Überfüllte Säle

Berliner FU-Studenten organisieren selbst Praxisseminare

Seit Jahren kann das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin nur mit Ach und Krach seinen Betrieb aufrechterhalten. Gegenwärtig sind lediglich drei der acht Lehrstühle des Instituts besetzt. Man behilft sich mit Lehrbeauftragten, Gastdozenten und Vertretungsprofessoren.

Für die rund 2.000 Studierenden des populären Faches bedeutet das nicht bloß, in überfüllten Seminaren zu sitzen. Viele müssen monatelang auf ihre Abschlussprüfungen warten. So verzögert sich der Einstieg ins Berufsleben.
Einen nicht geringen Anteil an der Misere hat offenbar das Präsidium der FU unter Präsident Dieter Lenzen. Dieser baut zurzeit seine Hochschule zur „internationalen Netzwerkuniversität“ um. Hier wird offensichtlich nach dem Prinzip verfahren, je länger ein Lehrstuhl nicht besetzt ist, um so mehr kann gespart werden. Auf jeden Fall werden die ohnehin schon umständlichen Berufungsverfahren immer wieder verzögert.
Wo Geld eingespart wird, da bleibt nicht nur die Ausbildung des Nachwuchses auf der Strecke, sondern auch die Begeisterung für das Thema. Deshalb ergriffen Publizistikstudenten wie Alexander Koenitz bereits zum zweiten Mal selbst die Initiative und organisierten im Sommersemester 2006 ein Praxisseminar zum Thema Medienjournalismus, die ver.di-Bundesverwaltung stellte dafür Räumlichkeiten bereit. Praktiker, die alle auf Honorar und Reisekosten verzichteten, berichteten in dem Seminar aus dem Berufsalltag, die Studierenden hatten die Gelegenheit zu journalistischen Übungen.

Zwischen Abbruch und Aufbruch

Dabei waren die Medienjournalisten Ralph Kotsch (damals Berliner Zeitung), Steffen Grimberg (taz) und Michael Angele (Netzeitung.de), Jan von Frenckell von der Fernsehzeitschrift Funkuhr, sowie, von der Fachpresse, Karin Wenk (Menschen Machen Medien) und Sebastian Esser (V.i.S.d.P.). Zwei Sitzungen leitete Christoph Schultheis von Bildblog.de, der täglich Fehler und Halbwahrheiten der Bildzeitung aufspürt. Die Gegenseite war durch Edda Fels, Pressesprecherin des Springer-Verlags vertreten. Kuno Haberbusch vom NDR plauderte über juristische Auseinandersetzungen, die regelmäßig der Ausstrahlung des Medienmagazins Zapp folgen. Schließlich berichtete die Kommunikationswissenschaftlerin Susanne Fengler über den Stand der Forschung zum Thema Medienjournalismus.
Am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hofft man nun, dass sich die Lage bald entspannt. „Wir befinden uns zwischen Abbruch und Aufbruch, die Zeichen stehen aber eindeutig auf Aufbruch“, sagt Hans-Jürgen Weiß, Professor für angewandte Kommunikationsforschung. Definitiv kommt im Oktober der Kommunikationswissenschaftler Thorsten Quandt als Juniorprofessor mit dem Schwerpunkt Online-Journalismus ans Institut. Auch bei der Professur für Kommunikationspolitik und Medienökonomie besteht die Chance auf baldige Neubesetzung. Angestrebt wird eine stärkere Profilierung des Fachs: „Das Institut wird sich in Zukunft auf Politische Kommunikation konzentrieren. Wir unterscheiden uns damit von allen anderen Medienstudiengängen in Berlin“, so Weiß.

Benjamin Leven, Frieder Bechtel 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »