Themis angenommen

Foto: 123rf/gorosi

Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung: Schritt in Richtung Kulturwandel

Vor fünf Monaten hat in Berlin die erste unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche ihre Arbeit aufgenommen. Getragen wird Themis, die den Namen der griechischen Göttin für Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt trägt, von einem breiten Branchenbündnis aus 17 Einrichtungen der Kultur- und Medienbranche. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt: Das Angebot wird angenommen. Themis will künftig aber auch mehr Präventionsarbeit leisten.

„Im Film- und Fernsehbereich arbeiten überwiegend Kreative, die als kurz befristet Beschäftigte oder selbstständige Mitarbeiter*innen ständig zwischen Filmbetrieben ohne feste Belegschaft oder Betriebsrat hin und her pendeln. Darum sind Beschwerdestellen, wie sie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorsieht, auf betrieblicher Ebene schwer einzurichten“, sagt Cornelia Berger, Leiterin des Bereichs Medien bei ver.di, die zu den Gründungsmitgliedern des Trägervereins von Themis gehört. Arbeitgeber, die nicht in der Lage sind, solche Beschwerdestrukturen zu schaffen, könnten sich, so Berger, an Themis beteiligen und die Fälle, die sie betreffen, dort mit aufnehmen lassen.

Offen für gesamte Medienbranche

So sei Themis bei ihrer Einrichtung zwar zunächst auf den Film-, Fernseh-, Theater- und Orchesterbereich beschränkt gewesen, sei grundsätzlich aber auch für die gesamte Medienbranche, den Musikbereich und andere Kulturzweige offen. „Zwischenzeitlich war zum Beispiel der Berliner Senat an uns herangetreten, hat dann aber doch entschieden, dass eine interne Beschwerdestelle sinnvoller sei“, erzählt Berger. Dabei ging es um die Frage, ob Themis auch Anlaufpunkt für die Beschäftigten der Museen und Gedenkstätten in Berlin sein könne, die Finanzierung der zusätzlichen personellen Ressourcen hätte dann die Stadt übernehmen müssen. Bisher wird die Vertrauensstelle durch Beiträge öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehsender, der Allianz Deutscher Produzenten, der Verwertungsgesellschaft der Auftragsproduzenten und des Deutschen Bühnenvereins finanziert. Außerdem erhält Themis eine wichtige Förderung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters.

Berger ist auch Delegierte der Arbeitnehmervertreter in der Mitgliederversammlung des Trägervereins, der in vier Sektionen gegliedert ist: Verbände wie ProQuote Film, Arbeitnehmervertreter wie ver.di, Produzenten wie die Allianz Deutscher Produzenten und Rundfunkanstalten wie die ARD. Jede Sektion entsendet eine Vertreterin oder einen Vertreter in die Mitgliederversammlung, die mindestens einmal im Jahr stattfindet und zum Beispiel auch den Vorstand des Trägervereins wählt. Der besteht aktuell aus der ProQuote-Film-Vorsitzenden Barbara Rohm und Bernhard F. Störkmann, Justiziar des Bundesverbands Schauspiel (BFFS).

Beratung, Aufklärung und Prävention

„Mit der Gründung von Themis wurde ein erster Schritt auf dem Weg zum Kulturwandel gemacht“, sagt Störkmann. „Wir wollen erreichen, dass in der Art und Weise der Arbeit in unserer Branche ein anderer Umgang gepflegt wird. Und dazu gehört natürlich, dass sexuelle Belästigung, Gewalt, grenzüberschreitendes Verhalten abgestellt werden.“ Deshalb arbeitet Themis auf zwei Ebenen. Zu ihren Aufgaben gehören die Beratung der Betroffenen einerseits und die Prävention und Aufklärung andererseits. „Zum Beispiel wollen wir Unternehmen und Arbeitgeber beraten sowie Verhaltenscodices entwickeln, die allgemeine Akzeptanz in der Branche finden“, so Störkmann. Außerdem sei man gerade dabei, eine Studie zu planen, die mit einer Bestandsaufnahme des Status Quo in der Branche als Anamnese dienen soll, um die Präventionsarbeit künftig strukturiert und zielgenau angehen zu können.

Primäre Aufgabe von Themis ist die Beratung der Betroffenen von sexueller Belästigung oder Gewalt. Bei der Vertrauensstelle melden können sich nicht nur jene Menschen, die aktuell im Film-, Fernseh- oder Bühnenbereich arbeiten, sondern auch, wer dort gearbeitet oder sich gerade beworben hat. „Also auch Personen zum Beispiel, die zu einem Casting gehen, Studenten von Filmhochschulen oder Filmschaffende, die nach der Beendigung eines Projekts auf irgendeiner Filmpremiere von Person X belästigt werden“, erläutert Störkmann. „Die Erfahrung muss im weitesten Sinne im Kontext zu ihrer Tätigkeit stehen.“

Wer Beratung in Anspruch nehmen möchte, kann die Hotline-Nummer auf der Themis-Website anrufen und dann mit einer Juristin oder einer Psychologin sprechen, entweder sofort oder nach Terminvereinbarung in einem persönlichen Gespräch. Bei vielen Betroffenen gehe es dabei, so Störkmann, um die taktisch-strategische Beratung in einer akuten Situation. Heißt: Jemand befindet sich in einer laufenden Produktion, hat Angst den Job zu verlieren und sucht nun Rat, wie mit der Situation umzugehen sei. „Aber es melden sich auch viele Betroffene, die ihre Erfahrungen in den letzten Jahren in sich reingefressen haben und nun die Chance nutzen, das in der Beratung bei Themis aufzuarbeiten.“

Evaluation Ende des Jahres

Die deutlich überwiegende Mehrheit der Personen, die sich an Themis wenden, seien Frauen, sagt Störkmann. Zwar meldeten sich auch Männer, doch handele es sich auch hier um Betroffene männlichen Machtmissbrauchs. Bisher habe man jedenfalls noch keinen Fall gehabt, bei dem ein Mann von einer Frau belästigt worden sei. Dabei zeige sich tendenziell, dass die Betroffenen eher die juristische Beratung in Anspruch nehmen, aber eine aussagekräftige Evaluation, auch was die stärkere Betroffenheit bestimmter Branchen angeht, sei nach dieser kurzen Zeit noch nicht möglich. Störkmann: „Wir glauben, dass sich das über einen Jahreszeitraum noch einmal ganz anders verteilen wird. Im Moment wäre es nicht seriös, Zahlen zu nennen und oder zu kommunizieren, welche Bereiche besonders betroffen sind.“ Eine erste Evaluation für die Öffentlichkeit sei deshalb erst für Ende des Jahres geplant.

Hotline: beratung@themis-vertrauensstelle.de

Telefon-Sprechstunde:

030 23 63 20 20

Mo, Mi, Do 10 – 12 Uhr; Mi, Do: 15 – 17 Uhr

Termine nach tel. Vereinbarung: 030 23 63 20 210

Mo – Fr 10 – 15 Uhr

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Arbeitsklima ist extrem hart“

In der Nahaufnahme für das Jahr 2025 beschäftigt sich Reporter ohne Grenzen (RSF) unter anderem mit der deutschen Berichterstattung zum Gaza-Krieg nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Von der Organisation befragte Journalist*innen sprechen über massiven Druck, Selbstzensur und erodierende journalistische Standards. Ein Interview mit Katharina Weiß, Referentin bei Reporter ohne Grenzen Deutschland.
mehr »

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

Journalismus unter populistischem Druck

Journalismus steht unter Druck. Das machte auch die Würdigung von Maria Kalesnikawa mit dem „Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte“ deutlich. Dieser wurde im Rahmen des „Kölner Forum für Journalismuskritik“ an sie verliehen. Klar wird auch hier: die Branche hadert generell mit ihrer Identität.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »