Schon entdeckt? Riffreporter

Die Riffreporter-Projekte tragen Namen wie Flussreporter, Flugbegleiter, Waldreporter, Weltraumreporter, Zukunftsre­porter oder KlimaSocial
Screenshot/Montage: Petra Dreßler

Die freie Journalistin Anja Krie­ger kommt ins Schwärmen, wenn sie über „Riffreporter“ spricht: „Jeder kann sein Herzensprojekt so umset­zen, wie er oder sie möchte, und bekommt dabei Hilfe von den Anderen.“ Krieger hat sich auf Wissen­schaftsjournalismus speziali­siert. Ihren englischsprachigen Podcast „Plastisphere“ über die Allgegenwart von Plastik begleitet sie mit deut­schen Artikeln auf dem Online-Portal „Riffreporter“. Dort sollen sich selbstbewusste Freie selbstverwirklichen kön­nen. Krieger spricht von einer „kooperativen und positiven Stimmung“.

„Riffreporter“ wurde ab 2015 von einer Handvoll Freier erdacht, ging 2017 online und will die Lösung für ein entscheidendes Problem sein: Freie haben es heute schwerer als früher, sich angemessen zu vermarkten. Wer online eine Präsenz aufbau­en und Einnahmequellen suchen will, muss feststellen: Das Programmieren ist teuer, die Buchhaltung aufwändig und die Reichweite erst mal klein. Da liegt es nahe, dass sich Leu­te, die vom Journalismus leben wollen, „kon­föderieren“, wie „Riffreporter“ selbst schreibt, und eine gemeinsame Infrastruktur für unter­schiedliche journalistische Projekte aufbau­en. Seit Oktober 2017 ist „Riffrepor­ter“ deshalb eine in Berlin ansässige ein­getragene Genos­senschaft.

Der Name wird in der Selbstdarstel­lung so erklärt: „Korallenriffe sind vielfältige, produktive, kooperative Lebensräume“. Die gemeinsame Multimedia-Plattform erhöhe nicht nur die Aufmerksamkeit für jedes Pro­jekt, sondern ermögliche auch gegenseitiges Lernen. Noch wichtiger vermutlich: Auf der Plattform können verschiedene Bezahlsyste­me genutzt werden. Die damit zusammen­hängende Verwaltungsarbeit wird von der Genossenschaft übernommen, die dafür 15 Prozent der Einnahmen behält. Bezahlen pro Artikel, monatliche feste Beträge, ein einma­liger fester Betrag, Spenden – jedes Mitglied kann für sein Projekt festlegen, auf welche Art Geld einge­nommen werden soll.

Ein „Riffreporter“-Projekt wird dabei „Koralle“ genannt. Zwei Dutzend Korallen gibt es mittler­weile, wobei eine Handvoll seit dem Sommer nichts veröffent­licht hat. Es dominie­ren die Themenberei­che Natur, Wissen­schaft und Technologie. Die Pro­jekte tragen Namen wie Flussreporter, Flugbegleiter (Arti­kel über Vögel), Waldreporter, Weltraumreporter, Zukunftsre­porter. Aber auch „KlimaSocial“, wo es um klimarelevante soziale Prozesse geht, und eine Ergänzung zum seit Jahren laufenden juristischen „Verfassungs­blog“ gibt es hier, zudem den „Bildungsfor­scher“ sowie Geschichten aus den USA und Spanien. Dahinter steht die Hoffnung, dass auch einzelne Personen aufgrund ihrer Spezialkompetenz hier ei­ne „Community“ erreichen können, die sie finanziert.

Der inhaltliche Anspruch ist hoch: „Riffre­porter-Projekte sind die neue Informations­quelle für alle, die tief in Themen eintauchen und sich kontinuierlich informieren wollen. Unsere Autoren verfolgen ihre Themen oft seit Jahren.“ Zudem müssen die Mitglieder einen journalistischen Kodex befolgen. Zur Sicherheit gibt es einen Ethik-Ausschuss, der von der Generalver­sammlung gewählt wird. Wer Riffreporter werden will, muss sich bewer­ben. Über die Aufnahme ent­scheidet der Aufsichtsrat. Die Mindestinvestition beträgt 450 Euro, wovon 250 Euro Genossen­schaftsanteile sind, die wieder­verkauft werden können.

Über 80 journalistische Mitglie­der habe die Genossenschaft, sagt Co-Vor­stand Christian Schwägerl gegenüber M. Von denen habe aber ein Drittel noch nichts auf der Plattform veröffentlicht. Er rate ihnen auch, es langsam anzugehen. Zusätz­lich gebe es über 30 reine Unterstüt­zungsmitglieder. Wir sind als Genossenschaft überall da tätig, wo es für die einzelnen Journalisten zu auf­wändig wird“, sagt Mitgründer Schwägerl, der seit Jahren für große Medien Wissen­schaftsjournalismus betreibt. So sollen tech­nische Schnittstellen zu anderen Veröffentli­chungsplattformen eingerichtet werden, was einzelnen Riffreportern poten­ziell weitere Einnahmen bringt. Zudem will die Genossenschaft ihre Mitglieder bei anderen In­stitutionen für bezahlte Auftrit­te als Expert_innen bei Veranstaltungen ins Ge­spräch bringen.

Mit der Zentral- und Landesbi­bliothek Berlin hat das schon gut geklappt. Seit November „analysieren je­den ersten Sonntag im Monat Riffreporter im ‚Presseclub für alle‘ mit dem Publikum wich­tige und spannende aktuelle Themen“, schreibt die Landesein­richtung in einer Presse­mitteilung. Zudem ver­legt ein „Journalist in Re­sidence“ seinen Arbeits­platz für eine Woche in eine große Bibliothek und erklärt in Veranstaltun­gen seine Arbeitsweise. Anja Krieger war die Erste, die das gemacht hat, und sie hat danach weitere bezahlte Auf­tritte in der Bibliothek gehabt. Mit den Ho­noraren war sie sehr zufrieden, sagt sie.

Finanzielle Starthilfe gab es bisher vor allem von Stiftungen. Weitere Unter­stützung ist erwünscht, sei es in Form von Geldgeschenken, oder von „Flatrates“, die Insti­tutionen abschließen können, um Zugang zu allen Korallen zu haben. Auch mehrere Preise hat das Projekt schon bekom­men, zuletzt im Sommer den Grimme-Online-Award in der Kategorie „Wissen und Bildung“. Außerdem wurde der „Riff-Fonds“ für gemeinnützige Projekte auf den Weg gebracht.

 

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