Ein Filmprojekt über das Leben junger Leute in Duldung
Die Frage, wie die Bundesrepublik mit Menschen umgeht, die kein Aufenthaltsrecht besitzen, obwohl sie seit vielen Jahren in Deutschland leben, beherrschte im vergangenen Herbst die mediale Öffentlichkeit. Bewegten sich die so genannten „Geduldeten“ all die Jahre unsichtbar am Rande der Gesellschaft, wurden sie nun Gegenstand einer kontroversen Berichterstattung.
Dies nahm das interkulturelle Medienprojekt „Mokala“ aus Hamburg zum Anlass, um die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen. Unterstützt von „Aktion Mensch“ bietet „Mokala“ Jugendlichen von „zwischen den Kulturen“ seit drei Jahren eine Internet-Plattform, um sich über Liebe und Musik, Sport und ein wenig Politik auszutauschen. In den Redaktionsgruppen, die sich aus Hamburger Schulklassen zusammensetzen, und unter den Teilnehmern der Videoworkshops begegneten den Initiatoren Gesa Becher und Frank Langner immer wieder Jugendliche ohne Aufenthaltsrecht. Das brachte sie auf die Idee, mit diesen Jugendlichen einen Film über ihren Alltag in Duldung zu drehen.
Über ein halbes Jahr lang erzählten sechs Jugendliche aus Afghanistan, Indien, Iran und Guinea Geschichten über Liebe, Freundschaft, über ihre Identität und ihre Träume – gefangen im „goldenen Käfig“, wie die 18-jährige Afghanin Tanya ihr Leben beschreibt. „Hier hast du alles: Essen, Trinken, du kannst ausgehen und Spaß haben. Aber du bist nicht frei. Du darfst Hamburg nicht verlassen und musst in einem Wohnheim leben.“ Wie kann man das den Freunden rüberbringen? Vergrault man damit nicht die neue Freundin? Die Kamera war immer dabei. „Duldung heißt: keine Arbeit, keine Ausbildung, nichts machen können und nicht wissen, was wird.“ So bringt die Gruppe, die sich den Namen „ungeduldig“ gegeben hat, das Leben in der Warteschleife auf den Punkt. „Ich kann meine Träume steuern, aber meine Realität nicht. Dabei sollte es umgekehrt sein“. – Poetische Worte für einen knallharten Widerspruch. „Sie haben Drehbücher im Kopf, weil sie so viel gesehen haben“, sagt Gesa Becher. „Bei Mokala bieten wir ihnen ein Forum, um sich auszuprobieren und diesen Zustand für andere sichtbar zu machen.“ Die Dreharbeiten sind ein Prozess, der 25-minütige Kurzfilm hält diesen fest. Sushil aus Kaschmir hat bereits Erfahrungen als Videofilmer. Durch dieses Filmprojekt hofft er, seinem Traum, beim Film zu arbeiten, näher zu kommen. Gleichzeitig sucht er vor der Kamera einen Weg, seine zwei Welten – die des Flüchtlings einerseits und des jungen Mannes, der mit seinen Hamburger Freunden einfach nur das Leben genießen will, andererseits, – zusammen zu bringen. Chander, der als Kind ohne Familie von Afghanistan nach Deutschland geflüchtet war, lässt die Kamera Zeuge seines inneren Zwiespalts werden: Hätte er damals auf das Angebot des Mannes, ihn zu adoptieren, eingehen sollen? Der Preis wäre gewesen, alles für den Mann tun zu müssen und der Lohn: vielleicht ein ganz normales Leben. Tanya traut sich am Ende des Filmes erstmals selbst vor die Kamera.
Viel hat sich in ihnen und um sie herum während der Dreharbeiten verändert. Sie haben ihre Geschichten erzählt und werden sie weiter erzählen. Als Multiplikatoren sollen sie ihren Film in Schulen vorstellen und mit den Schülern diskutieren. Das Bleiberecht ist gekommen und Chander und Sushil sind auf Arbeitssuche, um dieses zu beantragen. Tanya wird es nicht erhalten. Trotzdem hofft sie, dass sie nach ihrem Abitur im Herbst an der Hamburger Universität Chemie studieren darf.
Der Film „ungeduldig“ hatte im Februar in Hamburg Premiere. Die Zukunft dieser Jugendlichen ist offen. Fortsetzung folgt.
Infos: www.mokala.de