Praxisferne Richter

Laptop-Verbot im Gericht bleibt bestehen

In einer Art Musterverfahren versucht ein freier Journalist mit dju-Unterstützung, das Laptop-Verbot für Journalisten im Oldenburger Holzklotzwurf-Prozess zu kippen. Ein Überblick aus Sicht des Klägers Eckhard Stengel.


Etliche Gerichte bis hinauf zum Bundesgerichtshof haben nichts dagegen, wenn in ihren Sitzungssälen Journalisten Laptops benutzen. Wer – wie ich – auch für überregionale Blätter mit frühem Redaktionsschluss und ohne Telefonaufnahme arbeitet, muss bereits während der Verhandlung an seinem E-Mail-fähigen Bericht schreiben, zumindest wenn wichtige Prozessphasen erst am Nachmittag stattfinden.

Leider sehen manche Richter das nicht ein. Zum Beispiel in Oldenburg. Hier müssen die Journalisten zum Schreiben den Schwurgerichtssaal verlassen. Dadurch versäumen sie entweder Teile der Verhandlung, oder sie können nur die Pausen nutzen. Die aber sind zu kurz, denn schon 10 bis 15 Minuten vor ihrem Ende müssen wir uns wieder in die Warteschlange für die akribische Sicherheitskontrolle einreihen. Mehrfach bat ich das Gericht um Abhilfe. „Ich spreche nicht mit der Presse“, war zunächst die einzige Antwort des Kammervorsitzenden. Erst nach einer Klage-Androhung nannte er Gründe: Sicherheitsbedenken und befürchtete Geräuschbelästigungen.

Als einziges Rechtsmittel blieb mir nur der Gang zum Verfassungsgericht – mit Rechtsschutz der dju. Doch mein Eilantrag wurde abgelehnt. Für die Karlsruher Richter ist das Verbot zwar „keine nur marginale Einschränkung“ für die Presse, und sie fanden die Oldenburger Begründung „nicht in jeder Hinsicht überzeugend“. Dafür nannten sie aber ein neues Verbotsargument: Mit Laptops ließen sich illegal Bild- und Tonaufnahmen anfertigen. Das ist, mit Verlaub, praxisfern. Weder ich noch mir bekannte Gerichtsreporter/innen besitzen einen Laptop mit Kamera. Und selbst wenn: Wer mit eingebauten Kameras filmen wollte, müsste den Rechner auffällig in Richtung Prozessbeteiligte drehen. Reine Tonaufnahmen wiederum wären wegen der schlechten Saal-Akustik unbrauchbar. Zudem ist nicht zu vermuten, dass ausgerechnet akkreditierte Journalisten illegale Aufnahmen machen. Sie verdienen den gleichen Vertrauensvorschuss wie Bildberichterstatter, die vor und nach den Sitzungen sowie in den Pausen im Saal filmen dürfen – im Vertrauen darauf, dass sie den Angeklagten hinterher anonymisieren.

Die dju prüft jetzt, ob es sinnvoll wäre, nach dem gescheiterten Eilantrag eine reguläre Verfassungsbeschwerde einzureichen, um das Laptop-Verbot vielleicht doch noch zu kippen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Innovatives Arbeiten im Journalismus

Flache Hierarchien, flexible Workflows und rollenbasierte Teamarbeit sind Kernelemente von agilem Arbeiten. Das Konzept stammt aus der Softwareentwicklung und hält inzwischen auch im Journalismus Einzug. Die Studie „Agiles Arbeiten im Journalismus: Einführung, Anwendung und Effekte von agilen Methoden in deutschen Medienhäusern“ untersucht, wie deutsche Medienhäuser agile Arbeitsmethoden in den redaktionellen Arbeitsalltag integrieren.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »

Nachrichtenvermeidung nimmt zu

Der „Reuters Digital News Report“ stellt fest:  Zwei Drittel der Deutschen vermeiden es inzwischen mindestens gelegentlich, sich mit aktuellen Nachrichten zu beschäftigen. Gleichzeitig wollen viele wissen, was los ist. Was da scheinbar nicht zusammenpasst, stellt sich angesichts der Nachrichteninhalte in Teilen nachvollziehbar dar - ein genauerer Blick auf den Bericht.
mehr »

Zeichnen heißt Leben: Safaa Odah

Im politisch aufgeladenen Kontext des Gaza-Krieges ist die Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt. Umso bemerkenswerter sind die Versuche von Autor*innen, den Fokus mit journalistischen Mitteln auf das Leid der Menschen zu lenken. Neben dem Westjordanland zeichnen auch in Gaza Künstler*innen Cartoons und Karikaturen gegen den Krieg. Zum Beispiel die junge Zeichnerin Safaa Odah. Martin Gerner hat sie online getroffen.
mehr »