Tod zwischen Krieg und Frieden

Zum Tod von zwei Kollegen im Kosovo

Das ist das Ende der Reise. Wann geht die Nacht vorbei?

Diese zwei Zeilen schrieb die Lebensgefährtin von Gabriel Grüner in die Todesanzeige. Sie stammen aus einem seiner Songtexte. Als Ausgleich zum Job spielte er in einer Rockband. „Das wird meine letzte Reise auf den Balkan“, hatte Grüner vor dem Abflug den Kollegen vom „Stern“ angekündigt. Am 13. 6. wurden er, Fotograf Volker Krämer und ihr Übersetzer auf der Straße zwischen Pristina und Skopje erschossen. Dabei sollte der Krieg eigentlich schon vorbei sein. Aber der Frieden war und ist auch jetzt noch nicht da.

Drei Tage nach den tödlichen Schüssen auf die „Stern“-Kollegen wurden zwei britische Journalisten und ihr albanischer Übersetzer auf der Straße von Prizren zur makedonischen Grenze in ihrem Auto beschossen. Wie der „Daily Report“ aus Glasgow mitteilt, wurden sie am Kopf, am Arm und in der Schulter getroffen. 1995 töteten kroatische Soldaten den BBC-Rundfunkjournalisten John Schofield. Was kann getan werden, damit Journalisten, die über Kriege berichten, nicht selber zu Opfern werden? Das fragen wir uns gerade als Journalistengewerkschaft. Gabriel Grüner war bei uns Mitglied. Vorschläge, Journalisten und ihre Fahrzeuge besser als Presse zu kennzeichnen, muten eher als naiv, wenn nicht sogar als zynisch an. Als hilfreich können solche Ideen kaum betrachtet werden. Schließlich sind Reporter nicht nur zufällige Opfer von Scharmützeln, in dem sie zwischen die Fronten geraten. Sie werden unter Umständen eben gerade deshalb ermordet, weil sie Medienleute sind. Sie werden umgebracht, damit sie nicht über Verbrechen einer Kriegspartei berichten können. Sie werden auch umgebracht, weil der Haß von Menschen sie zu Objekten der Rache macht. Deshalb nehmen etliche Kollegen aus Vorsicht die Presseschilder gerade weg vom Armaturenbrett. Wie kann also das Risiko vermindert werden? Das läßt sich wohl nur im Einzelfall entscheiden.

Wer voreilig von „Abenteuertum“ faselt, Journalisten mit Hasardeuren gleichsetzt, hat wenig Ahnung von der Situation an Kriegsschauplätzen und der Arbeit vor Ort. Wohl mag es vorkommen, daß ein Kamerateam im Konkurrenzkampf bei der Jagd nach den sensationellsten Bildern die Vorsicht außer Acht läßt. Die Regel ist das nicht. Gabriel Grüner und Volker Krämer galten nicht als Draufgänger, sondern als erfahren, besonnen und umsichtig. Grüner berichtete seit acht Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien. Auch Egon Scotland von der „Süddeutschen Zeitung“, der schon zu Beginn des Krieges in Jugoslawien starb, im Juli 1991 bei Glina in Kroatien, war kein leichtsinniger Rambo, der für eine Story alles riskierte. Er war mit dem Rundfunkjournalisten Peter Wüst unterwegs. Ihr Auto wurde unter Beschuß genommen, obwohl oder gerade weil es deutlich als Pressefahrzeug gekennzeichnet war. Scotland wurde erschossen, als er einer Kollegin zu Hilfe kommen wollte, die sich nicht, wie vereinbart, telefonisch gemeldet hatte. „Aber eigentlich war es nicht die versuchte Hilfestellung, die ihn das Leben kostete“, schrieb die SZ, „sondern der Umstand, daß er sich darauf verließ, daß die internationale Presse als eine kriegsneutrale Instanz akzeptiert würde.“ Gerade das ist noch eher von offiziellen Truppen zu erwarten, nicht aber von paramilitärischen Einheiten oder Heckenschützen.

Volker Krämer hinterläßt eine Frau und zwei Kinder. Gabriel Grüners Freundin ist im sechsten Monat schwanger. Er wollte nach dem Ende der Kosovo-Reportage ein Babyjahr nehmen, so hört man vom „Stern“. Die Aussicht auf den Frieden, so habe Grüner gesagt, sei ein guter Abschluß seiner vielen Jahre Berichterstattung vom Balkan.

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