Fußball: Auf Kritik folgt der Rausschmiss

Der Fußball, des Deutschen liebster Sport! Wer nicht im Stadion sein kann, verschlingt die Berichte. Ginge es nach den Vereinen, sollten die vor allem positiv sein. Da bleibt die Pressefreiheit schon mal auf der Strecke. Und das zunehmend und auch immer wieder neu, wie derzeit beim TSV 1860 München. Ein Versuchsballon – oder nur Zufall?

Für eine positive Berichterstattung gründen die Vereine eigene Fernsehsender, lassen von PR-Teams Stadionzeitungen schreiben. Der Ligaverband DFL räumt diesen Vereinsmedien denn auch spezielle Rechte ein, wenn es um die Akkreditierung zu Spielen der 1. und 2. Bundesliga geht. Auch die „Host TV“-Sender haben wesentlich mehr Möglichkeiten im Stadion als solche Medien, die kein Geld für die Berichterstattung an Vereine und Verband bezahlen: Zuerst sind Sky- oder ARD/ZDF-Reporter an der Interview-Reihe, die „normal“ akkreditierten Kolleg_innen stehen länger an. Daran haben sich Tageszeitungs-Berichterstatter und Onliner längst gewöhnt. Und auch daran, dass in den „offiziellen Pressekonferenzen“ – Pflicht nach jedem Spiel – die Herren Trainer von Gast- und Heimmannschaft höchstens zwei mit Phrasen gespickte Sätze von sich geben.

Doch was zurzeit beim in der 2. Liga dahinsiechenden Traditionsclub TSV 1860 München passiert, das ist neu. Nicht nur, dass der „Investor“ – der nach offizieller DFL-Lesart ja nur Vereinsmitglied sein darf – Gästefunktionären schon mal das Jubeln auf der Tribüne verbieten will. Die 1860-Pressestelle hat kürzlich laut DFL „einigen Münchner Medien Dauerakkreditierungen entzogen“. Das dürfte ein bisher wohl einmaliger Vorgang in deutschen Fußballstadien sein.

Zugegeben: Münchner Journalist_innen hatten in der Vergangenheit die Personalpolitik des Vereins nicht gerade hochgejubelt. Kritische Begleitung ist aber ihr Job. Doch nach 1860-Lesart haben sie „das Image der Löwen beschädigt“.

Besonders drastisch geht der Verein mit Kolleg_innen von Bild und Sportbild um. Diese Medien sind wohl vor allem gemeint, wenn 1860 schreibt: „Wir sind offen für Kritik, nicht aber für persönliche Angriffe.“ Man akzeptiere „nicht die falsche Wiedergabe von Informationen sowie Berichterstattung, die Ängste schürt“. Doch anstatt mit presserechtlichen Maßnahmen gegen einzelne Beiträge vorzugehen, schmeißt 1860 zum Beispiel die Bild-Reporterin Kristina Ellwanger aus dem Stadion und vom Trainingsgelände. Und auf Pressekonferenzen werden Bild-Fragen nicht mehr per Livestream übertragen. Das Vereins-Verhalten erinnert jedenfalls fatal an Tendenzen, wie sie Polit-Egomanen wie Trump, Erdogan oder Putin vorleben.

Offenbar beschreiten die Vereine ja künftig noch einen ganz anderen Weg, um die Plätze für kritische Berichterstatter auf Tribünen und in Pressekonferenzen zu begrenzen: Sie verlosen einfach immer mehr so genannte „Fanreporter-Tickets“ und füllen so die Journalistenplätze. Dann könnten sie sicher sein: Die Begeisterung an ihrer Arbeit kennt in Pressekonferenzen keine Jubel-Grenzen. Und hinterher Kritisches lesen müsste auch niemand in den Vorstandslogen.

 

 

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