Recherchen um das Steuergeheimnis und die Tricks der Reichen
Die Autoren des ARD-Politikmagazins Monitor, Sascha Adamek (Bild unten) und Kim Otto (Bild oben), sind wahre Meister der Recherche. Müssen Sie auch sein. Denn wollen Journalisten Mächtigen und Besitzenden auf die Finger schauen, wird offiziell gern geschwiegen. Dann ist unkonventionelles Vorgehen gefragt.
Wie ernst der Datenschutz plötzlich genommen wird, wenn es darum geht, etwas über die Vermögenden der Republik zu erfahren: davon können Otto und Adamek einiges berichten! Das Steuergeheimnis der Reichen ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse. Wie schafft man es, trotzdem einen Fuß in die Tür der Finanzverwaltung zu bekommen? Bei der Pressestelle anrufen und offiziell nachfragen, kann man in diesem Fall getrost vergessen. Beamte machen sich strafbar, wenn sie Steuerunterlagen herausgeben. Deshalb ist es wichtig, Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu sammeln. Welche Recherchetricks wenden die Autoren also an? „Glück muss man haben!“, sagt Otto bescheiden. Und zum Beispiel auf einen Millionär stoßen, der Einblick in sein Leben gewährt. „Glück“ will allerdings aufmerksam im Detail beobachtet und aufwändig herbeigeführt sein. Zeit kosten derartige journalistische Recherchen; eine gehörige Portion Unternehmungsgeist sowie gesunde Neugier sind Vorraussetzung. Otto und Adamek haben beispielsweise für ihr neues Buch „Schön reich – Steuern zahlen die anderen“ Millionäre „einfach mal unvoreingenommen kennen gelernt“. Sie haben sie begleitet, ob in die Glamourwelt von Cannes oder in ihre Luxusvilla. Motto: Erst nachdem Vertrauen gewonnen ist, wird ein Blick in die Tiefen der Steuerunterlagen zugelassen. Einer der Gesprächspartner hatte Mietshäuser im Wert von 5 Millionen, seine Einkommensteuer lag bei 2.300 Euro im Jahr. Wie das funktioniert? Seine Häuser kauft er billig, sie verursachen hohe Kosten aufgrund von Reparaturen, für Investitionen muss er neue Schulden aufnehmen. All das gegen die aufgrund der Wertsteigerungen wachsenden Mieteinnahmen gegengerechnet, bringt letztlich einen satten Gewinn. Und das Schönste: „Was der so alles von seiner Steuer absetzen konnte, hat uns umgehauen“, sagt Otto. Manchmal hilft Kollege Zufall bei der Recherche, aber dafür ist ganzheitliches Interesse am Informanten wichtig. Beispiel: Mit einem Millionär aus Königstein sind Otto und Adamek ins Luxushotel Interconti in Frankfurt gegangen. Hier hatte er einen Fitnesstrainer für Reiche getroffen, weil er Sport machen wollte. Dann kam die Frage: Kann ich das von der Steuer absetzen? Der Fitnesstrainer sah darin kein Problem: Das sei doch Coaching für den Millionär.
Um aus Ämtern Informationen zu erhalten, hilft es wenig, Beamte mit skandalösen Fakten zu konfrontieren und zu provozieren. Dennoch haben die Autoren folgendes erfahren: Viele Finanzbeamte, Steuerfahnder und Betriebsprüfer sind frustriert und vollkommen überarbeitet. Haben Finanzbeamte zu viele Steuer-erklärungen von Selbstständigen auf dem Tisch gibt es mitunter Anweisungen: „Setzen Sie sich die Sonnenbrille auf, und übernehmen Sie die Daten einfach ungeprüft aus den Steuererklärungen.“ Behördenintern werde das „grüne Woche“ genannt oder „Durchwinkwoche“. In Mecklenburg-Vorpommern habe es in einer Anweisung geheißen, die Steuerpflichtigen sollten möglichst wenig behelligt werden – auf Belege sollte verzichtet und Kontrollen vermieden werden.
Die Rechercheure sind durch ganz Deutschland gefahren und haben Beamte in unterschiedlichen Städten getroffen. Natürlich konnten sie Quellen nicht konkret nennen, vieles wurde zugespielt: In München gab es eine interne Untersuchung über die Effektivität der SteuerfahndungsstelleI der Stadt. Deren Ergebnis lautete, 90 Prozent Meldungen und Anzeigen gegen Steuerpflichtige habe wegen Personalmangels nicht nachgegangen werden können. Diese Steuerfahndungsstelle ist auch für den Starnbergersee zuständig, wo bekanntlich viele Millionäre wohnen. Steuerfahndung bräuchten die nicht zu fürchten, so das Fazit. Sinnvoll ist bei derartigen Recherchen mitunter, die Pressestelle eben gerade nicht zu informieren. Nur inoffiziell sind Finanzbeamte, Steuerfahnder und Betriebsprüfer mitunter bereit, ihre Arbeitsplätze zu zeigen. Und so kamen Adamek und Otto aus dem Staunen nicht heraus. Die Ausstattung vieler Behörden sei katastrophal, Computerprogramme seien veraltet, Finanzämter untereinander nicht vernetzt. Viele Beamte hätten nicht einmal einen simplen Internetanschluss zur Überprüfung von Angaben. So könne die Höhe der Kilometerpauschalen nicht gegen gecheckt werden.
Wichtig ist auch die Vielfalt von Quellen: Mitarbeiter von Großbanken plaudern über den Service, wie man Millionären hilft, ihr Geld ins Ausland zu bringen: „Ruft einer an, und will 100.000 in die Schweiz bringen, wird ein Kunde gesucht, der 100.000 wieder in Deutschland haben will. So muss das Geld nicht über die Grenze gebracht werden.“ Steuerberater berichten über legale und illegale Steuertricks. Unternehmer erklären ihr Business mit steuerfreien Einnahmen, die sie über Briefkastenfirmen in Lichtenstein und anderen Steuerparadiesen laufen lassen. Die Rede ist von lohnenswerten Bootsfahrten über den Bodensee in die Schweiz – ohne Kontrolle! Zöllner packen aus, wie hohe Summen in Kosmetikkoffern oder Windeln über Grenzen befördert werden. Für Otto und Adamek gehören solche Recherchen zum journalistischen Handwerk. Im guten alten Stil des Egon Erwin Kisch bringen sie dabei spannende und skurrile Geschichten ans Tageslicht. Gründliche Recherche ist eine hochpolitische Angelegenheit!
Sascha Adamek und Kim Otto
„Schön reich – Steuern zahlen die anderen“,
Heyne-Verlag, München 2009,
272 Seiten, 17,95 Euro