Die freie Journalistin Anja Krieger kommt ins Schwärmen, wenn sie über „Riffreporter“ spricht: „Jeder kann sein Herzensprojekt so umsetzen, wie er oder sie möchte, und bekommt dabei Hilfe von den Anderen.“ Krieger hat sich auf Wissenschaftsjournalismus spezialisiert. Ihren englischsprachigen Podcast „Plastisphere“ über die Allgegenwart von Plastik begleitet sie mit deutschen Artikeln auf dem Online-Portal „Riffreporter“. Dort sollen sich selbstbewusste Freie selbstverwirklichen können. Krieger spricht von einer „kooperativen und positiven Stimmung“.
„Riffreporter“ wurde ab 2015 von einer Handvoll Freier erdacht, ging 2017 online und will die Lösung für ein entscheidendes Problem sein: Freie haben es heute schwerer als früher, sich angemessen zu vermarkten. Wer online eine Präsenz aufbauen und Einnahmequellen suchen will, muss feststellen: Das Programmieren ist teuer, die Buchhaltung aufwändig und die Reichweite erst mal klein. Da liegt es nahe, dass sich Leute, die vom Journalismus leben wollen, „konföderieren“, wie „Riffreporter“ selbst schreibt, und eine gemeinsame Infrastruktur für unterschiedliche journalistische Projekte aufbauen. Seit Oktober 2017 ist „Riffreporter“ deshalb eine in Berlin ansässige eingetragene Genossenschaft.
Der Name wird in der Selbstdarstellung so erklärt: „Korallenriffe sind vielfältige, produktive, kooperative Lebensräume“. Die gemeinsame Multimedia-Plattform erhöhe nicht nur die Aufmerksamkeit für jedes Projekt, sondern ermögliche auch gegenseitiges Lernen. Noch wichtiger vermutlich: Auf der Plattform können verschiedene Bezahlsysteme genutzt werden. Die damit zusammenhängende Verwaltungsarbeit wird von der Genossenschaft übernommen, die dafür 15 Prozent der Einnahmen behält. Bezahlen pro Artikel, monatliche feste Beträge, ein einmaliger fester Betrag, Spenden – jedes Mitglied kann für sein Projekt festlegen, auf welche Art Geld eingenommen werden soll.
Ein „Riffreporter“-Projekt wird dabei „Koralle“ genannt. Zwei Dutzend Korallen gibt es mittlerweile, wobei eine Handvoll seit dem Sommer nichts veröffentlicht hat. Es dominieren die Themenbereiche Natur, Wissenschaft und Technologie. Die Projekte tragen Namen wie Flussreporter, Flugbegleiter (Artikel über Vögel), Waldreporter, Weltraumreporter, Zukunftsreporter. Aber auch „KlimaSocial“, wo es um klimarelevante soziale Prozesse geht, und eine Ergänzung zum seit Jahren laufenden juristischen „Verfassungsblog“ gibt es hier, zudem den „Bildungsforscher“ sowie Geschichten aus den USA und Spanien. Dahinter steht die Hoffnung, dass auch einzelne Personen aufgrund ihrer Spezialkompetenz hier eine „Community“ erreichen können, die sie finanziert.
Der inhaltliche Anspruch ist hoch: „Riffreporter-Projekte sind die neue Informationsquelle für alle, die tief in Themen eintauchen und sich kontinuierlich informieren wollen. Unsere Autoren verfolgen ihre Themen oft seit Jahren.“ Zudem müssen die Mitglieder einen journalistischen Kodex befolgen. Zur Sicherheit gibt es einen Ethik-Ausschuss, der von der Generalversammlung gewählt wird. Wer Riffreporter werden will, muss sich bewerben. Über die Aufnahme entscheidet der Aufsichtsrat. Die Mindestinvestition beträgt 450 Euro, wovon 250 Euro Genossenschaftsanteile sind, die wiederverkauft werden können.
Über 80 journalistische Mitglieder habe die Genossenschaft, sagt Co-Vorstand Christian Schwägerl gegenüber M. Von denen habe aber ein Drittel noch nichts auf der Plattform veröffentlicht. Er rate ihnen auch, es langsam anzugehen. Zusätzlich gebe es über 30 reine Unterstützungsmitglieder. Wir sind als Genossenschaft überall da tätig, wo es für die einzelnen Journalisten zu aufwändig wird“, sagt Mitgründer Schwägerl, der seit Jahren für große Medien Wissenschaftsjournalismus betreibt. So sollen technische Schnittstellen zu anderen Veröffentlichungsplattformen eingerichtet werden, was einzelnen Riffreportern potenziell weitere Einnahmen bringt. Zudem will die Genossenschaft ihre Mitglieder bei anderen Institutionen für bezahlte Auftritte als Expert_innen bei Veranstaltungen ins Gespräch bringen.
Mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin hat das schon gut geklappt. Seit November „analysieren jeden ersten Sonntag im Monat Riffreporter im ‚Presseclub für alle‘ mit dem Publikum wichtige und spannende aktuelle Themen“, schreibt die Landeseinrichtung in einer Pressemitteilung. Zudem verlegt ein „Journalist in Residence“ seinen Arbeitsplatz für eine Woche in eine große Bibliothek und erklärt in Veranstaltungen seine Arbeitsweise. Anja Krieger war die Erste, die das gemacht hat, und sie hat danach weitere bezahlte Auftritte in der Bibliothek gehabt. Mit den Honoraren war sie sehr zufrieden, sagt sie.
Finanzielle Starthilfe gab es bisher vor allem von Stiftungen. Weitere Unterstützung ist erwünscht, sei es in Form von Geldgeschenken, oder von „Flatrates“, die Institutionen abschließen können, um Zugang zu allen Korallen zu haben. Auch mehrere Preise hat das Projekt schon bekommen, zuletzt im Sommer den Grimme-Online-Award in der Kategorie „Wissen und Bildung“. Außerdem wurde der „Riff-Fonds“ für gemeinnützige Projekte auf den Weg gebracht.