„Spiel der Träume – Die wahre Geschichte eines falschen Teams“

Eine Schwejkiade aus Sri Lanka

„Nationalmannschaft verschwunden – Ein angebliches Handballteam aus Sri Lanka auf dem Weg nach Westen“, meldet die FAZ am 15. September 2004. „Wo ist die Handballnationalmannschaft von Sri Lanka? Das ist die Frage, die sich in Wittislingen, Landkreis Dillingen, die Menschen stellen“, berichtet aufgeregt die Nachrichtensprecherin von Sat.1. Und das olympische Komitee Sri Lankas antwortet auf Anfrage: „Wir hatten nie eine Handballmannschaft.“ Das gelungene Regiedebüt des Produzenten der britischen Sozialkomödie „Ganz oder Gar nicht“ Uberto Pasolini beruht auf der wahren Begebenheit dieser geradezu abenteuerlichen „Schwejkiade“. Der Neffe des legendären Luchino Visconti entdeckt hinter der Anekdote einen Komödienstoff, dessen politische Dimension samt seiner Doppeldeutigkeit des Tragischen und Komischen ihn reizt. Seine feinfühlige Ethno-Comedy „Spiel der Träume“ schafft es, den Ausgegrenzten – eine Stimme zu geben, die sie nicht auf ihren Opferstatus reduziert.

„Bavaria – that´s where I want to go“, verkündet ein Plakat in der Deutschen Botschaft in Colombo. Auf einer sattgrünen Wiese sitzt ein kleiner Junge mit Trachtenhut und Lederhose. Strahlend winkt der bayerische Bub dem Betrachter zu. Die beiden Freunde Manoj (Gihan de Chickera) und Stanley (Dharmapriya Dias) haben dafür keinen Blick. Gerade lehnt der blonde Beamte ihren Visa-Antrag, für den sie ihr letztes Geld opferten, ab.
Der Traum, im Westen eine gutbezahlte Arbeit zu finden, scheint endgültig geplatzt. Als Stanley jedoch zufällig in der Tageszeitung einen Aufruf des Deutschen Handballbundes findet, naht Rettung. Für ein Turnier in Bayern wird ein Team aus Sri Lanka gesucht. Nach dem Motto „ Not macht erfinderisch“ schmiedet das ungleiche Duo einen wagemutigen Plan. Und tatsächlich hält Straßenverkäufer Stanley kurz darauf eine Einladung aus Deutschland in Händen. Jetzt fehlen nur noch die Mitglieder ihrer angeblichen Handballmannschaft, um die Festung Europa zu stürmen.
Pasolini nimmt sich Zeit Geschichte und Figuren seines sympathischen Schelmenstücks vielschichtig und mit subtilem Humor zu entwickeln. Tief taucht er ein in den Kosmos seiner Protagonisten, die Slums von Colombo, die Anstrengungen des Alltags und die Chancenlosigkeit auf ein besseres Leben im eigenen Land. Dabei beschreibt der gebürtige Römer die Verhältnisse mit klaren, unsentimentalen Bildern ohne jegliche verklärende Exotik oder gar Armutspornografie. Nicht zuletzt durch seine überzeugenden Laiendarsteller gelingen ihm dokumentarische Einblicke. Ganz im Stil der großen italienischen Neorealisten schafft er es, ein authentisches Porträt mit lebensnahen Charakteren zu entwerfen.
Notiz am Rande:
Bei den zweiwöchigen Dreharbeiten in Deutschland verschwand einer der Laiendarsteller. Nicht ohne jedoch seine Hotelrechnung samt Extras ordnungsgemäß zu bezahlen. Und auch vom angeblichen Handballteam fehlt immer noch jede Spur.

Filmdaten

Sri Lanka/D/I 2008.
Regie: Uberto Pasolini.
Darsteller: Dharmapriya Dias, GihanDeChickera, Namal Jayasinghe, Dharshan Dharmaraj, Sujeewa Priyalal u.a.
111 Min.
Kinostart: 7. Mai 2009

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »