Editorial: Freiheit, Kritik, Balance

Der Computer ist kaum noch wegzudenken aus dem Arbeitsleben: nicht nur dem journalistischen, sondern auch aus dem Alltag vieler Menschen. Zunehmend mehr – und nicht ausschließlich junge – Leute, suchen im Netz „gelegentlich Nachrichten des Weltgeschehens“ (60 Prozent) und regionale oder lokaler News (50 Prozent), so jüngste Forschungsergebnisse.

Informationsmedien kommen nicht mehr umhin, eine eigene Website zu betreiben. Aber wie gelingt es Medienhäusern, das Medium Internet zum Erhalt der eigenen Marke zu nutzen und gleichzeitig mit all seinen technischen Möglichkeiten als neue Erlösquelle der multimedialen Zukunft auszubauen? Wenn Inhalte zu „Content“ werden, bedarf es zudem qualifizierter Journalisten, die als „Navigatoren“ oder gar „Anima­teure“ wirken (mehr …).
Die Karikatur als redaktionelle Form der Meinungsäußerung ist in den letzten Wochen aufgrund der dänischen Zeichnungen über den Propheten Mohammed in die Schlagzeilen geraten. Ein Interesse, wie es lange nicht für dieses beißende und offenbar sehr wirksame Printformat und auch nicht für ihre Macher gab. Auf der einen Seite „Bannerträger der Pressefreiheit, auf der anderen Syno­nym des Bösen schlechthin“ (Rainer Hach­feld). Hastige Bewertungen trugen mitunter den Beigeschmack der „Alleswisser“, Schweigen (von Seiten der dju etwa) verwirrte oder enttäuschte.
Aber: „Was darf die Satire?“ Kurt Tucholsky darauf: „Alles.“ Übertreibt die Satire? „Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten“, so der Feuilletonist. Und weil das so ist, rüttelt eine gelungene Karikatur auf, soll sie entflammen: Den Meinungsstreit! Nicht Häuser! Sich damit verbal auseinander zu setzen, gehört zu den Grundsätzen demokratischer Gesellschaften. Wer jedoch derlei Meinungsäußerungen instrumentalisiert, für fundamentalistische Machtspiele oder auch um die Pressefreiheit einzuschränken, zeigt, welch weiten Weg zur zivilisierten Gesellschaft er noch vor sich hat. So geschehen im Jemen, wo Zeitungen geschlossen wurden, Redakteure „wegen Beleidigung des Religionsstiftes“ im Gefängnis sitzen und einige Imame sogar die Todesstrafe für die Chefre­dak­teure verbotener Zeitungen fordern!
Aber auch in Deutschland stand die Karikatur, besonders die „politische“ schon mehrfach vor Gericht – zu Zeiten von Franz-Josef Strauß etwa. (mehr…)Religionskritik ist hierzulande nicht immer erwünscht. Und bis heute gehen zum Beispiel Staatsanwälte mit fadenscheinigen Begründungen gegen antifaschistische Zeichnungen vor, in denen das Hakenkreuz in den Papierkorb wandert oder anderweitig klar erkennbar zerstört wird. Niemand, kein Staat, hat offenbar das Monopol auf die „wahre“ Demokratie. Jeder sollte seine Balance zwischen verschiedenen Grundrechten wie Presse- und Meinungsfreiheit, Schutz der Persönlichkeit und Religionsfreiheit suchen und finden.

Weitere aktuelle Beiträge

Mehr Vielfalt statt Einfalt im TV

Die vielfach ausgezeichnete Britcom „We Are Lady Parts“ über eine islamische Mädchen-Punkband in London ist eines der vielen Beispiele von „Diversity“-Formaten, die in der Coronazeit einen regelrechten Boom erlebten. Die neue zweite Staffel der Comedy war vor kurzem für den renommierten Diversify TV Awards nominiert. Deutsche Anwärter waren diesmal nicht vertreten.
mehr »

Rassismus in den Kommentarspalten

Wenn Redaktionen in ihren Social-Media-Posts mit reißerischen Fragen und Generalisierungen arbeiten, kommen aus der Leserschaft häufiger rassistische Kommentare als wenn die Journalist*innen Kontext liefern. Das ist ein zentrales Ergebnis des Monitoring-Projekts „Better Post“, das die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) im September 2021 mit ihren Partnern im „Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“ starteten, denn: „Rassismus darf kein Clickbait sein“.
mehr »

Ressourcen für Auslandsjournalismus

Der Auslandsjournalismus in Deutschland steckt in der Krise. Die Zahl der Korrespondent*innen nimmt ab, Freie arbeiten unter zunehmend prekären Bedingungen. So geraten ganze Weltregionen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Journalist*innen plädieren darum für eine andere Form der Finanzierung. Die gute Nachricht: Das Interesse des deutschen Publikums ist da. Dass die Menschen wissen wollen, was in anderen Ländern los ist, beweist nicht zuletzt das ARD-ZDF-Jugendangebot Funk.
mehr »

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »