GRENZENlos in die Zukunft

Zum achten Mal hat die Linke Medienakademie (LiMA) stattgefunden

Vom 9. bis 13. März 2011 fand in Berlin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) die Akademie für Journalismus, Bürgermedien, Öffentlichkeitsarbeit & Medienkompetenz statt. 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mehr als 700 Stunden Programm – aber was sind Zahlen? Viel wichtiger ist, dass die LiMA erwachsen geworden ist, ohne langweilig zu sein.


Eine interessante Idee von vielen ist die Aufforderung an die heute Lernenden, sich zu überlegen, ob sie im kommenden Jahr nicht Vermittelnde sein wollen. Wer bei der 8. LiMA einen Grundkurs in Adobe Design absolviert, könnte 2012 vielleicht „Tipps und Kniffe für die Pressearbeit“ vermitteln. Auch in diesem Jahr funktionierte der „Call for Participation“ – kann aber auch „Aufruf zur Mitwirkung“ genannt werden – gut. Wer hat anderen etwas zu sagen, beizubringen, zu vermitteln? GRENZENlos heißt auch, respektlos mit althergebrachten Mustern umzugehen.
Alle, die den linksalternativen Medienkongress besuchen, bringen Kompetenzen mit und wollen neues Wissen erwerben. Da liegt es nahe, zum Rollenwechsel zu ermuntern. „GENZENlos“ ist mehr als eine Sprachspielerei. Das Motto der Weiterbildungsakademie, die sich inzwischen regionalisiert hat und über das ganze Jahr hinweg Angebote für den Erwerb von Medienkompetenz unterbreitet, steht für einen Denkansatz und eine Hoffnung. Grenzenlose Medienwelten bergen die Gefahr der Verflachung und die Möglichkeit der Kreativität. Sie haben etwas mit Globalisierung, Kommerzialisierung und Konzentration vieler Medien in wenigen Händen zu tun. Sie stehen zugleich für Anarchismus, neue Wege der Informationsverbreitung, mehr Partizipation, die Möglichkeit, Widerstand zu formulieren und zu organisieren.

Viele Angebote beim unioncamp

Wer zur LiMA kommt weiß, dass Medien-Masse allein nicht für Klasse bürgt. Klasse nährt sich aus Qualität und Unabhängigkeit im Denken. Von beidem gibt es zu wenig. Genau darauf setzt der Kongress und das ist die Lücke, die er füllt.
Am Freitag, dem zweiten Kongresstag fand zum zweiten Mal das LiMA unioncamp statt. Das erste war nicht schlecht, das zweite anders und besser. Das lag vor allem an der noch größeren Vielfalt der Angebote, mit der das Signal gesetzt wurde, dass ver.di sich als Partner in der Arbeit und beim Weiterentwickeln einer Idee versteht. LiMA wird nie fertig und wahrscheinlich auch nie perfekt sein. Im Gegenzug scheint Langeweile ausgeschlossen.
Früh am Morgen aber ist alles erst einmal chaotisch. Wer ist wo und wann ist was? Gibt es schon Kaffee? Wieso sind die knallroten ver.di-Sitzhocker immer verschwunden? Wie viele Leute kommen zur Werkstatt „Gender & Medien“ und wer wird sich für die Konzeptstrategien der „Neuen Rechten“ interessieren? Diese beiden Angebote im Rahmen des unioncamps bedienten hohe Ansprüche an Inhalt und Form und dafür waren sie dann doch zu wenig besucht. Das ist eine Kinderkrankheit, an der die LiMA noch immer leidet: Auch wenn das Programm in diesem Jahr entzerrt wurde, mehr Raum für Gespräche war, fand zu viel – vor allem zu viel Gutes – parallel statt. Es bräuchte 2.000 Leute, um die Säle und Seminarräume voll zu bekommen. Ingo Woelke und Thorsten Schäfer wechselten deshalb flexibel von einer sechsstündigen Werkstatt auf das Format Vortrag mit Diskussion, um über die „Neue Rechte“ zu informieren. Matthias Lindner blieb beim Format und als man zwischendurch mal bei ihm und den „Genderleuten“ reinplatzt, üben die gerade den Rollentausch: Stellt Euch vor, Ihr würdet morgens aufwachen und wäret ein Mann – respektive eine Frau. Wer ist frei von Vorurteilen und Klischees? Niemand.
Im Haus G der HTW, wo das Foyer, die Hörsäle, die LiMA Lounge, die LiMA Arena und – nicht unwichtig – die leibliche Versorgung untergebracht waren, herrschte den ganzen unioncamp-Tag ein wunderbar hektisches Treiben. Im Foyer fand wie immer eine kleine Materialschlacht mit Zeitungen, Publikationen, Flyern, Aufklebern, Büchern statt, in den Hörsälen wurde gehört und miteinander geredet, in der Lounge war Platz für außergewöhnliche Formate. Eines davon die Aufführung eines Theaterstücks über eine Betriebsbesetzung – geschehen in Mailand – und die anschließende Diskussion über Arbeiterkämpfe, die Rolle von Gewerkschaften, über Mut, Feigheit, das Verschwinden einer Klasse, die Geburt neuen Widerstands. Schönes Straßentheater, gute Gespräche, spannende Kritik. „Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter …“, sangen die Schauspielerinnen und Schauspieler und die große Zuschauerrunde war sich einig, dass Kurzarbeit und Sozialpläne nicht zu solcherart Siegen gehören.

Fotoprojekt: Kommt zusammen

Die Lounge blieb den ganzen Tag ein spannender Ort. Bevor die Theaterleute sich einsangen, hatte Uwe Sonnenberg über den linken Buchhandel geredet und der Fotograf Jochen Gewecke das Projekt „Kommt zusammen! – Moschee, Kirche und Synagoge“ vorgestellt. Noch nicht grenzenlos, aber grenzüberschreitend, Bilder von Moscheen in einer katholischen Kirche zu zeigen und mit den Fotos aus der katholischen Kirche in eine Synagoge zu gehen. Am Morgen übrigens – wenn man schon von Grenzüberschreitung schreibt – gab es im roten Hörsaal einen Vortrag des Publizisten Dr. Wolfgang Storz über den Umgang der Medien mit der „Causa Guttenberg“, über deren fast uneingeschränktes Lob für einen Mann, der das Entscheidungsgebaren des modernen Managers an den Tag und die Verhandlungsdemokratie ad acta legte. Die „Causa Guttenberg“ war und ist zugleich eine „Causa Bild“ und es entspann sich eine interessante Diskussion darüber, ob es einer linken Bild bedarf und ob Blogs Informationsdefizite beseitigen und tendenziöse Berichterstattung ersetzen können.
Am Abend des LiMA unioncamp-Tages fand eine große Podiumsdiskussion statt. Fünf Männer und ein Moderator – diese Zusammensetzung passte tatsächlich nicht in die ansonsten durchweg gut gemischten Veranstaltungen – übrigens nicht nur in Bezug auf Männer und Frauen sondern auch, was die Altersmischung anbelangte.

Mehr als ein Spiegelbild

Man entschuldigte sich dann auch für die Zusammensetzung der Runde, die ansonsten ganz spannend war. Lorenz Marholdt, Chefredakteur des Tagesspiegel, Jürgen Reents, Chefredakteur des Neues Deutschland, Sebastian Heiser, Rechercheur der taz, Ulrich Maurer, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion Die Linke, Publizist Wolfgang Storz und Frank Werneke, stellvertretender Bundesvorsitzender von ver.di diskutierten über die Frage „Waren die Grenzen früher klarer?“ Keine klare Frage könnte man sagen und dies war auch ein wenig die Schwierigkeit des Abends – zu groß das Anliegen für gerade mal anderthalb Stunden. Marholdt war der einzige, der die These vertrat, früher sei alles schlechter gewesen. Es war als Provokation gemeint und so auch produktiv für die Debatte. Werneke sprach über die Erosion des Urheberrechts, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten, Maurer über die in seinen Augen ungeheure Verflachung journalistischer Berichterstattung. Heiser fand gut, dass der Journalismus von seinem hohen Ross des Alleswissenden gestiegen ist, Reents befand, dass die Fülle der Informationen das Orientieren und Sortieren immer mehr erschwere. Am Ende einigte man sich auf die These, dass Journalismus das Spiegelbild der Gesellschaft sei. Mitten im Publikum sitzend entstand der Eindruck, dass kaum jemand von den Zuhörenden diese These mochte. Vielleicht, weil sich mit einem bloßen Spiegelbild kein Fortschritt machen lässt. Und vielleicht, weil die ganze LiMA darauf angelegt ist, weitaus mehr als ein Spiegelbild dessen zu sein, was ist. Zukunft eben. Und GRENZENlos.

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