60 Jahre Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) – eine Erfolgsstory
Mörderische Verhältnisse in einem – natürlich fiktiven – Kölner Zeitungsverlag sind im Januar 2011 Thema eines „Tatorts“ vom Westdeutschen Rundfunk mit dem Titel „Unter Druck“. Umgebracht wird ein junger Unternehmensberater. In der Berliner Zeitung, neuerdings „Tochter“ eines – realen – Kölner Zeitungskonzerns, stellt Fernsehkritikerin Judith Sternburg unter der Überschrift „Von Druckern und Schnöseln“ fest, dass in dem WDR-Krimi „im Kontrast zu den karikaturesken Beratern“ lediglich „die aus gegebenem Anlass bleichen Drucker“ stehen, und scheint ein wenig pikiert: „Redakteure kommen nicht vor.“
Mit anderen, zum Beispiel weniger bilderreichen Worten hätte die Autorin der Berliner Zeitung aus gegebenem Anlass deutlich machen können: Redakteurinnen, Redakteure, freie Journalistinnen und Journalisten wie auch Verlagskaufleute sind doch gleichermaßen Opfer moderner Unternehmensstrategien im zeitgenössischen Kapitalismus wie die Drucker, die Leute in der Weiterverarbeitung und die Zeitungsboten. Unser Kollege Dr. Karl Marx, einst Chefredakteur der liberalen Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe – ebenfalls zu Köln am Rhein – und später Herausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung, hatte ja schon im 19. Jahrhundert analysiert: „Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit.“
Ob der Philosoph sich auch persönlich mit den Druckern und Setzern seiner Zeitungen im Arbeitsprozess vereint gefühlt hat, mag dahingestellt bleiben. Mit dem „Sein“, das das Bewusstsein prägt, kann das ja so eine Sache sein. Jedenfalls muss nicht Marxist/in sein, wer als abhängig Beschäftigte/r die eigenen Ansprüche und Interessen gegenüber ihrem/seinem „Arbeitgeber“ – in den Redaktionen gerne auch „Verleger“ genannt, für den Kollegen Marx: Kapitalisten – durchsetzen will und auf die Idee kommt, sich zu diesem Behufe mit gleichermaßen Interessierten zusammenzuschließen.
„Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer“ gaben deshalb bereits vor knapp 150 Jahren in Leipzig reichsweit eine „politische Wochenschrift“ unter dem Titel Correspondent heraus und gründeten 1866 daselbst den Verband der Deutschen Buchdrucker. Es entstanden daneben aber weitere eigenständige Verbände: für die Buchbinder, für die Lithographen und für die Hilfskräfte. Für die Zeitungsredakteure gab es von 1926 an die „Reichstarifgemeinschaft der deutschen Presse“.
Nach dem Ende der Nazi-Terrorherrschaft war in fast allen Branchen Schluss mit der unseligen organisatorischen und politischen Zersplitterung der abhängig Beschäftigten: Wie in den Baracken von Buchenwald vereinbart, schufen Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Liberale und andere – „im Arbeitsprozess vereint“ – die politisch unabhängige Einheitsgewerkschaft unter dem Dach des DGB. Eine Sonderrolle dabei spielten – übrigens nicht nur in der westdeutschen Republik, sondern auch in der DDR – und spielen bis heute die Journalistinnen und Journalisten der Zeitungen und Zeitschriften. Sie gründeten 1949 den berufsständischen Deutschen Journalisten-Verband.
Einem kleinen Häuflein Aufrechter hingegen (das es aber in sich hatte) blieb es vorbehalten, im April 1951 die „Fachgruppe Journalisten in der IG Druck und Papier“ ins Leben zu rufen. Zu den Beteiligten zählten die Sozialdemokraten Willy Brandt und Heinz Kühn, später Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, aber auch die nachmaligen CDU-Bundesminister Jakob Kaiser und Ernst Lemmer: Einheitsgewerkschaft par excellence! Das war die Geburtsstunde der heutigen Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die mit rund 20.000 Mitgliedern anno 2011 auf eine Geschichte von 60 Jahren schauen kann, eine Erfolgsstory, die – unter den erschwerten Bedingungen der Konkurrenz des DJV – den Schweiß und die Mühen von Generationen aktiver Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gekostet hat.
Eine Skizze der Entwicklung ein wenig im Schweinsgalopp: Die dju blieb in den 50er und 60er Jahren klein, der DJV wuchs, blieb aber – mit Verlaub – tarifpolitisch erfolglos. Bis die IG Druck und Papier 1966 in Nordrhein-Westfalen mit der Ankündigung eines Streiks der Drucker und Setzer, der legendären „Aktion Federblitz“, den Verband der Zeitungsverleger zwang, Tarifverträge künftig nicht mehr nur mit dem DJV, sondern auch mit der für Redakteurinnen und Redakteure zuständigen DGB-Gewerkschaft abzuschließen.
Von nun an ging es bergauf: Die dju zog in der Mitgliederstärke allmählich mit dem DJV gleich, gewann insbesondere in vielen Betrieben und Betriebsräten den dominierenden Einfluss unter den Journalistinnen und Journalisten. Das blieb – im Arbeitskampf vereint – bis heute nicht ohne Auswirkung auf die Politik des DJV, der sich irgendwann sogar den „Untertitel“ Gewerkschaft der Journalisten zulegte. Gemeinsam errang man in den 70er, 80er und 90er Jahren bis hin zum ersten eigenständigen Journalisten-Streik um die Regelung der Journalistenausbildung bei den Zeitungen die großen tarif- und sozialpolitischen Erfolge, die es in den heutigen Zeiten des Raubtier-Kapitalismus mit Anstand zu verteidigen gilt – nicht zuletzt mit einer starken Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft im Rücken. Auch im Interesse übrigens der mittlerweile vielen tausend dju-Mitglieder, die freiberuflich arbeiten, oft nicht freiwillig, sondern nur unter dem Druck der Verhältnisse. Verbesserungen für sie erreichen können ver.di, dju und DJV nur, wenn sie auch innerhalb der Medienunternehmen Einfluss haben und ernst genommen werden.
Die parallel ablaufenden Lohn-, Gehalts- und Manteltarifrunden des Jahres 2011 für die Redaktionen und die Druckereien werden dafür wohl den Stresstest darstellen. Wie es geht, dazu haben die Beschäftigten der „Frankfurter Neuen Presse“ und der Frankfurter Societäts-Druckerei im Vorjahr bekanntlich eine neue „Blaupause“ der Solidarität vorgelegt.
Henrik Müller
Der stellv. Chefredakteur der ver.di-Mitgliederzeitung Publik ist seit 1996 auch verantwortlich für die ver.di-Branchenzeitung Druck+Papier. Von 1982 bis 1989 hatte er die feder redigiert, Zeitschrift der damaligen IG Druck und Papier für Journalisten und Schriftsteller. Zuvor war er Volontär und Betriebsratsmitglied bei der Siegener Zeitung, später Lokalchef und stellv. Betriebsratsvorsitzender bei der Westfalenpost.