Gegen den Strom

IHK Bremerhaven boykottierte Freie, die „selektiv“ berichten

Und bist du nicht willig, dann werf‘ ich dich raus – nach diesem Motto scheint die Industrie- und Handelskammer Bremerhaven ihre Pressearbeit zu gestalten: Bei einer Überarbeitung ihres Presseverteilers strich sie auch einzelne freie – offenbar nicht genehme – Korrespondenten von der Liste.

Einer der Getilgten ist Detlef Kolze, der aus Bremerhaven vor allem für den Bremer Weser-Kurier (WK) berichtet. Der 60-Jährige erfuhr von seinem Rauswurf nur dadurch, dass die WK-Redaktion ihn auf eine Mitteilung der Kammer hinwies, die er selber nicht erhalten hatte. Kolze dachte zunächst an ein Versehen, bekam es dann aber von IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Stark schriftlich: Auf jene freien Journalisten, „die, nach welchen Kriterien auch immer, entscheiden, ob und welche Informationen aufbereitet bzw. weitergegeben werden oder eben nicht – auf deren selektive / seltene Einzelbeiträge möchten wir lieber ganz verzichten. Denn auch Pressearbeit hat etwas mit Beständigkeit und Verlässlichkeit zu tun, und nur so lässt sich nach unserer Überzeugung die Aufgabe wirkungsvoller Interessenvertretung für die regionale Wirtschaft nachhaltig erfüllen.“
Kolze fand diese Argumentation „völlig unhaltbar, weil sie eine unabhängige und kritische Berichterstattung in unzulässiger Weise zu behindern droht“. Dass ausgerechnet Kolze aus dem Verteiler flog, hält er nicht für Zufall: „Ich bin nicht auf Stromlinie, sondern versuche immer wieder, ein bisschen wider den Stachel zu löcken.“ Ähnlich sah es auch die Bremer DGB-Vorsitzende Helga Ziegert: „Detlef Kolze, der sich durch fundierte und kritische Berichterstattung auszeichnet, soll offenbar auf diese Weise gemaßregelt werden.“ Gerade eine öffentlich-rechtliche Einrichtung wie die Kammer solle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, „undemokratische Verhaltensweisen anzuwenden“.
Nach Ansicht der IHK war allerdings alles nur „ein großes Missverständnis“. Dass die IHK kritische Journalisten wie Kolze abstrafen wolle, weist Hauptgeschäftsführer Stark als „völligen Unsinn“ zurück. Die Kammer habe lediglich darauf reagiert, dass ihre Informationen oft nicht veröffentlicht wurden, weil sie an einzelne Journalisten adressiert waren, die womöglich unzuständig oder gerade nicht erreichbar waren. Deshalb sollten „alle Medien nur noch direkt und allgemein“ angeschrieben werden. Aber die Proteste taten dann doch ihre Wirkung: Inzwischen hat Stark auch die „zwei bis drei“ betroffenen Freien wieder in den Verteiler aufgenommen.

Weitere aktuelle Beiträge

Social Media: Mehr Moderation gewünscht

Wer trägt die Verantwortung, um etwas gegen zunehmenden Hass in den sozialen Medien zu unternehmen? Die Plattformen? Die Politik? Die Nutzer*innen? Alle drei Gruppen jeweils zu einem Drittel. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie der Technischen Universität München (TUM) und der University of Oxford. Sie zeigt auch: der Großteil der Menschen in den zehn untersuchten Ländern wünscht sich mehr Moderation bei Inhalten.
mehr »

Frauen im Journalismus stärken

Anlässlich des Internationalen Frauentags fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di einen Aktionsplan zur Stärkung von Frauen im Journalismus. Als erste Berufsvertretung hat sie frauenpolitische Forderungen für die Medienbranche formuliert und diese an den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sowie den Medienverband der freien Presse (MVFP) adressiert. „Bei der Bezahlung, dem beruflichen Aufstieg und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben unsere Kolleginnen meist das Nachsehen. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, fordert Renate Gensch, Mitglied im dju-Bundesvorstand.
mehr »

Europarat muss Pressefreiheit schützen

Anlässlich der Vorstellung des diesjährigen Europarats-Berichts zur Pressefreiheit in Europa fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di die Gremien der Europäischen Union zur dringenden Umsetzung verbindlicher Schutzmaßnahmen von Pressevertreter*innen auf. „Wir beobachten die drastische Zunahme von Angriffen auf unsere europäischen Kolleginnen und Kollegen mit großer Sorge, denn sie hängen unmittelbar mit dem Erstarken demokratiezersetzender politischer Bewegungen zusammen“, sagt der dju-Co-Vorsitzende Lars Hansen.
mehr »

Fahndungsfotos: Widerrechtlich im Einsatz?

Öffentlichkeitsfahndungen mit Hilfe der Medien sind eigentlich nur bei erheblichen Straftaten erlaubt. Trotzdem greifen Strafermittler auch bei Tankbetrug, Ladendiebstahl oder Rezeptfälschung zu diesem einschneidenden Mittel. Manchmal werden auch völlig Unschuldige an den Fotopranger gestellt. Die Medien veröffentlichen die Fahndungsfotos in aller Regel ungeprüft. Nach Ansicht der dju sollten die Redaktionen aber die Verhältnismäßigkeit hinterfragen. 
mehr »