Die „Youth Media Convention“ stand in diesem Jahr vom 27. bis 30. Oktober in Hamburg unter dem Motto „Medien. Macht. Zukunft“. „Futu:reload Journalism“ war das Hauptpanel am Freitagmorgen überschrieben, denn „wir brauchen mehr konstruktive und zukunftsgewandte Diskussionen über die Medienwelt von morgen“, begründete die Jugendpresse Deutschland ihre Themenwahl. Dazu gehört auch, dass der Beruf attraktiv bleibt. „Niemand findet Nachwuchs, wenn man ihn prekär beschäftigten will“, betonte die freie Journalistin Olivia Samnick.
Samnick berichtet in ihrem Podcast „BonJourno“ über „Menschen, Diversität und Innovation im Journalismus“. Diversität in den Redaktionen werde durch unbezahlte und unterbezahlte Praktika doch gerade verhindert, sagte eine junge Teilnehmerin aus dem Publikum, denn junge Menschen aus den Gruppen, um die man die Redaktionen bereichern möchte, hätten oft nicht die Eltern im Hintergrund, die ihnen solche Praktika durch finanzielle Unterstützung möglich machten. Samnick meint: „Es scheint in den Häusern langsam bewusster zu werden, dass man für 400-500 Euro in Städten wie Hamburg, Berlin oder München nicht mal ein WG-Zimmer findet.“
Über solche Bedingungen klagte auch die Jüngste in der Podiumsrunde, Dinah Bogdanski, die demnächst ein Praktikum in Berlin bei Correctiv beginnen wird: „Das ist Leben am Minimum.“ Deshalb wollte der freie Journalist und Wissenschaftler Stephan Weichert, der 2020 das „Vocer Institut für digitale Resilienz“ gegründet hat, „eine Lanze brechen für die Journalist*innenverbände“, in die man schon als Studierende eintreten solle, denn dort gebe es Hilfe, Unterstützung und Netzwerk. Außerdem entwickele sich der Nachwuchsmarkt im Journalismus gerade zu einem Markt der Arbeitnehmer*innen. Die jungen Leute sollten sich trauen, über bessere Bedingungen zu verhandeln.
Ein strategisches Team, um digitaler zu werden
Bogdanski hat gerade ihr Abitur gemacht und arbeitet beim Webradio „Salon 5“, der Jugendredaktion von Correctiv in Bottrop, die Ableger in Greifswald und Hamburg aufbaut. „Wir machen Journalismus von der GenZ für die GenZ.“ Die „Generation Z“, auch „PostMillennials“, wird in den Jahrgängen 1997 bis 2012 verortet. Für sie selbst, so Bogdanski, sei Print kaum noch ein Thema. Wenn sie die klassischen Medien nutze, dann über deren Auftritte in den Social Media. Nach Samnicks Ansicht brauche jedes Medienhaus ein strategisches Team, um digitaler zu werden, das schließe auch eine Überarbeitung der bisherigen konventionellen Web-Seiten ein.
Beim „Spiegel“ gibt es dieses „Team Strategie & Operations“ unter der Leitung von Johanna Röhr, eine eigenständige Einheit neben Redaktion, Marketing und Vertrieb. „Wir denken beim Spiegel noch sehr in Text“, meinte sie und hat beobachtet: „Unsere Leserschaft altert mit uns und das darf auf gar keinen Fall passieren.“ Seit „rund 100 Tagen“ habe man als erstes Medienhaus jetzt „Stories-Highlights“ auf die Homepage gesetzt. Den Trend zu mehr digitaler Nutzung habe Corona beschleunigt. Während des Lockdowns „änderte sich der Tag nur durch die Größe des Bildschirms.“
Chancen im Gemeinnützigen Journalismus
An Weichert stellte Moderatorin Leonie Schöler, freie Journalistin beim ZDF und bei TikTok als Historikerin unterwegs, die provokante Frage, ob Bots und Künstliche Intelligenz nicht die „neutraleren Journalisten wären, weil sie keine eigenen Überzeugungen haben“. „Nein“, antwortete Weichert und unterschied zwischen journalismus-freundlichem und -feindlichem Einsatz von KI: Simulierte Stimmen machten beispielsweise Deep Fakes einfacher. Die Möglichkeit, riesige Datenmengen zu bearbeiten, sei dagegen ein nützliches Mittel zur Recherche. Eine Chance für die Zukunft sieht Weichert im gemeinnützigen Journalismus, in Non-Profit-Online-Redaktionen, die vor allem dort sehr wichtig seien, wo es keine eigene Zeitung mehr gebe. Im Bereich der Social Media wünsche er sich ein öffentlich-rechtliches Netzwerk, das „von den Stellschrauben“ privat bestimmter Algorithmen unabhängig ist.
Während das Hauptpanel in der Berufsschule für Medien und Kommunikation in Hamburg-Wandsbek angesiedelt war, fanden ein Großteil der Erzählcafés, Workshops und weiteren Podiumsdiskussionen für die rund 100 Teilnehmer*innen im riesigen „Medienbunker“ in St. Pauli statt. Dort war wie üblich der dju-Infostand bei der „Insight Media Messe“ aufgebaut, wo es überwiegend Fragen zum Weg in den Journalismus von den vielen Schüler*innen des diesmal sehr jungen Publikums gab.
Kampf gegen Hass auf allen Social-Media-Kanälen
Im Hauptpanel war umstritten, ob Journalist*innen über jedes Stöckchen springen müssten, das ihnen die „sozialen Medien“ und hier vor allem das „chinesische Staatsunternehmen“ (Weichert) TikTok hinhalten. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat sich dagegen ganz bewusst entschieden, mit ihrem „Firewall“-Projekt nicht nur auf Instagram und WhatsApp gegen den Hass im Netz zu kämpfen, sondern seit 2021 auch auf TikTok, wie Theresa Lehmann in der Diskussion „Rechte Medienwelten“ erklärte. Dabei fielen vor allem antifeministische und antisemitische Inhalte auf in einer ziemlich differenzierten rechten Medienszene, die überwiegend männlich dominiert sei.
Besonders gefährlich seien dabei die Kanäle, die sich den Anstrich der „Bürgerlichkeit“ gäben, wie die AfD und ihre Jugendgruppe „Junge Alternative“ mit ihrer „Selbstverharmlosungsstrategie“. Über Messengerdienste, wo einzelne Rechte Tausende von Followern haben, verläuft die Kommunikation „weniger öffentlich, dafür umso enthemmter“. Dort würden Neueinsteiger*innen umso schneller radikalisiert, sagte Lehmann. Jedes kontrovers diskutierte Thema biete den Rechten Anlass zur Hetze, ob Geflüchtete, Corona oder jetzt die Inflation samt Energiepreisen und der von ihnen ausgerufene „Heiße Herbst“.
Braunes Gedankengut sickert langsam in die Gesellschaft
Vor der vorgetäuschten Bürgerlichkeit warnte auch Hans Demmel, der mit Friedrich Küppersbusch das Buch „Anderswelt“ über ein halbes Jahr „Selbstversuch“ mit ausschließlich rechten Medien geschrieben hat, das inzwischen auch über die Bundeszentale für politische Bildung (bpb) zu beziehen ist. So sickere „braunes Gedankengut langsam in die Gesellschaft“. Das Ende des Selbstversuchs am Tag der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden sei „ein Akt der Befreiung“ gewesen.
Das knappe halbe Jahr habe aber sogar bei ihm, der vom Volontariat beim „Rosenheimer Volksblatt“ über den Bayerischen Rundfunk und Privatfernseh-Redaktionen sein Leben lang von den Rechten als „Mainstream“ verunglimpften Medien gearbeitet habe, ein tiefes, gefühlsmäßiges Misstrauen gegen alle Nachrichten verursacht, auch wenn er dies kognitiv als falsch erkenne. Die von Rechts dargestellte Welt sei „destruktiv, dunkel und deprimierend, das verschiebt einem den Blickwinkel.“
Rechte Autor*innen hätten ein „strategisches Verständnis von Journalismus“, analysierte Lehmann. „Sie berufen sich auf Presseprivilegien und Pressefreiheit und missbrauchen den Beruf für Polemik und Menschenfängerei“. Demmel wies darauf hin, dass diejenigen, die behaupteten, „dass man hier seine Meinung nicht mehr sagen dürfe“, permanent Bücher und Artikel veröffentlichten, nur nicht mehr bei klassischen „Mainstream“-Verlagen, sondern bei rechtsgerichteten. Mit seinem Buch schreibe er „nicht gegen Meinungsfreiheit, sondern gegen Hass, Hetze und Lügen“. Den jungen Zuhörer*innen empfahl er, sich bürgerlich gebende Web-Seiten genau anzuschauen, ehe sie ihnen vertrauten, eingedenk der Parole des früheren Trump-Beraters Steve Bannon: „The Media is the Enemy.“ Die rechte Hetze entfalte sich oft erst im Lauf der Artikel und sei nicht auf Anhieb zu erkennen. Sie sollten solche Seiten „mit spitzen Fingern anfassen, vor allem, wenn ein Impressum fehlt“.