnet. Die Zahl der bei den Handwerkskammern gemeldeten „Amateurbetriebe“, wie Schumann es nennt, steige. Auch die nebenberuflich tätigen Fotograf*innen würden mehr und nähmen den professionellen Betrieben einträgliche Geschäftsfelder weg, zum Beispiel die Hochzeitsfotografie.
Dennoch plädiert Schumann dafür, nach der Ausbildung auch Meisterkurse zu belegen und die Prüfung zu absolvieren. Er hat dafür einige Beispiele zur Begründung parat: Fotografenstellen im Öffentlichen Dienst ohne Meisterbrief zu bekommen, sei sehr schwer, wie er von dort arbeitenden Kollegen weiß. Auch bei Workshops an Hochschulen würde auf den Meistertitel geachtet. Und wer im europäischen Ausland Fuß fassen wolle, dem sei mit dem Meisterbrief ebenfalls gedient. In der Schweiz ginge es beispielsweise nicht ohne und in Norwegen würden Meister-Fotografen „mit Kusshand“ genommen.
Die Schülerinnen und Schüler der Fotografenklasse jedenfalls haben einen Wunsch für die Zukunft: Der gesellschaftliche Stellenwert des ausgebildeten Fotografen müsse unbedingt steigen. Ein neu formuliertes Berufsbild und die Rückkehr zur Meisterpflicht könnten in ihren Augen dazu beitragen.