„Sächsische Zeitung“ will Richtlinie 12.1 des Presserats ignorieren

Um dem sinkenden Vertrauen der Leser_innen in die Medien zu begegnen, hat die „Sächsische Zeitung“ (SZ) beschlossen, sich künftig nicht mehr an die Pressekodex-Richtlinie 12.1 des Deutschen Presserats zu halten und die Nationalität von Straftätern in jedem Fall zu nennen. Das Dresdner Blatt begründete diese Entscheidung in einem Beitrag vom 01. Juli 2016 mit einer von der TU Dresden durchgeführten repräsentativen Umfrage unter seinen Leser_innen, die ergeben hätte, dass rund ein Viertel der Befragten glauben, Medien würden die Herkunft ausländischer Täter aus Rücksicht auf diese verschweigen.

Die Richtlinie 12.1 des Pressekodex, die bereits Anfang dieses Jahres in Folge der Ereignisse der Kölner Silvesternacht heftig diskutiert worden war, besagt: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachzusammenhang besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Nach Ansicht der Redaktion der „Sächsischen Zeitung“ sei es indes gerade die Nichtnennung der Täterherkunft, die Gerüchten Vorschub leiste und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könne. Zudem sei die Mehrzahl der Straftäter ohnehin deutscher Herkunft, weshalb man mit der Entscheidung, die Nationalität in jedem Fall zu nennen, auch dem unter den Leser_innen vorherrschenden – auch dies ein Ergebnis der Umfrage – Überschätzen der Ausländerkriminalität entgegenwirken könne.

Der im Nachhinein von mehreren Seiten geäußerten Kritik, man sei sowieso auf die Vorauswahl der Nachrichten durch die Polizei angewiesen und die Aufnahme von Nachrichten durch die Leser_innen sei ohnehin selektiv und nur auf die Bestätigung des bereits vorgefassten Urteils ausgerichtet, entgegnete „SZ“-Redakteur Oliver Reinhard bereits in besagtem „SZ“- Beitrag vom 01. Juli, dass man sich dessen durchaus bewusst sei, dass man dem der Redaktion von den Leser_innen entgegengebrachten Vertrauen jedoch nur gerecht werden könne, indem man es auch zurückgebe: „Und die wahrheitsgemäße Überzeugung der meisten Abonnenten, dass Ausländer eben nicht krimineller sind als Deutsche (65 Prozent, plus 13 Prozent „weiß nicht“), hat uns in unserer Entscheidung für die Nennung der Nationalität von Straftätern bestärkt.“

Weitere aktuelle Beiträge

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Content, Streaming und Transformation

Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
mehr »

Breiter Protest gegen Radiokürzungen

Als die Bundesländer im vergangenen September Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt haben, war klar: Diese beinhalten starke Kürzungen. Die ARD-Häuser müssen im Auftrag der Politik über die Verringerung von Radiowellen entscheiden. Die Anzahl der regionalen Hörfunkprogramme in der ARD soll demnach von rund 70 Wellen auf 53 sinken. Dagegen regt sich breiter Protest.
mehr »

Filmtipp: Code der Angst

Der Filmemacher Appolain Siewe spürt in seinem Film „Code der Angst“ der Ermordung des kamerunischen Journalisten Eric Lembembe nach. 2013 wird der junge Journalist und LGBTI*-Aktivist Lembembe in Kamerun ermordet. Dieses und weitere Verbrechen gegen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, lassen Appolain Siewe keine Ruhe. Der Filmemacher ist in Kamerun geboren und aufgewachsen und lebt heute in Berlin.
mehr »