Editorial: Gesetze im Realitätscheck

Der Gesetzgeber ist gefordert – mitunter ein umstrittener Ruf nach mehr Regulierung, die wiederum häufig notwendig ist. Nehmen wir das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum „Recht auf Vergessen”. Danach muss der Suchmaschinenbetreiber auf Antrag persönliche, inkriminierte Daten löschen.

Dafür wurden ihm von Seiten des Gerichts nur wenige Kriterien an die Hand gegeben, und er allein entscheidet. Was häufig hinten runter fällt, ist die Meinungs- und Pressefreiheit – ein Grundrecht ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dem die Richter den scheinbar absoluten Vorrang eingeräumt haben. Hier sollte nachjustiert werden. Nun gibt es den Vorschlag der Bundesregierung, zügig eine Schlichtungsstelle für Löschanträge einzurichten.

Wie langwierig Gesetzvorhaben sein können und wie kompliziert es zuweilen ist, sie zu einem praktikablen, wirkungsvollen Ergebnis zu führen, zeigt die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages in Deutschland. Nach dem Fiasko von 2010 gibt es derzeit einen weiteren Versuch, den Jugendmedienschutz zu modernisieren, ihn der digitalen Welt anzupassen. Kein leichtes Unterfangen vor dem Hintergrund, „dass sich das tatsächliche Gefährdungspotenzial der Jugend zunehmend ins Internet verlagert”. Zudem erschwert ein kaum zu überblickender Instanzendschungel offenbar die Wirksamkeit von Verbotsmechanismen. Und Skeptiker fragen berechtigt, ob die „Kultur des Verbietens” nicht zunehmend von „einer Kultur der Eigenverantwortung” abgelöst werden sollte.

Wie entscheidend die genaue Wortwahl in einem Gesetz ist, zeigt sich im Streit um den gesetzlichen Mindestlohn und etwaige Ausnahmen. Das Gesetz – von ver.di mit angestoßen und bis zur Verabschiedung kämpferisch befeuert – beinhaltet nunmehr die Formulierung, dass nur Zeitungszusteller vom Mindestlohn bis 2017 ausgenommen sind, die „ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften” zustellen. Schlussfolgerung von ver.di: Die meisten der rund 300.000 Zeitungzusteller in Deutschland haben ab 2015 Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Denn sie tragen auch Werbematerial und Postsachen aus.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Faktenbasiert, aufklärend, machtkritisch

Der Journalist Georg Restle ist seit 2012 Leiter und Moderator des Politmagazins Monitor in der ARD. Der studierte Jurist tritt für einen „werteorientierten Journalismus“ ein. Mit M sprach er über Fakenews, Fehlerkultur und journalistische Resilienz.
mehr »

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »

Erziehung zur digitalen Mündigkeit

Wie kann man Kinder und Jugendliche bei der Social-Media-Nutzung vor Gefahren wie Cybergrooming oder -mobbing schützen, ohne ihnen Teilhabe- und Befähigungschancen in der digitalen Welt zu verbauen? Die aktuelle Debatte wird hitzig geführt. Antworten reichen von einem Verbot für Tiktok, Instagram und Co für unter 16-Jährige bis hin zur Stärkung von „digitaler Mündigkeit“ der User und rechtlicher Regulierung der Anbieter.
mehr »