Mehr Zeit vor dem Computer

Gezieltes Surfen nach Nachrichten und Websites von Zeitungen

Der Umbruch des Zeitungswesens durch das Internet kam alles andere als über Nacht. Er hat sich in den vergangenen 15 Jahren entwickelt: Die Auflagen und Reichweiten der gedruckten Zeitungen schrumpfen, insbesondere die der Regional- und Lokaltitel. Und parallel zu den Abonnement- und Kiosk­verkäufen bröckeln auch die Erlöse aus dem Geschäft mit Werbung und Rubrikanzeigen.

So ist die Reichweite der gedruckten Tages­­zeitungen von rund 86 Prozent 1995 auf 77 Prozent in 2005 gesunken. Insbesondere bei den Jüngeren ist diese Entwick­lung dramatisch, von über 60 auf unter 50 Prozent bei den 14‑–‑19 jährigen bei deutschen Tageszeitungen und auf gerade noch 40 Prozent in 2005 bei den regio­nalen Abonnementzeitungen. Das sind Millionen Leser, Abonnenten, Umsätze, und führt zu Rückbau in den Ver­lagen, mit dem Verlust von Hunderten Arbeitsplätzen. Es ist aber auch ein Bedeutungsverlust. Die einstige Spitzenstellung der Zeitungen als Informationsquelle und Plattform scheint verloren zu gehen.
Doch wo sind die (jungen) Leser statt­dessen? Sie sind – pauschal gesprochen – im Internet. Generell ist der Medienkonsum angestiegen, die Deutschen verbringen mehr Zeit mit audio-visuellen, elek­tronischen Medien denn je, wobei auch die Parallelnutzung weiter ansteigt. 2005 waren die Internetnutzer im Altersmittel und durchschnittlich gerechnet 74 Minuten täglich Online. Doch was machen sie in der Zeit wirklich im Netz? Jedenfalls keineswegs planlos rumsurfen.

Noch keine Erfolgsrezepte

„Gelegentlich Nachrichten zum Welt­geschehen“ suchen beispielsweise 62 Prozent, regionale oder lokale Nachrichten knapp 50 Prozent, so die jüngste Erhebung der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF). Laut ARD-ZDF-Online-Studie sind die Hälfte der Surfer schon mit Zeitungen Online in Kontakt gekommen, und mehr noch: tagesaktuelle Informationen stünden an erster Stelle, wenn die Internet-Nutzer zu Tageszeitungen oder Zeitschriften surfen. Etwas weniger als ein Viertel nutzt regelmäßig Online-Tageszeitungen, -Zeitschriften und -Magazine, so die W3B-Studie (Fittkau & Maaß) nach ihrer jüngsten Erhebung vom November 2005. Bei den Zeitschriften ermittelte tns emnid kürzlich, nutzen 34 Prozent der 14- bis 29-Jährigen das Onlineangebot mindes­tens gelegentlich. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 22 Prozent und bei den über 50-Jährigen sogar elf Prozent.
Keine schlechte Bilanz, eigentlich. Ebenso wie die insgesamt 5,6 Millionen oder 16,4 Prozent der Internet-Nutzer, die die Regionalzeitungen mit ihren Auftritten erreichen würden, wie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) anführt – zumindest jene rund 80 Regionalzeitungen, die sich in der Online-Vermarktungsgemeinschaft OMS zusammengeschlossen haben. Diese rechnen auch ein erfreuliches, weil nach wie vor wachsendes Umsatzvolumen mit Online-Werbung zusammen, um etwa 40 Prozent in den vergangenen beiden Jahren auf insgesamt 550 Millionen Euro. Und auch wenn die OMS für einzelne Zeitungssites – überregionale wie regionale – 2005 die ersten Übertritte der Amortisationsgrenze erwartet, bleibt für die allermeisten anderen das zentrale Problem weiterhin bestehen: Es existieren noch immer zu wenige belastbare Erlösmodelle für den Informationsjournalismus im Internet. Was wurde nicht alles probiert, verworfen, zu etablieren versucht. Doch Erfolgsrezepte gibt es nicht, trotz einer Vielfalt an Strategien. „Publizistische Konzepte für Online-Zeitungen sind durchaus vorhanden“, schreibt die Kommunikationswissenschaftlerin der Hochschule Bremen, Judith Roth, in einem jüngst veröffentlichten Studienbericht. Demgegenüber stünden probate Refinanzierungskonzepte weitgehend aus. (Sammelband „Die Google-Gesellschaft“, transcript-Verlag, Bielefeld). Auf insgesamt sechs verschiedene Strategien für Online-Auftritte von lokalen und regionalen Zeitungen kommt Roth in ihren Studien: Sie nennt sie Visitenkarte und Lightversion, für jene Sites, die kaum mehr als die Kontakt- und Mediadaten anbieten. Die Infopool und die Lokale Plattform genannten Auftritte hingegen verstehen sich zumindest schon als Anlaufstelle und Nachrichtenverteiler. Doch erst mit den Strategien Regionale Plattform bzw. Regionaler Onlinedienst würden die Verlage ein spezifisches Online-Profil entwickeln, das über die Spiegelung der vorhandenen Print-Aktivitäten deutlich hinausgehe. Genau letztgenannte Strategien werden seit Jahren immer häufiger genutzt, aus gutem Grund: Verlage und Redaktionen der Tageszeitungen erkennen mehr und mehr, dass sie auf Grund ihrer Chronis­ten- und Archivierungsfunktion die Träger des sozialen Gedächtnisses sind.

Zahlungsbereitschaft

Bei aller Dynamik der Auftritte und ihrer inhaltlichen Ausgestaltung, bleibt das Hauptproblem der Online-Tageszeitungen, den Online-Auftritt betriebswirtschaftlich rentabel zu gestalten. Dabei scheint das Problem nicht mehr die ge­nerelle Zahlungsbereitschaft der Nutzer zu sein. So sind, jüngsten Erhebungen zufolge, mittlerweile immerhin fast 60 Prozent der Internetnutzer bereit, für hochwertige Inhalte Geld auszugeben: für Verbraucherinformationen und Artikel aus Archiven und Datenbanken. Doch nur jeder vierte der Zahlungswilligen würde für Artikel aus Online-Zeitungen bezahlen wollen, so die Ergebnisse der jüngsten „W3B“-Erhebung von Fittkau & Maaß. Laut der jüngsten ARD-ZDF-Online-Studie ist die Bereitschaft, für aktuelle Inhalte zu bezahlen, sogar wieder leicht gesunken.

 
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