Anlässlich der 55. Berlinale fand der erste FilmUnionDay statt
Unter dem Motto „Die im Dunkeln sieht man nicht“ leuchteten etwa 60 Filmschaffende aus nahezu allen Bereichen ihr Gewerbe aus. Während der deutsche Film Erfolge feiert, geht es den Beschäftigten immer schlechter. Ein neuer Tarifvertrag soll Abhilfe schaffen.
Die Glamourbranche wirft Schatten, so der nüchterne Befund am Ende der Veranstaltung. Doch zuvor beteiligten sich einige Teilnehmer, trotz klirrender Kälte, angeführt von einer Sambaband, am Festivalspaziergang der Kinobeschäftigten: Spielstätten der Berlinale rund um den Potsdamer Platz wurden besucht, um auf den tarifvertragslosen Zustand beim Kinobetreiber CinemaxX aufmerksam zu machen. Danach folgten sie der Einladung von ver.di, dem ver.di-Medienprojekt connexx.av und den Berufsverbänden, um auf dem ersten FilmUnionDay engagiert zu debattieren.
„Die Menschen, deren Einsatz, Qualifikation und Kreativität das Fundament der deutschen Filmerfolge in Kino und Fernsehen bilden, haben mehr soziale Verantwortung verdient“, so ver.die-Vizechef Frank Werneke in seinem Grußwort. Und weiter: „Der erste FilmUnionDay ist ein Zeichen dafür, wie notwendig der solidarische Zusammenhalt der Beschäftigten aus Film- und Kinowirtschaft ist. Die Filmwirtschaft wird durch den Abbau von sozialrechtlichen Grundlagen und von Arbeitsrechten elementar bedroht.“ Danach schilderten Beschäftigte aus Kinos, Synchronschauspielerinnen und -spieler, Maskenbildnerinnen, Kameraleute und andere den vielfältigen Abbau von Arbeits- und Sozialrechten. Matthias von Fintel, ver.di-Tarifexperte für den Medienbereich, erläuterte die tarifpolitischen Forderungen an die Arbeitgeber in der Kino- und Filmwirtschaft. So erschlossen sich vielen Teilnehmern erstmals die prekären Bedingungen verwandter Berufsgruppen in der Branche.
„Die Grausamkeit des Gesetzes muss sie treffen!“, so der Kameramann Michael Neubauer zum derzeit tariflosen Zustand an die Adresse der Film- und Fernsehproduzenten. Gut ein Jahr verhandelten ver.di und Berufsverbände über einen neuen Mantel- und Gagentarifvertrag für die auf Produktionsdauer Beschäftigten. Anders als in anderen Branchen gibt es im Filmgewerbe keine Nachwirkungspflicht, so dass derzeit die allgemeinen gesetzlichen Regelungen gelten. Und die sind für die Filmwirtschaft schlechter, als die oft gescholtenen Tarifregelungen. Neubauer: „Wenn demnächst die Polizei am Drehort erscheint, werden viele merken, dass sie einst unter göttlichen Bedingungen Filme drehen konnten.“ Der Tarifvertrag erlaubte Arbeitszeiten bis täglich 14 Stunden. Nach dem Bundesarbeitsgesetz dürfen nur noch acht, und in begründeten Ausnahmefällen zehn Stunden gearbeitet werden. Matthias von Fintel machte deutlich, dass der Tarifkonflikt nur dann beigelegt werden kann, wenn sich die Film- und Fernsehproduzenten mit der Einführung von Arbeitszeitkonten, einer Beteiligung der Filmarbeitgeber an den daraus resultierenden Sozialversicherungsbeiträgen und einer angemessenen Gagenerhöhung anfreunden können.
„Die Preise sind total verdorben“, so Kolleginnen aus dem Synchronbereich. „Synchronisieren ist mehr als nur übersetzte Sätze nachsprechen“, so die Synchronschauspielerin Sygun Liewald. Doch von den Sprechern werden immer mehr Takes pro Tag verlangt und gleichzeitig ging das Honorar rapide in den Keller. Erstmals legt die von ver.di getragene Mittelstandsgemeinschaft Synchron eine Vergütungsempfehlung vor, mit der der Grundstein für einen dringend notwendigen Branchendialog mit den führenden Synchronstudios eröffnet werden soll.
Kinobeschäftigte machten darauf aufmerksam, dass das vergangene Jahr das drittbeste für die Filmtheater seit der Wiedervereinigung war. Doch für sie selbst war es ein Jahr des Lohndumpings und der Tarifflucht. Zum Beispiel wurden in der Kinokette CinemaxX, und damit bei einem zentralen Festivalkino, Löhne von 6,50 Euro sowie die Streichung von Weihnachtsgeld, Urlaubstagen und weiteren Tarifregelungen durchgesetzt. An die Kinoarbeitgeber gerichtet stellte Werneke fest: „Solche Löhne reichen zum Leben nicht und die Kolleginnen und Kollegen wehren sich zu Recht gegen dieses Vorgehen.“ Den ver.di-Vorschlag, in eine Tarifschlichtung unter neutraler Vermittlung einzutreten, hat CinemaxX abgelehnt.
Der FilmUnionDay wurde mit der Forderung beschlossen, dass in den kommenden Verhandlungen zu Tarifregelungen in der Film- und Kinowirtschaft die Grundlage für Kreativität und zukünftige Erfolge des deutschen Kinos gelegt werden muss. Die von ver.di und den Berufsverbänden vorgelegten Vorschläge werteten die Teilnehmer als notwendige Schritte zur Sicherung der sozialen und beruflichen Existenz.
Beherzt gingen einige Filmschaffende am nächsten Tag zur Verwaltungsratssitzung der Filmförderanstalt (FFA) und übergaben die Brancheninformation vom FilmUnionDay. „Warum kommt ihr denn jetzt erst“ fragten einige Verwaltungsratsmitglieder. Auch beim Berlinale-Empfang der FFA wurden die mehr als 500 geladenen Gäste aus der Branche über die tariflosen Zustände informiert ebenso wie Kanzler Gerhard Schröder, der sich mit Produzenten und Vertretern der FFA zu einem Branchengespräch getroffen hatte.