Freshe Volos für den MDR

Foto: 123rf

Neue Wege geht der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) bei der Rekrutierung seines journalistischen Nachwuchses: Mit dem Nachwuchs-Talente-Programm MDRfresh, einer neunmonatigen, bezahlten Ausbildung, will der Sender Seiteneinsteiger*innen mit unterschiedlichsten Biografien rekrutieren. Ziel ist, mit mehr Diversität in den Redaktionen ein vielfältigeres Programm zu gestalten und damit neue Zielgruppen zu erschließen.

Gerade läuft zum dritten Mal die Bewerbungsphase für das Nachwuchsprogamm MDRfresh: Seit Mitte November können sich Menschen ab 18 Jahren, die einen Schulabschluss haben und sich für Audio, Video und multimediale Produktion interessieren, um einen der vier besonderen Ausbildungsplätze für das Jahr 2024/25 bewerben. „Wenn wir ein breites und diverses Publikum ansprechen wollen, müssen wir dies auch in unseren Redaktionen fördern. Wir brauchen andere Perspektiven, eine buntere Mischung von Menschen, die unser Programm gestalten“, erklärt Frank-Thomas Suppee, Leiter des MDR BildungsCentrums. Der erste Jahrgang, der 2022 begann, war eine Art „Versuchsballon“ – mittlerweile gibt es für den Abteilungschef keine Zweifel mehr, dass der Ansatz richtig ist: „Unsere Absolventinnen und Absolventen des ersten Jahrgangs wurden ausnahmslos als freie Mitarbeitende beim MDR übernommen. Das ist wohl der beste Beleg für die Wirksamkeit von MDRfresh.“ 

Mini-Volontariat wird vergütet

Der finanzielle Aufwand, den der Sender für das Nachwuchs-Talente-Programm betreibt, ist nicht unerheblich. Mit einer Brutto-Vergütung von 1.830 Euro monatlich sollen die Teilnehmenden in die Lage versetzt werden, ihr Leben während des sogenannten Mini-Volontariats eigenständig zu bestreiten. Auch der Betreuungsaufwand sei höher, als bei den „normalen“ Volontärinnen und Volontären mit 24-Monats-Ausbildung. Sylvia Dubberke, seit über zwei Jahrzehnten zuständig für die Volontärsausbildung beim MDR, betont die besonderen Unterstützungsleistungen, die so mache „Freshis“ benötigen: „Die meisten haben keine geradlinigen Ausbildungswege hinter sich, manche eine Migrationsgeschichte, andere kommen aus sozial schwierigen Verhältnissen oder gehören der queeren Community an – aber genau diese Menschen wollen wir fördern. Sie bereichern unsere Teams und werden von den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt“, unterstreicht Dubberke. Angesichts der Sparanstrengungen, die auch der MDR derzeit unternimmt, ist die Finanzierung des Programms keine leichte Aufgabe. Hier den Rotstift ansetzen zu wollen, wäre der falsche Weg, meinen Dubberke und Suppee mit Blick auf den Gewinn an Vielfalt für ihren Sender.

Der große Überblick

Der nächste Ausbildungsgang des Nachwuchs-Talente-Programms beim MDR läuft von Mai 2024 bis Ende Januar 2025. Es setzt sich aus Workshops und verschiedenen Stationen in den Landesfunkhäusern in Halle, Leipzig, Dresden und Erfurt zusammen. „Wir wollen die individuellen Talente und Interessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fördern, journalistische Basiskenntnisse vermitteln und Einblicke sowie praktische Erfahrungen in den Bereichen Video- und Audioproduktion, Social Media, Radio, Fernsehen ermöglichen“, sagt Suppee. Der neue Ausbildungsstrang habe auch Auswirkungen auf das „große Volontariat“, bekräftigen Dubberke und Suppee. So haben Absolventinnen und Absolventen des fresh-Programms die Möglichkeit, sich anschließend auf ein Volontariat zu bewerben. Auch beim Voll-Volontariat seien die Zugangsbedingungen in den letzten Jahren verändert worden, um vielfältigen Nachwuchs für den MDR zu rekrutieren. Entscheidend seien, so Dubberke, „solides Allgemeinwissen und regionale Kenntnisse sowie Kreativität und Medienaffinität“. Volontärinnen und Volontäre haben nun auch die Möglichkeit, sich auf regionale Themen zu spezialisieren: „Von unseren zwölf Volo-Plätzen sind drei als sogenannte Regionalvolontariate ausgelegt worden. So haben Interessentinnen und Interessenten die Möglichkeit, gegebenenfalls in ihrer Heimatregion bleiben zu können und nach Abschluss ihres Volontariats dort weiter zu arbeiten“, erklärt die Volo-Beauftragte.

YouTuber willkommen

Für die Leipzigerin Urma*, eine junge Frau mit syrischen Wurzeln, ist MDRfresh ein Lichtblick: „Ich bin mit elf Jahren nach Deutschland gekommen und habe letztes Jahr einen guten Realschulabschluss geschafft und habe Praktika bei einer Werbeagentur und einem Radiosender gemacht. Ich interessiere mich für journalistische Themen und kann gut auf Menschen zugehen. Ich würde gern Reporterin beim MDR werden.“ Gemeinsam mit ihrer Freundin Kay* probiert sich die knapp 19jährige schon mit kleinen Videos zu Umweltthemen bei Instagram und YouTube aus, kann einige Tausend Follower nachweisen. „Vielleicht habe ich Talent, aber mir fehlen noch die journalistischen Grundlagen und viele Technik-Kenntnisse. Aber ich bin neugierig und ehrgeizig, möchte gern die verschiedenen Regionen kennenlernen und habe Lust auf Arbeit im Team mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen“, sagt sie. Für den Bewerbungsstart stehen Urma und Kay schon in den Startlöchern: „Das ist eine große Chance, die wollen wir nicht verpassen.“ 

*Namen geändert

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »