Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin war für die meisten Zeitungen der Sommerlochfüller 2009. Nur die linksliberale tageszeitung verzichtete auf eine Life-Berichterstattung von der WM aus Protest gegen die rigiden Akkreditierungsbedingungen.
Denn Journalisen mussten, wenn sie von dem Sportereignis berichten wollten, ihr Einverständnis zu einer polizeilichen Sicherheitsüberprüfung geben. Das für die WM-Akkreditierung zuständige Berlin Organising Committee GmbH (BOC) stellte beim Berliner Polizeipräsidenten eine Anfrage, ob Erkenntnisse über den jeweiligen Journalisten vorliegen. Dabei werden sowohl Landes- als auch Bundesdatenbanken abgefragt. Zusätzlich erfolgt eine Anfrage bei den Verfassungsschutzämtern von Berlin, dem Bundesverfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt.
Wer diese Totalüberprüfung verweigerte, bekam vom BOC keine Akkreditierung, wie die beiden-Sportjournalisten der taz Andreas Rüttenauer und Markus Völker. Ihnen ist es gelungen, eine Debatte über die immer mehr um sich greifende Durchleuchtungspraxis auch bei Journalisten anzustoßen. Schnell wurde deutlich, dass die Einlassbedingungen bei der Leichtathletik-WM nicht nur den taz-Korrespondenten aufgestoßen waren. Dass sich andere Journalisten nicht an dem Boykott beteiligten, belegt den Druck, dem sie ausgesetzt sind. Wer kann es sich schon leisten, einen solchen Auftrag zu verlieren? Unterstützung bekam die taz von Politikern der Grünen, von Datenschutzbeauftragen und Journalistenverbänden.
Enttäuschend ist dagegen die Reaktion der Berliner Landesregierung. Richard Meng, der Sprecher von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, erklärte, dass Zuverlässigkeitsüberprüfungen auch bei anderen internationalen Großveranstaltungen üblich seien, und bezeichnete die Weigerung der taz, als „eine etwas alberne PR-Aktion“. Dabei hatte Meng als langjähriger Journalist der Frankfurter Rundschau in seinen Artikeln durchaus den Wert von Datenschutz hochgehalten.
2011 wird mit der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft ein weiterer großer Sportevent in Berlin stattfinden. Wieder wird eine Privatfirma für die Akkreditierung der Journalisten zuständig sein. Deren Sprecher Stephan Eiermann hat allerdings schon angekündigt, sich die Richtlinien der Leichtathletik-WM nicht zum Vorbild zu nehmen und kein Interesse an Journalistenüberprüfungen zu haben. Wenn es nicht bei schönen Worten bleibt, wäre das ein nachträglicher Erfolg für die tageszeitung und könnte vielleicht auch andere Kollegen zu mehr Zivilcourage ermutigen.