„Team Wallraff“ durfte filmen

Justitia am Portal Amtsgericht Berlin Neukölln. Foto: Hermann Haubrich

Die Zustände in deutschen Krankenhäusern sind katastrophal. Einen Beleg dafür lieferte das „Team Wallraff“ von RTL mit einer im Januar 2016 ausgestrahlten Reportage. Undercover-Aufnahmen zeigten unter anderem dramatische Personalengpässe in der Notaufnahme und mangelhafte Hygiene in den zum Helios-Konzern gehörenden Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden. Doch statt die Situation zu verbessern, versuchte der private Klinikbetreiber, RTL die Ausstrahlung der Reportage zu verbieten. Ohne Erfolg: Gestern schmetterte das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg die Klage in letzter Instanz ab.

„Das ist ein guter Tag für den aufklärenden, investigativen Journalismus und ein schlechter Tag für all die, die sich aus der Verantwortung stehlen und stattdessen mit ihren Klagen die Pressefreiheit einschränken wollen“, kommentierte der in den 1970er und 80er-Jahren mit Undercover-Recherchen berühmt gewordene Günter Wallraff das Urteil. Auch RTL-Chefredakteur Michael Wulf nahm die Entscheidung „mit Genugtuung“ zur Kenntnis. „Der Einsatz von versteckten Kameras, das zeigt der Urteilsspruch, ist ein anerkanntes Instrument des investigativen TV-Journalismus, sofern die Aufnahmen von einem breiten öffentlichen Interesse sind und gesellschaftliche Missstände dokumentieren.“

Das Hamburger Landgericht hatte das in einem Urteil vom Juni 2017 noch anders gesehen und die versteckten Kameraaufnahmen für unzulässig erklärt. Diese Entscheidung wurde vom OLG nun kassiert. Auch in anderen Fällen – wie bei einer Reportage über Leiharbeit und Werkverträge beim Autobauer Daimler – musste sich RTL gegen Versuche zur Wehr setzen, die Nutzung von Undercover gedrehtem Filmmaterial zu untersagen. Jetzt freut sich der Sender nach zwei Jahren Prozessdauer über ein „wegweisendes Urteil“. Dieses ist rechtskräftig, da das Gericht keine Revision zugelassen hat.

Juristische Auseinandersetzungen begleiten den Kölner Journalisten Wallraff von Anbeginn seiner investigativen Tätigkeit. In den 1980er Jahren erstritt er gegen die Bild-Zeitung ein Grundsatzurteil, wonach die Veröffentlichung versteckt entstandener Aufnahmen erlaubt ist, wenn daran ein „überragendes öffentliches Interesse“ besteht. In Bezug auf die Folgen von Personalnot und Kommerzialisierung in Krankenhäusern – von denen alle betroffen sein können – ist das offenbar auch nach Auffassung des Hamburger Oberlandesgerichts der Fall. Die konkrete Urteilsbegründung steht noch aus.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »

Neues vom Deutschlandfunk

Auch beim Deutschlandfunk wird an einer Programmreform gearbeitet. Es gehe etwa darum, „vertiefte Information und Hintergrund“ weiter auszubauen sowie „Radio und digitale Produkte zusammen zu denken“, erklärte ein Sprecher des Deutschlandradios auf Nachfrage. Damit wolle man auch „auf veränderte Hörgewohnheiten“ reagieren.
mehr »