Fotografen demonstrieren gegen Verletzung ihrer Rechte durch den „Tagesspiegel“
„Du sollst nicht begehren Deiner Fotografen Rechte“ forderten etwa 100 Fotografen Anfang März vor dem Verlagsgebäude „Der Tagesspiegel“ in Berlin. Die Fotografenvereinigung FreeLens, IG Medien und der Deutsche Journalistenverband hatten zu der Aktion aufgerufen. Ein Fototeppich bedeckte die Straße vor dem Verlag, um zu symbolisieren, wie die Geschäftsleitung der Hauptstadtzeitung die Urheberrechte seiner freien Bildberichterstatter mit Füßen tritt.
Ursache des bisher wohl einmaligen Protestes in der Bundesrepublik ist die Weitergabe von Fotos durch den Tagesspiegel an die „Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN)“ und die Verbreitung der Bilder auf den Online-Seiten sowohl des „Tagesspiegel“ als der PNN. All das geschieht hinter dem Rücken der Fotografen, ohne deren Genehmigung und ohne Honorierung (siehe auch M 6/98, 1-2/99).
Fotografen in weißen Kitteln forderten Passanten auf, sich einem Sehtest zu unterziehen. Den Unterschied zwischen den beiden Holtzbrinck-Zeitungen „Der Tagesspiegel“ und „Potsdamer Neueste Nachrichten“ (PNN) erkannte kaum jemand.
Sie gleichen sich in weiten Teilen bis hin zu Fotos. Eine Abordnung überreichte dem stellvertretenden Geschäftsführer Hans Homrighausen mehr als 1000 Briefe von Fotografen aus der gesamten Bundesrepublik, die dazu auffordern, die fortgesetzte Verletzung der Rechte freier Fotografen zu beenden. Als Symbol erhielt die Geschäftsleitung einen kleinen Stoffhund, der still hält und lediglich bei Berührung mit dem Kopf nickt, so wie es die Fotografen von FreeLens niemals tun werden, erklärte der passende Spruch dazu. Nur mehr oder weniger zufällig hatten Bildjournalisten ihre Bilder im Internet und in PNN entdeckt. Etwa 60 Fotografen wandten sich daraufhin vor mehr als einem Jahr schriftlich an den Verlag. Es kam zu einem Gespräch mit dem damaligen Chefredakteur Appenzeller – leider ohne Ergebnis. Statt dessen drohte die Hausjustitiarin des Tagesspiegel: Bei Fotografen, die eine kostenlose Mehrfachverwendung ihrer Fotos nicht akzeptieren wollen, werde man „von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen müssen“. Seitdem werden Gespräche über eine angemessene Vergütung der Mehrfachverwertung von seiten der Geschäftsleitung hartnäckig verweigert.
Klagen eingereicht
Nunmehr sind fünf Klagen beim Berliner Landgericht wegen der Urheberrechtsverletzungen anhängig. Die Verbände erhoffen sich von diesen Musterklagen eine Signalwirkung für die gesamte Bundesrepublik. „Sie müssen den Weg ebenen für eine grundsätzliche Regelung der Verwertung von Bildern und auch von Texten in den neuen Medien“, so IG-Medien-Sekretär Andreas Köhn auf einer Pressekonferenz nach der Aktion. Fotografen, die derzeit nicht bereit sind, ihre Fotos unentgeltlich in PNN und auf den „Tagespiegel“-Online-Seiten verwerten zu lassen, finden sich auf einer schwarzen Liste wieder. Es sind inzwischen etwa 50. Ihre Fotos sollen auch im „Tagesspiegel“ nicht mehr abgedruckt werden.
Die Geschäftsleitung hat inzwischen einigen Fotografen einen Vertrag als „Verhandlungsangebot“, so Homrighausen, zugesandt. Den Vertragsentwurf bezeichnete Martin Kaemper vom DJV als „Augenauswischerei“ und in seiner jetzigen Form inakzeptabel. Danach wird das seit Jahren stagnierende Honorar um zehn Mark erhöht und beinhaltet die Abgabe aller Rechte. Das jeweilige Foto soll unentgeltlich im Internet und auf CD-ROM sowie in Datenbanken verwertet werden dürfen. Manfred Scharnberg, Geschäftsführer von FreeLens wertet das Angebot dennoch als ersten Erfolg der Aktion, da die Verlagsleitung offenbar bereit sei, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.