Gegen Rechts: Medien als Sand im Getriebe

Foto: Fotolia

„Neue Rechte und Medien“ – so lautete der Titel einer Veranstaltung im Rahmen der Linken Medien-Akademie (LiMA) im Berliner taz-Cafe am 11. April. Das übergreifende LiMa-Motto in diesem Jahr: „Watch out – Medienmacher_innen gegen Hetze“. Neben einer Bestandsaufnahme der Expansion rechtsextremer Öffentlichkeiten ging es auch um angemessene Strategien der Gegenwehr.

Moderatorin Susanne Götze machte den Aufschlag: Der berüchtigte ZEIT-Artikel zur Seenotrettung („Oder soll man es lassen?“), die Geburtstagsparty des rechten Publizisten Matthias Matussek, bei der auch vermeintlich unverdächtige, bürgerliche Journalisten auftraten, schließlich die Präsenz von dezidiert rechten Buchverlagen auf der jüngsten Leipziger Buchmesse –„die Grenzen verschwimmen allmählich, es entstehen Netzwerke, die Leute kennen sich“.

Im Rahmen einer europaweiten Recherche zur Vernetzung der rechten Szene untersucht taz-Redakteurin Malene Gürgen mit einer Arbeitsgruppe auch das Verhältnis der AfD zu den Medien. Das Etikett „Alternativmedien“, einst von den Protagonisten einer linken demokratischen Öffentlichkeit in Anspruch genommen, werde mehr und mehr von den Rechten besetzt. Erfolgreich operiere die AfD vor allem im Bereich sozialer Medien. Dagegen sei von dem angekündigten eigenen „Newsroom“ noch nicht viel erkennbar. Auch Steve Bannons im vergangenen Jahr großspurig annoncierter Plan, die rechten Parteien Europas zu einer politischen Kraft zu bündeln, sei einstweilen nicht mehr als heiße Luft.

Michael Bonvalot, freier Journalist und Verfasser des Buchs „FPÖ – Partei der Reichen“ konstatierte, rechte Parteien wie die FPÖ seien recht erfolgreich damit, weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit eine Art mediales „Paralleluniversum“ zu errichten. Bis vor kurzem habe die Partei noch keine eigene Facebook-Seite gehabt. Mittlerweile zähle die Marke 800.000 Follower, was bezogen auf die Bevölkerung  Deutschlands in etwa einer Zahl von acht Millionen entsprechen würde. „Die deutsche extreme Rechte schaut nach Österreich“, resümierte Bonvalot. Die stark frequentierte Plattform „Unzensuriert“  („Moslem missbrauchte jahrelang seinen Sohn“) habe jeweils 45 Prozent ihrer User_innen in Deutschland und in Österreich. Der oberösterreichische „Wochenblick“ („Ließ IS-Rückkehrerin eiskalt ein kleines Mädchen verdursten?“) wiederrum begeistert 61 Prozent deutsche User bzw. 34 Prozent aus der Alpenrepublik.

Laut Bonvalot findet eine Art rechtsextremer „Braindrain“ aus Österreich nach Deutschland statt. Fast alle rechten Online-Plattformen Austrias liefen auf dem Ticket der FPÖ und hätten einen burschenschaftlichen Hintergrund. Dass vor dem Hintergrund einer enormen Pressekonzentration nur eine der 14 Tageszeitungen Österreichs „nicht auf Seiten der Regierung“ sei, mache die Sache nicht besser. Die Rechtsverschiebung treffe auch den öffentlich-rechtlichen ORF.  Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates ist seit kurzem der ehemalige FPÖ-Vorsitzende Norbert Steger. Die betont Orban-kritischen Berichterstattung des ORF bei den ungarischen Parlamentswahlen kommentierte er: „Von den Auslandskorrespondenten werden wir ein Drittel streichen, wenn diese sich nicht korrekt verhalten.“

„Wir haben eine riesige rechtsextrem und neonazistisch inspirierte Gewaltwelle gehabt.“  Der emeritierte Politikwissenschaftler Hajo Funke von der Freien Universität Berlin zog Parallelen zwischen den antidemokratischen Exzessen der Nachwendejahre – Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen – bis zu den „entfesselten Ressentiments“ bei der Hetze gegen Ausländer in Chemnitz 2018.

Thilo Sarrazin habe vor zehn Jahren mit „kruden eugenisch-rassistischen Thesen“ in seinem Pamphlet „Deutschland schafft sich ab“ ein Millionenpublikum erreicht. Heute werde die Einschätzung der AfD mit ihrem völkischen Flügel um Björn Höcke als „rassistisch und rechtsextrem“ sogar vom Bundesamt für Verfassungsschutz geteilt. Dagegen reagierten manche Medien mit einer Art Appeasement-Politik. Eine Dienstanweisung des SWR von 2016, wonach die AfD nicht „rechtspopulistisch“ genannt werden solle, sei für ihn nach wie vor ein „Skandal“.

Wie sollen die Medien stattdessen mit den Rechten umgehen? FU-Veteran Hajo Funke verbreitete historischen Optimismus. Ich glaube, dass die AfD ihren Zenit erreicht hat“, sagte er. 80 Prozent der Deutschen seien „Verfassungspatrioten“.  Aufdeckung sei weiterhin wichtig. Selbst Gespräche mit einem Teil der AfD-Wählerschaft seien nicht von vornherein sinnlos.

Bei aller Beschäftigung mit der Rechten hält Malene Gürgen es für unerlässlich, auch die sozialen und politischen Gegenbewegungen medial abzubilden, „um dafür zu sorgen, dass das sichtbar wird“. Die „Unteilbar“-Bewegung, die „Aktion Seebrücke“ – auch in Ostdeutschland gebe es viele Menschen, die sich für demokratische Verhältnisse engagierten.

Investigative Recherche zu Netzwerken und illegaler Finanzierung seien immer wieder sinnvoll und zeigten auch Wirkung, beharrte Michael Bonvalot. Es gelte, „Sand im Getriebe“ zu sein und eine „sozialpolitische Alternative, eine antirassistische, antisexistische, antidiskriminierende, internationalistische Perspektive“ für die Gesellschaft vorzuschlagen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rassismus in den Kommentarspalten

Wenn Redaktionen in ihren Social-Media-Posts mit reißerischen Fragen und Generalisierungen arbeiten, kommen aus der Leserschaft häufiger rassistische Kommentare als wenn die Journalist*innen Kontext liefern. Das ist ein zentrales Ergebnis des Monitoring-Projekts „Better Post“, das die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) im September 2021 mit ihren Partnern im „Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“ starteten, denn: „Rassismus darf kein Clickbait sein“.
mehr »

Presserat regelt Interessenkonflikte neu

Redaktionen müssen Interessenkonflikte ihrer Mitarbeiter*innen bei der Berichterstattung vermeiden oder diese zumindest der Leserschaft gegenüber offenlegen. Das Plenum des Deutschen Presserats hat die bisherige Ziffer 6 im Pressekodex entsprechend aktualisiert. Nach der neuen Richtlinie 6.1 sollen auch persönliche Beziehungen strikt von der journalistischen Tätigkeit getrennt oder zumindest offengelegt werden, wenn sie Zweifel an der Unabhängigkeit der Berichterstattung wecken können.
mehr »

G+J verkauft weitere Zeitschriften

Nach dem Verkauf von drei Titeln des Verlagshauses Gruner+Jahr an die Funke-Mediengruppe in Essen fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den Erhalt von Arbeitsplätzen, Tarifbindung und redaktioneller Eigenständigkeit der betroffenen traditionsreichen Magazin-Titel „Brigitte“, „Gala“ und „Eltern“, die vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden die Eigentümerin wechseln sollen; betroffen sind insgesamt etwa 300 Beschäftigte.
mehr »

ÖRR: Rechtsweg unerwünscht

Die Landesregierungen von Bayern und Sachsen-Anhalt erwarten von ARD und ZDF weiterhin, dass sie ihre Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitrag zurückziehen. Erst wenn dies passiert, wollen sie den Modellwechsel zur künftigen Festsetzung des Rundfunkbeitrags unterstützen. Das erklärten die Staatskanzleien in München und Magdeburg auf Nachfrage.
mehr »