Editorial: Sich die Freiheit nehmen

Die Diskussion um Innere Presse (Medien)freiheit ist genau genommen ein alter Hut. Ihr Ursprung reicht bis in die frühen Siebziger zurück. In dieser Zeit hatte die Statutenbewegung ihren Höhepunkt. Eines der ersten und für die damalige Zeit fast revolutionär zu nennenden Redaktions­statute wurde 1969 im Mannheimer Morgen aus der Taufe gehoben. Es gilt bis heute, musste jedoch immer wieder verteidigt werden. Auch die linke selbst bestimmte und selbst verwaltete Presse hat mit ihren Erfahrungen von ­Anbeginn an diese Debatte geprägt.


Heute winken die alten Hasen der Branche bei dem Wort Redaktionsstatute schnell ab: Ach, das wieder mal! Gebrannte Kinder eben. Und doch haben sich im Laufe der Jahrzehnte eine Reihe von Redaktionen in Print- und Funkmedien um ein Sta­tut bemüht. In der Folge sind Re­dak­teursräte und Redaktionsausschüsse gewählt worden, die bis heute arbeiten. In einigen Redaktionen wurden diese Statuten Teil der Arbeitsverträge. Redakteurinnen und Redakteure als wichtigster Träger der Pressefreiheit haben sich mit ihrer Interessenvertretung, der Deutschen Journalis­tinnen- und Journalisten-Union, für ein bundesweites Presserechtsrahmengesetz engagiert. Erfolglos, da das Vorhaben von der derzeitigen Bundesregierung mit der Föderalismusreform nun endgültig ad acta gelegt worden ist. Was bleibt, ist der wachsame Blick auf die Landesmediengesetze, wo hier und da Ansätze für innere Pressefreiheit aufflammen wie etwa in Schleswig-Holstein. Wo aber auch „Reformer“ mitunter rückwärtsgewandt agieren.
Trotz alledem oder gerade deshalb hat die dju das Thema Innere Medienfreiheit auf der Agenda und als Thema ihres 20. Journalistentages gewählt. Als Instrument der Qualitätskontrolle hat es an Bedeutung und Aktualität nichts eingebüßt. Im Gegenteil: Die zunehmende und berechtigte Kritik an der journalistischen (Un-)Qualität in Deutschland, zum Beispiel bei der Trennung von Werbung und Journalismus, macht dies dringend notwendig (Artikel). Dass Redaktionsstatute dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen können, zeigt die jüngste Entwicklung im Berliner Verlag nach der Übernahme durch Montgomery. Dort hat eine selbstbewusste und gewerkschaftlich gut organisierte Belegschaft ein ­Statut und einen neuen Tarifvertrag erstritten, die eine sehr gute Grundlage für künftige Mitbestimmung bieten. Dabei ist entscheidend: „Ein Statut“, so Verhandlungsführer Martin Dieckmann, „muss praktisch gelebt werden. Innere Pressefreiheit wird nur gewährt, wenn man sie sich nimmt.“ (Artikel)
Jenseits von Statuten muss mit Blick auf das sich verändernde Berufsbild des Journalisten ( Artikel) sicher auch über andere Formen der inneren Medienfreiheit und der Belebung einer Qualitätsdiskussion in den Redaktionen nachgedacht werden. Nicht zuletzt sind kritische Kommentare in neuen Medien wie Blogs – mitunter von professionellen Journalisten wie bildblog.de – dabei hilfreich.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »

Erziehung zur digitalen Mündigkeit

Wie kann man Kinder und Jugendliche bei der Social-Media-Nutzung vor Gefahren wie Cybergrooming oder -mobbing schützen, ohne ihnen Teilhabe- und Befähigungschancen in der digitalen Welt zu verbauen? Die aktuelle Debatte wird hitzig geführt. Antworten reichen von einem Verbot für Tiktok, Instagram und Co für unter 16-Jährige bis hin zur Stärkung von „digitaler Mündigkeit“ der User und rechtlicher Regulierung der Anbieter.
mehr »

EU ringt um digitale Regulierung

Trump droht mit Sanktionen. Denn einige US-amerikanische Online-Plattformen werden künftig etwas weniger Gewinn machen als bisher, wenn sie sich um Content-Moderation kümmern müssen. Schließlich will die EU Youtube, Instagram, X und andere verpflichten, illegale Inhalte von ihren Plattformen zu entfernen und ihre Funktionsweisen transparenter zu machen. Diese Eingriffe würden Sanktionen zufolge haben, verlautbarte der US-Präsident. Sanktionen als Preis dafür, die Orte gesellschaftlicher Auseinandersetzung weniger hasserfüllt zu gestalten?
mehr »

Die Krux mit der KI-Kennzeichnung  

Soziale Netzwerke wie Instagram oder TikTok werden mit Inhalten geflutet, die künstlich erschaffen oder manipuliert wurden. Für Nutzer*innen ist es mitunter kaum möglich zu unterscheiden, was „echt“ ist und was nicht. Waren Fälschungen in Zeiten, als generative KI nicht allgemein zugänglich war, zumeist aufwändig, lassen sich heute sekundenschnell realistisch wirkende Bilder und Videos erzeugen.
mehr »