epd medien feiert sein 70-jähriges Bestehen
Der Branchendienst „epd medien“ des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) feiert sein 70jähriges Jubiläum und lud am 9. April zu einem Fachpodium. Unter dem Titel „Zwischen allen Stühlen – Medienjournalismus in erregten Zeiten“ diskutierten Redakteur*innen über die heutige Rolle eines kritischen Medienjournalismus.
Ohne die Zeitschrift epd medien und ihre elektronischen Tagesmeldungen würden Redakteur*innen der Medienressorts einiges mehr an Zeit bei der Suche nach Themen aufwenden müssen. Die wöchentliche Ausgabe bietet ihnen einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen TV, Hörfunk, Presse und Internet. Darüber hinaus wird in Fachbeiträgen der medienpolitische und –ethische Diskurs gepflegt.
Die Fachzeitschrift erschien ab 1949 noch unter dem Titel epd/Kirche und Rundfunk und postulierte in seiner ersten Ausgabe „den Rundfunk in seiner kulturellen und soziologischen Eigengesetzlichkeit verstehen zu lernen“. Man beabsichtigte also, in der Beurteilung von Sendungen über den Tellerrand kirchlicher Moralvorstellungen hinaus zu blicken. Bei der Lektüre heutiger TV- und Hörfunkkritiken im Branchendienst scheinen religiöse Fragestellungen für die Autor*innen keine Rolle zu spielen. Entscheidend ist, ob es dem Format gelingt, zu unterhalten sowie eine gesellschaftspolitische und ethische Message zu vermitteln. Spätestens seit Volker Lilienthal 2005 mit dem Artikel „Bavaria Connection“ nachwies, dass die Produktionsfirma „Bavaria“ über Jahre systematisch Schleichwerbung in der Vorabendserie „Marienhof“ zuließ, wird epd medien gar eine unabhängige Kontrollfunktion der Medienbranche zugeschrieben. „Auch bei der Urheberrechtsdebatte konnten wir ohne eigene Interessen berichten, weil wir weder von einem kommerziellen Verlag noch von einem Internet-Unternehmen abhängig sind“ erklärt Dietmut Roether, Chefredakteurin von epd medien.
Gerade die (Selbst-)Kontrolle des Journalismus war eines der zentralen Themen auf dem Podium bei der Jubiläumsfeier in Frankfurt am Main. Impulsgeber war der Skandal um Class Relotius im Dezember 2018, viele seiner im Spiegel und diversen Tageszeitungen veröffentlichten Reportagen waren komplett oder teilweise erfunden, und die internen Kontrollinstanzen der Medienhäuser hatten versagt. Die geladenen Journalist*innen schienen sich hörbar noch nicht von dem Vertrauensverlust ihrer Leser*innen erholt zu haben. Darunter Georg Mascolo, ehemaliger Chefredakteur des Spiegel und heutiger Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Eine staatliche Kontrolle lehnte er ab, vielmehr müssten Medien diese Aufgabe selbst wahrnehmen, um ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Dazu gehöre auch eine „kundige, harte und faire Selbstkritik.“ Mascolo meinte, dass die in US-amerikanischen Zeitungen verbreiteten public editors als Stimme eines unabhängigen Ombudsmanns einen Fall wie Relotius hätten verhindern können. Eine transparente Fehlerkorrektur sei wegweisend. Dem sei hinzugefügt, dass ausgerechnet die New York Times die Position des public editors seit 2017 gestrichen hat.
Stefan Niggemeier, Blogbetreiber von Übermedien, meinte, gerade unabhängige Journalist*innen könnten andere Medien besser kritisieren. Medienjournalisten seien ein wichtiger Teil des Reparaturbetriebs. Auch Anne Fromm von der taz räumte ein, dass der BILDblog den Job als Gegengewicht zur Springer-Presse heute besser mache als ursprünglich die taz. Allerding sei Deutschland heute „voll von Medienkritikern“, deshalb müssten Journalist*innen das leisten, was sie nicht immer schaffen: „Recherche und einordnende Analyse“. Dies ginge aber nur mit mehr Redakteuren.
Joachim Huber bemängelte, dass das Medienressort im Tagesspiegel heute nur noch mit drei Redakteuren arbeiten müsse, zwei Stellen seien gestrichen worden. Und er ergänzte: „Medienjournalismus sollte nicht sein, die Fehler der Kollegen aufzudecken.“ Journalist*innen wüssten meist genau, wo sie ihre Glaubwürdigkeit durch mangelnde Information untergraben. Nun seien sie am Zug, ihr Ansehen zu verbessern.
Annette Leiterer vom NDR-Medienmagazin Zapp forderte, die Redaktionen müssten schauen, wo die internen systemischen Fehler lägen. Und eine gute Kontrolle sollte aus verschiedensten Häusern und Perspektiven erfolgen. Dazu gehörten auch Satireformate wie das Neo Magazin Royale. Jan Böhmermann nimmt dort regelmäßig die Medienzunft aufs Korn. EKD-Medienbischof Volker Jung warb dagegen für eine andere Art der kritischen Selbstreflexion. „Es gibt schon einen sehr starken Trend zur Skandalisierung, Personalisierung, Tribunalisierung. Bei der Medienkritik geht es um Entwicklungen und Tendenzen.“
Im Rückblick auf die Podiumsdiskussion betont Dietmut Roether, Medienjournalist*innen sollten sich viel mehr untereinander vernetzen. Ein Beispiel sei der Verbund von Stern und Correctiv zur #meetoo-Affäre im WDR. Und: „Wenn man sich anschaut, wie wichtig die Medien sind – die Deutschen verbringen neun Stunden am Tag mit ihnen – brauchen wir viel mehr Medienberichterstattung.“