Wegweisendes Urteil gegen den BND

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Reporter ohne Grenzen hat ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bundesnachrichtendienst erwirkt. So darf der Auslandsgeheimdienst ab sofort keine Verbindungsdaten aus Telefongesprächen der Journalistenorganisation speichern und nutzen.  Das Gericht stellte überdies fest, dass das Fernmeldegeheimnis auch dann verletzt wird, wenn die Metadaten anonymisiert werden. Aus Metadaten geht hervor, wer mit wem wann wie lange von welchem Anschluss und Ort telefoniert.

Der BND speicherte seit 2002 Metadaten aus Telefongesprächen in seinem Analysesystem VerAS und nutzt sie für nachrichtendienstliche Analysen. Die Daten stammen aus der strategischen Fernmeldeüberwachung, der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und dem Austausch mit anderen Nachrichtendiensten.

Reporter ohne Grenzen (ROG) reichte die Klage im Juni 2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein, das in diesem Fall als erste und letzte Instanz zuständig ist. Vertreten wurde die Organisation vom Berliner Rechtsanwalt Niko Härting, der das Urteil als „guten Tag für die Bürgerechte“ feiert. Die Organisation legte vor Gericht dar, dass die Metadaten so umfassend erfasst werden, „dass auch Journalisten erfasst werden können, die nur indirekt und über mehrere weitere Kommunikationspartner zum Beispiel mit einem Terrorverdächtigen in Verbindung gebracht werden können“. In der Verhandlung räumte der BND ein, dass damit Kontaktnetzwerke bis in beliebig weite Verzweigungen analysiert werden könnten.

Soweit die Daten, wie etwa die Telefonnummern, individualisierbar sind, anonymisiert sie der BND vor der Speicherung. Das Bundesverwaltungsgericht betont in seiner Pressemitteilung (https://www.bverwg.de/pm/2017/86), dass die Erhebung, Speicherung und Nutzung von Telefonie-Metadaten ungeachtet der Anonymisierung in das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz eingreift. Dafür gebe es jedoch keine eigene Rechtsgrundlage. Dass die erfolgte Anonymisierung nicht „der verfassungsrechtlich gebotenen Löschung gleichsteht“, wie das Gericht feststellte, ist eine nach Auffassung von Rechtsanwalt Carlo Piltz „datenschutzrechtlich allgemein relevante Feststellung“. Demnach kann sie künftige Verfahren um die Verwendung von Metadaten im Sinne der Bürgerrechte positiv beeinflussen.

ROG kann nun die Speicherung und Nutzung seiner Telefonie-Metadaten auf Grund des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs abwehren. Laut G10-Gesetz darf der BND diese nur erheben, um sie mit förmlich festgelegten inhaltlichen und formalen Suchbegriffen auszuwerten. Eine „darüber hinausgehende Praxis der Speicherung und Nutzung von Telefonie-Metadaten ist von diesem Zweck der Datenerhebung nicht gedeckt“, hält das Gericht fest.

„Durch das Urteil könnten nun auch andere Personen und Organisationen mit demselben Anliegen an den BND herantreten,“ sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“. Er sieht in dem Urteil einen „historischen Erfolg für Reporter ohne Grenzen, weil es uns gelungen ist, dem BND Grenzen aufzuzeigen“. Verfolgte Journalisten aus autoritären Staaten wie Usbekistan oder China müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation mit der Organisation vertraulich bleibt.

Die aktuelle Gerichtsentscheidung bezieht sich allein auf die Verarbeitung der Metadaten in der Datei VerAS, die Telefonie-Daten erfasst. Ein anderer Teil der Klage von ROG stellte jedoch auch auf Metadaten aus Internet- und E-Mail-Verkehr ab. ROG warf dem Geheimdienst vor, im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung ihren E-Mail-Verkehr mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen ausgespäht zu haben. Das wurde vom Gericht im Dezember 2016 als unzulässig zurückgewiesen. Im April 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, die Verfassungsbeschwerde von ROG gegen diese Entscheidung nicht anzunehmen. Zur Begründung erklärte das Gericht, ROG habe nicht glaubhaft genug dargelegt, dass die Organisation selbst von der BND-Überwachung betroffen war. Daher zieht ROG gegen die Massenüberwachung des BND vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Eine entsprechende Beschwerde hat die Organisation Anfang Dezember eingereicht.

 

 

 

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