Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen
Hier wird Alarm geschlagen: „Unsere Demokratie steht am Rande ihrer Existenz“, schreibt Albrecht Müller in seinem neuen Buch „Meinungsmache“. Diese dramatische Feststellung wird die eine und den anderen überraschen; viele werden sie als Panikmache abtun, war unsere Demokratie doch noch nie so gut wie heute. Müller kommt zu einem anderen Ergebnis: „Wir sind in Not. Das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Geschehen in unserem Land wird in weiten Teilen von Meinungsmache und Manipulation bestimmt, dem Herrschaftsinstrument der Mächtigen. Die große Mehrheit des Volkes hat nicht viel zu sagen. … Wenn sich diese Verhältnisse verfestigen, wird man bald nicht mehr sagen können, wir lebten in einer funktionierenden Demokratie.“
Bei solchen harschen Vorwürfen müssen Journalistinnen und Journalisten die Ohren klingen – sind sie doch wesentliche Träger der Informations- und Meinungsfreiheit. Müller ist nicht zimperlich, aber er verurteilt nicht pauschal, er urteilt differenziert: „Die Medien haben als kritische Instanz versagt. Vermutlich folgt dies aus der engen Interessenverflechtung von Finanzindustrie und Medien, von Wallstreet und Madison Avenue, von Gütersloh, Hamburg, Köln, München und Frankfurt. Das Versagen der meisten Medien im Vorfeld und im Kontext der Wirtschafts- und Finanzkrise ist besonders eklatant und gravierend.“
Der Autor beschuldigt nicht nur, er schaut hinter die Kulissen und packt seine Analyse nüchtern an: „Meinungsmache und Manipulation sind seit Jahrzehnten geläufige Erscheinungen. In jüngster Zeit jedoch entfalten diese Kampagnen eine zerstörerische Wirkung.“ Müller untersucht die Zerstörung des Vertrauens in die sozialen Sicherungssysteme, die bewusst betriebene Verarmung des Staates, die Auslieferung der Universitäten an die Wirtschaft, die Kommerzialisierung und Privatisierung der Medien, der Verkehrssysteme und kommunaler Versorgungseinrichtungen. Nicht zuletzt nimmt er die staatliche Konjunkturpolitik aufs Korn, um zu zeigen wie durch eine systematische Irreführung der Öffentlichkeit der Boden bereitet wurde, um Gewerkschaften in ihrer Handlungsfähigkeit zu beschneiden.
In dem Buch werden nicht nur die Kampagnen, die „Informations“-Stränge und ihre Vertreter aufgezeigt. Müller beschreibt auch die Methoden der Meinungsmache und benennt die Akteure, die Strippenzieher, die seriös und im Hintergrund die guten Menschen und sachverständigen Wissenschaftler spielen: von der Bertelsmann-Stiftung bis zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Es ist ein kritisches Buch für kritische Bürger. Das Buch will Lust am Zweifel wecken. Vor allem sollte es all jene, die schon mit der Entwicklung unzufrieden sind, dazu ermuntern, etwas gegen die Kampagnen zu tun.
Albrecht Müller: Meinungsmache
Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen
447 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
19,95 Euro, ISBN: 978-3-426-274458-2