Kleinvieh macht auch Mist

Artikel von Freien in Online-Datenbanken – eine honorarfreie Zone?

Die Kollegin staunte nicht schlecht: 121 Texte, die sie ab 1995, überwiegend aber nach dem Jahr 2000, für Tageszeitungen wie Süddeutsche, Welt, Berliner Morgenpost oder Hamburger Abendblatt verfasst hatte, fanden sich unter ihrem Namen in der Presserubrik der Online-Datenbank. Bereitgestellt für Nutzer, die zumindest 2,32 Euro pro Artikel-Download zu zahlen bereit sind.

Doch die freie Journalistin, die von dieser Art der Verwertung ihrer Texte nichts wusste und deren Zustimmung nie eingeholt wurde, ist bei diesem Geschäft völlig außen vor. Sie ist nicht die einzige. Andere Betroffene berichten, nahezu ihr „komplettes Oevre“ für Tageszeitungen in Datenbanken wiedergefunden zu haben, von Auflistungen, die „die Zahl 500 locker überschreiten“, auch von zahlreich eingestellten Zeitschriftenbeiträgen. Online–Datenbanken wie GBI, Genios (beide fusionieren in diesen Tagen zur Deutschen Wirtschaftsdatenbank GBI-Genios), LexisNexis oder Archiv-der-Presse nehmen werbend für sich in Anspruch, als Contentanbieter und Informationsdienstleister „die gesamte überregionale“ oder „die komplette regionale Presse aus Deutschland“ und zahlreiche Fachtitel zu vermarkten – und das zunehmend mit Gewinn. GBI „the contentmachine“ beziffert für Datenbankproduktion und Hostbetrieb 2004 einen Umsatz von 5,8 Mio. Euro. Zum „Erfolgsrezept: Kompetenz, Phantasie und Gespür für die Bedürfnisse von Kunden und Nutzern“ gehört bislang auch die systematische Verletzung von Urheberrechten. Wenn der darüber gebreitete Mantel des Schweigens gelüftet wird, versucht man mit ebenso flotten wie fragwürdigen Formulierungen über das Problem hinweg zu gehen: „Rechtliche Grundlagen“ seien „Nutzungsverträge, aufgrund derer wir die Daten in unser Online-Angebot einstellen und die Nutzung der Daten vergüten. Die Zustimmung der einzelnen Urheber hierzu wird entsprechend den urheberrechtlichen Regelungen durch die Zustimmung des Verlages ersetzt.“ So GBI kürzlich gegenüber dem ver.di-Landesbezirk Hessen. Auch auf Verlegerseite scheint die übliche Praxis, in Tageszeitungen oder Zeitschriften erschienene Beiträge einfach an die Datenbanken weiterzuleiten und Lizenzgebühren zu kassieren oder ganze Archive dort verwalten zu lassen, bisher kaum aus urheberrechtlicher Sicht hinterfragt worden zu sein.

Angebot und Erlöse offenlegen

Unter Autoren formiert sich allerdings „Widerstand gegen den Textklau“ (siehe M 08 / 05). Ein auf Anregung freier JournalistInnen in diesem Sommer gestartetes Forum der dju in ver.di und des DJV, bei der Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht Bedingung zum Mitmachen ist, hat Kreise gezogen. Über 200 freie Autoren haben sich in eine Mailingliste eingetragen, mit deren Hilfe Informationen ausgetauscht, Tipps vermittelt und das Vorgehen koordiniert werden. Auf der Website des ver.di-Beratungsdienstes für Freie Mediafon können sich Betroffene, die ihre Rechte aktiv einfordern und gegen offensichtliche Verstöße vorgehen wollen, zudem Musterschreiben herunterladen.

Nicht wenige Freie haben mittlerweile speziell GBI aufgefordert, die Zahl der von ihnen verfassten dort eingestellten Artikel, den Zeitpunkt der Aufnahme in das Onl-ine-Angebot sowie die damit erzielten -Verkaufserlöse offenzulegen. Danach könnten Ansprüche geltend gemacht werden, die erst drei Jahre später verjähren. Wenn einzelne Autoren klagen, wären die Verfahren als eine Art Musterprozesse mit Gewerkschaftsunterstützung denkbar und könnten zu Grundsatzurteilen führen. Einzelne Freie haben dazu auch gewerkschaftlichen Rechtsschutz beantragt bzw. bereits zugesichert bekommen.

Allerdings erscheint nicht nur vielen Teilnehmern der Mailingliste die Durchsetzung einer generellen Vergütungspflicht für Datenbanknutzungen sinnvoller als der Weg durch die Instanzen. Noch besteht die „Hoffnung auf Einsicht der Verleger und die Vereinbarung einer an-gemessenen Regelung auf Bundesebene“ im Rahmen der laufenden Verhandlungen zu den Vergütungsregelungen, meint dju-Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen. Eine solche Lösung böte zweifellos den Vorteil, dass „der Einzelne davon freigestellt wäre, Datenbanknutzungen -jedes Mal neu zu verhandeln, Rechte für diese Nutzungsart individuell geltend machen zu müssen und Honorare dafür einzufordern“. Auch die Strategie von Ver-lagen, sich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) die Rechteabtretung – notfalls nachträglich – zu sichern, führte dann ins Leere. Eine generelle Vergütung wäre in manchen Fällen „zum Beispiel durch einen angemessenen Honoraraufschlag“ möglich, so Maercks-Franzen.

Sammeln aussichtsreicher Fälle

Die Gewerkschaftsseite hat die unberechtigte Weitergabe und Nutzung von Texten durch Datenbanken in der Verhandlungsrunde mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) am 20. September thematisiert. Sie gewann den Eindruck, dass die Problematik und ihr Ausmaß den Verlagen bislang nicht ausreichend bewusst waren. Deshalb, so ver.di-Jurist Wolfgang Schimmel, „schadet es wirklich nicht, wenn von Seiten der Freien, um die es ja geht, klargemacht wird, dass sie die gängige Praxis nicht hinnehmen“. Bei der für den 14. Oktober geplanten Verhandlung sollte das Thema erneut ausdrücklich zur Debatte stehen. Dieser Termin wurde aber inzwischen verschoben.

Ungeachtet dessen, so Maercks-Franzen, die die Koordinierung der Aktivitäten übernommen hat, sammle man weiter „aussichtsreiche Fälle“.

Vernetzung

Wer Widerstand gegen die honorarfreie Nutzung seiner Texte leisten will, sollte sich in der Mailingliste anmelden unter datenbankhonorar@mediafon.net

Weitere Infos: http://www.mediafon.net/download/gbi_vorgehen.pdf

 

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