Die am meisten vernachlässigten Themen
Im Jahr 2003 gab es eine Fülle wichtiger Themen, über die in den Medien unzureichend berichtet wurde. Die Initiative Nachrichtenaufklärung und das Netzwerk Recherche haben am 7. Februar 2004 die Top Ten der vernachlässigten Themen 2003 vorgelegt. Die Untersuchung und Analyse der Themen wurde von Journalisten, Wissenschaftlern und Studierenden der Journalistik vorgenommen.
Auf Platz 1 der Liste setzte die Jury das Thema „Korruption: Deutsche Unternehmen schmieren im Ausland“. Deutsche Unternehmen bestechen Auftraggeber im Ausland. So berichtete etwa die ghanaische Zeitung „Accra Mail“, dass Daimler-Chrysler Offiziere der ghanaischen Streitkräfte bestochen habe. In der Folge tauschte die ghanaische Regierung nicht nur den militärischen Kontaktpartner zu Daimler-Chrysler, sondern auch die gesamte Militärführung aus. Die OECD fordert von Deutschland, wirksamer gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger durch deutsche Firmen vorzugehen. Noch immer gibt es kein bundesweites Zentralregister auffälliger Unternehmen und keine rechtliche Absicherung von Informanten.
Auch die Machtverschiebung nach Brüssel ist wenig transparent (Platz 2 der Liste). Mehr als die Hälfte der Gesetzgebung in deutschen Parlamenten wird inzwischen auf EU-Ebene vorbestimmt. Über diese Entscheidungsstrukturen wie über europäische Themen generell wird in den Medien zu wenig informiert: Nur 0,4 bis drei Prozent der wichtigsten Fernsehnachrichten konzentrieren sich auf die Europäische Union; in den überregionalen Tageszeitungen liegt die Quote unwesentlich höher.
Ebenfalls unzureichend berichteten die Medien über die mangelnde Hochwassersicherheit von Chemieanlagen (3. Platz). Treten bei einer Überschwemmung Chemikalien aus, sind Mensch und Natur besonders gefährdet. Die bisher geltenden Standards stammen teilweise aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts und müssen dringend den gewandelten Klimabedingungen angepasst werden. Obwohl zum Thema Hochwasser viel berichtet wurde, ist auf die besondere Problematik bei Chemieanlagen nur unzureichend hingewiesen worden.
Die weiteren Themen bis zum Platz 10 sind: Greenwash – Unternehmen und ihr ökologischer Deckmantel („Grüne PR“); Auslandsgeschäfte mit Giften und Pestiziden – die Doppelstandards der Industrie; Konsequenzen von Resolutionen der Vereinten Nationen; Sozialhilfeempfänger – Unbekannte Chancen für Selbstständigkeit ; Das verschwundene Stasi-Vermögen; Leistungen für Asylbewerber weit unter Sozialhilfeniveau und fehlende Rechte von US-Besatzungskindern.