Nur ein B-Movie

Verlags- und Werbebranche ordnen Berufsausbildung

Der 1. August ist ein Stichtag in der dualen Berufsausbildung: Dann treten die neuen Ausbildungsordungen in Kraft. In diesem Jahr sind das auch drei aus dem Bereich der Medien: „Medienkauffrau/-mann“, „Kaufmann/ Kauffrau für Marketingkommunikation“ und „Mediengestalter/-in Bild und Ton“.

Wer meint, den Begriff „Mediengestalter/in Bild und Ton“ nicht zum ersten Mal zu lesen, hat recht. Dieser Beruf wurde 1996 eingeführt, zusammen mit dem „Film- und Videoeditor“. Diese beiden waren vor zehn Jahren die ersten Ausbildungsordnungen für die Produktion elektronischer Medien. Deshalb wurde zwischen dem Bildungsministerium und den Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite eine Evaluierung vereinbart. Nach zehn Jahren zeigt sich, dass das Interesse der jungen Leute an der Mediengestaltung in Bild und Ton kontinuierlich groß ist und Azubiplätze angeboten werden. Rund 700 Ausbildungsverträge sind im Jahr 2004 abgeschlossen worden.
Anders sieht es beim Film- und Videoeditor aus: Nur geringes Interesse, bei der Evaluierung auch begründet mit einer zu großen Orientierung an einem der Vorläuferberufe aus der Postproduktion, dem klassischen Filmcut. Lediglich 35 Ausbildungsverträge wurden 2004 abgeschlossen, Berufsschulklassen gibt es 2006 laut Arbeitsagentur nur in Fürth, Berlin, Hamburg und Halle. Während die erfolgreiche „Mediengestalterin Bild und Ton“ mit dem 1. August 2006 an die Entwicklung der Branche angepasst wird und die elektrotechnischen Inhalte zugunsten der Informationstechnik zurückgedrängt werden, bleibt bei der „Film- und Videoeditorin“ alles beim Alten – mangels einer Einigung, ob und wie der Beruf neu ausgerichtet werden soll.
Neu bei der „Mediengestaltung Bild und Ton“ ist, dass der Beruf nicht mehr als so genannter Monoberuf angelegt ist, in dem alle die gleichen Lerninhalte absolvieren müssen, sondern als „Ausbildungsberuf mit Einsatzgebieten“. Das ermöglicht es auch spezialisierten Betrieben, eine gültige Lehre anzubieten. Der Abschluss heißt in jedem Fall „Mediengestalter/-in Bild und Ton“, egal in welchem Spezialgebiet die Azubis geschult wurden.

Neuland betreten

Anders ist das bei dem 1998 folgenden neuen Beruf „Mediengestalter/-in Print und Digital“. „Hier haben wir völliges Neuland betreten“, berichtet Karl-Heinz Kaschel-Arnold vom Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, der damals für die IG Medien über diese neue Ausbildungsordnung verhandelte. Auch der „Mediengestalter Print und Digital“ ist kein „Monoberuf“, sondern ein „Ausbildungsberuf mit Fachrichtungen“. Nach anderthalb Jahren gemeinsamer Ausbildung entscheiden sich die jungen Leute für eine von vier Möglichkeiten, die zu einem eigenen Abschluss führen: Medienberatung, Mediendesign, Medienoperating oder Medientechnik. „Die Verordnung verknüpft die bisherigen Ausbildungsberufe Schriftsetzer, Reprohersteller, Reprograf, Werbe- und Medienvorlagenhersteller sowie Fotogravurzeichner und verbindet diese mit den neuen Qualifikationen aus dem Bereich Multimedia, Digitale Medien und Digitaldruck“, heißt es dazu in der Beschreibung des Bundesinstituts für Berufsbildung BIBB in Bonn, das seit 1970 über die Neuordnung der Ausbildungsberufe wacht. Der genealogische Stammbaum dieses 1998 eingeführten Berufs mit allen seinen zahlreichen historischen Vorgängern auf der Homepage des BIBB ist eindrucksvoll.
Für Kaschel-Arnold hat die Ausbildungsordnung „Mediengestalter/in Print und Digital“ eine Vorbildfunktion übernommen. Dies bestätigt die als Printversion bereits vergriffene Publikation des BIBB „Wie entstehen Ausbildungsberufe?“: Von den sechs dort aufgeführten Beispielen stammen allein vier aus der Ausbildungsordnung „Mediengestalter/-in Print und Digital“. Wegen der schnellen Branchenentwicklung wurde die Ausbildungsordnung schon 2002 wieder aktualisiert, die nächste Novellierung wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Zusammen mit dem „Mediengestalter Print und Digital“ ist auch der erste kaufmännische Beruf eingeführt worden, der den Begriff „Medien“ im Titel trägt: „Kauffrau/-mann für Audiovisuelle Medien“. 2001 kam der „Veranstaltungskaufmann“ dazu. Dieses Ausbildungskonzept orientiert sich allerdings nicht nur an medialen Events, sondern auch am Sport- und Fitnesskaufmann im Gesundheitsbereich. Da diese Branche sich aber ebenfalls schnell weiterentwickelt, ist diese Gemeinsamkeit nicht für alle Zeiten zwingend.
Als danach die Neufassung des „Verlagskaufmanns“ und der „Werbekauffrau“ anstand, sahen ver.di und DGB den Zeitpunkt gekommen, die verschiedenen kaufmännischen Ausbildungen im Medienbereich „zu einer Berufsfamilie für den ganzen Medienbereich“ zusammenzufassen, so Kaschel-Arnold, nach dem Beispiel der Mediengestaltung Print und Digital als „Ausbildungsberuf mit Fachrichtungen“. Das BIBB ist in vielen Berufen an einer solchen Ausrichtung interessiert, nicht nur im Medienbereich, da es den Berufsbildungsexperten oftmals tauglicher für die Branche erscheint.

Zwei verschiedene Welten

Doch die Arbeitgeberseite sah dies in der Diskussion um die Runderneuerung von Verlags- und Werbekaufmannsausbildung anders. Beim „Medienkaufmann Digital und Print“ favorisierten der Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der Verband der Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels einen „Ausbildungsberuf mit Einsatzgebieten“. Durch die Möglichkeit, auch in einem spezialisierten Betrieb zu einem allgemeingültigen Abschluss zu gelangen, hätten sie die größere Chance gesehen, möglichst viele Betriebe zur Ausbildung zu ermuntern, sagt Ursula Heimann vom VDZ. Eine Ausbildung mit verschiedenen Fachrichtungen schrecke die kleinen und mittleren Verlage eher ab. Gar keinen Sinn in einer Medienkaufmannsfamilie sahen die Vertreter der Kommunikationswirtschaft. Sie lehnten es ab, die Ausbildungsinhalte des alten Werbekaufmanns unter dem neuen Namen „Kaufmann/-frau für Marketingkommunikation“ grundlegend zu verändern. „Wir hätten uns da nicht wiedergefunden“, erklärt Tassilo Schwaller vom Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA. Und der Verhandlungsführer des „Forums Kommunikationswirtschaft“ mit seinen 13 Einzelverbänden, Lutz Weidner, erläutert: „Es gibt gewisse Schnittmengen im ersten Ausbildungsjahr. In den Berufsschulen vor Ort wird das vielleicht auch zusammen organisiert. Aber grundsätzlich sind es zwei ganz verschiedene Welten. Die Medienkaufleute kümmern sich darum, dass die Kommunikationskanäle sinnvoll funktionieren. Die Kommunikationskaufleute überlegen, wie man diese Kanäle am besten nutzt.“

Kleiner gemeinsamer Nenner

So sind die neuen medienkaufmännischen Ausbildungsordnungen, die am 1. August 2006 in Kraft treten, als „Monoberufe“ ausgerichtet, als kleinster gemeinsamer Nenner zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, damit überhaupt eine Neuausrichtung in Kraft tritt und sich die Ausbildung der Branchenentwicklung anpasst. Viele Verlage haben es nicht mehr nur mit Printprodukten zu tun, der Arbeitsbereich mit digitalen Medien wird in den Häusern immer größer. Auch die Werbeagenturen produzieren schon lange nicht mehr nur Anzeigen, Plakate oder Kino- und Rundfunkspots, sondern beziehen Messen, Mailings und Events in ihre Kampagnen ein. Die Arbeit beider Kaufmannsberufe hat sich von der Produktorientierung zur Kunden- und Prozessorientierung gewandelt. Vertrieb und Marketing stehen heute im Verlag mehr im Vordergrund als früher. Und zur Kundenorientierung in der globalisierten Arbeitswelt zählt noch etwas, das für die Medien- und Kommunikationskaufleute mehr Gewicht bekommen hat: Fremdsprachenkenntisse. In den meisten Fällen wird dies fachspezifisches Englisch sein, aber das ist nicht zwingend.
Karl-Heinz Kaschel-Arnold macht aus seiner Enttäuschung trotz aller Neuerungen keinen Hehl: Der Medienkaufmann sei „nur ein B-Movie geworden“. Eine Binnendifferenzierung mit Modulen zur Auswahl hätte nach seiner Überzeugung die Möglichkeit geboten, sich den Bedürfnissen der Branche zielgenauer zu nähern. „Wir hätten uns noch mehr Aufmerksamkeit für Digitales gewünscht“. Content Management System tauche nur einmal in der Ausbildungsordnung auf. Sein Resümee zum neuen Medienkaufmann: „Nicht Oscar-verdächtig.“

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