Geldstrafe für ein entrissenes Handy

Justitia am Portal Amtsgericht Berlin Neukölln. Foto: Hermann Haubrich

Nein, ein Unbekannter ist Dubravko Mandic beileibe nicht: Der Rechtsanwalt ist Stadtratsmitglied in Freiburg, Landtagskandidat und zudem Rechtsaußen der ohnehin schon rechten AfD. In Schwabach wurde er nun wegen „Nötigung“ zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 120 Euro verurteilt. Vorausgegangen war ein Angriff auf eine Journalistin, die ihn abgelichtet hatte.

Zum Hintergrund: Im Mai 2019 trafen sich süddeutsche Fans des inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsradikal eingestuften „Flügel“ der AfD im mittelfränkischen Greding. Wohl, um dem einstigen Ober-Flügler Björn Höcke zuzuhören. Auch Mandic war aus Freiburg angereist.

Eine kleine Zahl von Journalist*innen hatte sich mit Kameras gegenüber dem Treffpunkt „Hippodrom“ aufgestellt. Denen wollte der Politiker wohl klarmachen, dass kein Bild von seiner Teilnahme in den Medien erscheinen sollte. Doch während die anderen ihre Kameras stoppten, hielt die Nürnbergerin Birgit M. ihr Mobiltelefon weiterhin in Richtung von Mandic. Nachdem die ausgewiesene Fachjournalistin für rechten Extremismus auch der Aufforderung „löschen Sie die Bilder“ nicht gefolgt war, beließ es Mandic nicht mehr bei Worten, sondern nahm die Sache, besser M.s Telefon, selbst in die Hand. Nach eigener Aussage übergab er das Eigentum der Journalistin kurze Zeit später einem Polizisten.

Was in der Zeit nach dem Handy-Entriss passierte, daran kann sich die noch immer schockierte Birgit M. nicht mehr erinnern, wie sie in der Verhandlung vor dem Schwabacher Amtgericht sagte. Jedenfalls habe sie später in einem Polizeiauto gesessen und Strafanzeige gegen Mandic erstattet. Der sei ihr bis zu dem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen.

Für die Staatsanwaltschaft war die Anzeige Grund, gegen den Politiker einen Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 120 Euro auszustellen. Dagegen legte Mandic umgehend Einspruch ein. Und nach mehrmaliger Verlegung des Verhandlungstermins trafen sich der Anwalt und die Journalistin deshalb am 11. November 2020 vor Gericht.

Birgit M. versichert, dass sie gern auf dieses Wiedersehen verzichtet hätte: Sie habe seit dem Vorfall vor anderthalb Jahren Bluthochdruck, die anfänglichen Beklemmungen habe sie aber überwunden, sagt sie auf Nachfrage. „Es hat mich wahnsinnig gestresst, weil auf dem Handy die gesamte Kommunikation mit meiner Tochter ist. Ich hatte Angst, dass er das Gerät einsteckt.“

Mandic` Anwalt erklärt, sein Mandant habe nur sein Persönlichkeitsrecht durchsetzen wollen: „Er muss nicht dulden, dass fremde Menschen Bilder von ihm machen.“ Deshalb plädierte der Jurist auf Freispruch.

Doch darauf ließ sich Amtsrichter Michael Schlögl nicht ein: „Wenn ich an einer politischen Veranstaltung teilnehme und in unmittelbarer Nähe des Orts bin, herrscht ein Interesse der Öffentlichkeit“ – das schließe das Recht für Berichterstatter ein, Fotos zu machen. Deshalb sei die auferlegte 7.200-Euro-Strafe „schuldangemessen“, begründete er sein Urteil. Mandic kann dagegen noch Rechtsmittel einlegen.

Doch der – Anwalt und Mitglied des Freiburger Stadtrats – kämpft zurzeit noch auf einem ganz anderen Feld: nämlich um sein Verbleiben in der AfD. Er habe mehrfach den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen als „Verräter“ und „Totengräber der AfD“ bezeichnet, weshalb Meuthen ihn „lieber heute als morgen aus der Partei entfernen“ wolle, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Allerdings hat sich Mandic erst dieser Tage als Kandidat der AfD für den Wahlkreis Lörrach zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2021 durchgesetzt.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Riesa: Einschränkung der Pressefreiheit

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beobachtete am vergangenen Samstag die Demonstrationen in Riesa rund um den AfD-Parteitag. Ziel der Beobachtung war der Schutz der Presse- und Berichterstattungsfreiheit sowie der Aufdeckung potenzieller Gefährdungen für Journalist*innen. Insgesamt mehr als sieben Stunden war die dju während der zahlreichen Demonstrationen vor Ort. Die Gewerkschaft übt nun insbesondere gegenüber der Polizei Kritik am Umgang mit Journalist*innen und an der Einschränkungen der Pressefreiheit während des Einsatzes.
mehr »

Ampelbilanz: Von wegen Fortschritt

"Mehr Fortschritt wagen" wollte die Ampel-Regierung laut Koalitionsvereinbarung von 2021 – auch in der Medienpolitik. Nach der desaströsen medienpolitischen Bilanz der vorausgegangenen Großen Koalition, so die Hoffnung, konnte es nun eigentlich nur besser werden. Von wegen. Die meisten der ohnehin wenig ambitionierten Vorhaben der Ampel blieben im Parteiengezänk auf der Strecke. Für den gefährdeten Lokal- und Auslandsjournalismus bleibt weiterhin vieles im Unklaren.
mehr »

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Filmtipp: September 5 – Olympiattentat 1972

Einen ungewöhnlichen Blick auf das Olympia-Attentat 1972 in München zeigt Tim Fehlbaum in seinem neuen Film "September 5 – The Day Terror Went Live". Die Ereignisse, die zu dem Tod von elf Mitgliedern der israelischen Delegation und fünf palästinensischer Geiselnehmer führten, wird ausschließlich aus der Perspektive von TV-Journalisten geschildert, die zu der Zeit in der Sportredaktion des Fernsehsenders ABC arbeiteten.  Der Film kommt am 9. Januar in die deutschen Kinos.
mehr »