Gegen Endzeitstimmung
„Die Krise“, schrieb Max Frisch einst, „ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Ein Ratschlag, den Hans-Jürgen Jakobs in seiner engagierten Streitschrift für kritische, unabhängige Medien trotz der verheerenden Lage, in der sich vor allem Tageszeitungen rund um den Globus derzeit befinden, beherzigt. In „Geist oder Geld“ vermeidet er eine fatalistische Endzeitstimmung und sucht stattdessen nach Wegen, die dem gedruckten Qualitätsjournalismus auch über sein (von einer US-Studie) für das Jahr 2040 prognostiziertes Ende hinaus Perspektiven eröffnen.
Ehe Jakobs im Schlusskapitel acht Thesen vorstellt, wie sich fundierter investigativer Journalismus auch im Internetzeitalter sichern lässt, und dabei Gesetzgeber, Schulen, aber auch Verleger und Sendeanstalten in die Pflicht nimmt, liefert er zunächst eine schonungslose Bestandsaufnahme. Obwohl der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung quasi von Amts wegen über den Verdacht eines lebensfernen Internetskeptizismus’ erhaben ist, warnt er vor den Gefahren der naiven Verherrlichung einer Blogger- und User-Content-Kultur und der ungebremsten Informationsverwaltungshoheit einzelner Firmen wie etwa des Suchmaschinenbetreibers Google.
Gleichzeitig erkennt er im Internet die Chance für eine Gegenöffentlichkeit zu drohenden Medienmonopolen, die er an den Beispielen der Medienmacht Berlusconis in Italien, der Sarkozy-Seilschaften in Frankreich und der staatlich kontrollierten Medien in Russland skizziert. Dies kann, so eine von Jakobs zentralen Schlussthesen, jedoch nur im Zusammenspiel von traditionellen und neuen Medien gelingen. Aus dem niedrigschwelligen Informationszugang, den das Internet ermöglicht, zögen die Nutzer nämlich nur dann einen Gewinn, „solange es noch genügend leistungsstarke Angebote gibt, die sie bewerten und vergleichen können. Der digitale Utopismus, dass jeder zum Autor wird und dafür Leser findet, (…) führt am Ende in die Leere.“
Glücklicherweise macht es sich Jakobs nicht so einfach, alleine dem Internet den Schwarzen Peter für das gegenwärtige Redaktions- und Zeitungssterben zuzuschieben. An den Fallbeispielen von Pro Sieben oder der Berliner Zeitung etwa dokumentiert er auch den schädlichen Einfluss von rein profitorientierten Private-Equity-Firmen oder Hedge-Fonds auf die Medienkultur. Wenn die „Vierte Gewalt“ zum Spielball an den globalen Finanzmärkten verkäme, resümiert er, wäre dies tatsächlich eine Katastrophe; nicht nur für die Medienkultur, sondern für die demokratische Gesellschaft insgesamt. Über den komplexen Herausforderungen einer medialen Umwälzung, die er mit der Erfindung des Buchdrucks vergleicht, verliert zwar auch Jakobs bisweilen die klare Linie. Die Schlaglichter, die er auf den deutschen und internationalen Medienmarkt wirft, ergeben dennoch eine sehr anschauliche Topografie der Krise. Und seine acht Thesen liefern zumindest einige diskussionswürdige Ansätze dafür, zu verhindern, dass aus der Krise eine Katastrophe wird.
Hans-Jürgen Jakobs:
„Geist oder Geld – Der große Ausverkauf der freien Meinung“
München: Pendo, 240 Seiten
18 Euro