230 Medienmitarbeiter getötet während des Irak-Krieges
Mit dem Rückzug der letzten US-Kampftruppen aus dem Irak zog die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Bilanz: Seit dem Einmarsch der US-geführten Truppen im März 2003 wurden in dem Land 172 Journalisten sowie 58 weitere Mitarbeiter von Medien getötet. Zum Vergleich: Während des Vietnam-Krieges von 1955 bis 1975 kamen 63 Journalisten ums Leben.
Der 8. April 2003 bleibt in Erinnerung: An diesem Tag feuerten US-Truppen auf das „Hotel Palestine“ in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Dort wohnten vor allem Mitarbeiter der internationalen Presse. Der „Reuters“-Kameramann Taras Protsyuk und sein spanischer Kollege José Couso, die beide über die Invasion berichteten, überlebten den Angriff nicht.
Das war der vielleicht spektakulärste Angriff auf Journalisten seit dem Einmarsch vor gut sieben Jahren. In Erinnerung bleibt er vor allem, weil ausländische Korrespondenten getroffen wurden. Das kam in den ersten Wochen des Krieges häufiger vor. So auch am 7. April 2003, als der Focus-Redakteur Christian Liebig bei einem Raketenangriff starb. Er war als so genannter „embedded Journalist“ in Begleitung von amerikanischen Soldaten unterwegs und ist der einzige Deutsche unter den 230 getöteten Medienschaffenden im Irak.
Seit 2004 sind fast ausschließlich einheimische Journalisten unter den Opfern; viele von ihnen arbeiteten für internationale Medien. Und anders als in den ersten Wochen des Krieges starben sie nicht durch Raketen oder Querschläger, sondern wurden zumeist Opfer von Anschlägen – nicht selten galten diese gezielt den Berichterstattern. Vor allem staatliche Medien wurden zur Zielscheibe von Gewalt: Sie wurden von militanten oppositionellen Gruppen häufig verdächtigt, im Dienst der US-amerikanischen Streitkräfte zu stehen und deswegen als Verräter oder Feinde betrachtet. Allein 14 tote Journalisten hat der staatliche Fernsehsender „al-Irakija“ zu beklagen. In mehr als 80 Prozent der Fälle kamen die Täter aus den Reihen bewaffneter irakischer Gruppen. Für rund zehn Prozent der Todesfälle waren die internationalen Besatzungstruppen verantwortlich. 93 Prozent der Opfer waren Männer. Erst seit dem Rekordjahr 2007 mit 47 Toten sind die Zahlen der ermordeten Journalisten deutlich rückläufig.
ROG dokumentierte in den vergangenen Jahren zudem die Entführung von mindestens 93 Medienmitarbeitern. 47 von ihnen wurden wieder frei gelassen, 32 ermordet, das Schicksal der anderen 14 Menschen bleibt ungewiss.
Zu der Bilanz nach dem Ende des Krieges gehört auch dies: Der Sturz von Diktator Saddam Hussein bedeutete größere Freiräume für Journalisten und Medien im Irak. Während es vor 2003 nur staatlich kontrollierte Medien gab, ist in den vergangenen Jahren trotz der widrigen Umstände eine erstaunliche Medienvielfalt entstanden. Zahlreiche neue Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen wurden gegründet.
An die Führung in Bagdad appelliert ROG, nicht nur die Pressefreiheit weiter auszubauen, sondern den Schutz von Journalisten auch gesetzlich zu verankern. Ein Kernanliegen der irakischen Regierung sollte es ferner sein, ihre Anstrengungen zur Aufklärung von Verbrechen an Journalisten zu intensivieren. In 99 Prozent der Mordfälle seien die Verantwortlichen bisher straffrei ausgegangen, kritisiert ROG.