Die IG Medien richtet einen Zukunftsfonds für Projekte ein

Heftige Debatte über den Streikfonds

Aus den finanziellen Zuführungen zum Streikfonds der Industriegewerkschaft Medien können künftig bestimmte Mittel für zukunftsweisende Projekte – beispielsweise zur Mitgliederwerbung – verwendet werden. Dies beschloß der Gewerkschaftstag in Würzburg mit großer Mehrheit bei einigen Dutzend Gegenstimmen. Vorausgegangen war eine heftige Debatte, an der sich 32 Diskussionsrednerinnen und -redner beteiligt hatten.

Bislang werden fünf Prozent der Beitragseinnahmen in den Streikfonds gezahlt. Der Hauptvorstand hatte nun vorgeschlagen, dies zwar grundsätzlich so weiterzuführen, aber bei Überschreiten eines Fondsvermögens von mindestens 10 Mio. DM aus dem Zuwachs jährlich 500000 DM (bei 12 Mio. DM Vermögen 1 Mio. DM, bei 15 Mio. DM Vermögen 1,5 Mio. DM) in einen Zukunftsinvestitionsfonds zu überführen, dessen „Mittel für Projekte und Sonderinvestitionen verwendet werden, die die Mitgliederbasis erweitern können“.

Vorstandsmitglied Gerd Nies begründete das Ansinnen das Hauptvorstands: „Wir sichern unsere Kampffähigkeit nicht nur durch einen gefüllten Streikfonds, sondern zusätzlich dadurch, daß wir wieder mehr neue Mitglieder gewinnen.“ Rainer Moeckel (Hamburg) vom Bundesvorstand der Fachgruppe Druckindustrie und Zeitungsverlage ergänzte: „In der Finanzsituation der IG Medien ist kein Geld da für notwendige Zukunftsinvestitionen.“ Ein Mißbrauch des Zukunftsfonds durch den Hauptvorstand sei ausgeschlossen. Rolf Rzeski (Bielefeld) wies auf die massiven Mitgliederverluste seiner Fachgruppe Papier- und Kunststoffverarbeitung hin und stellte fest, daß es diese Verluste seien, die „bei uns an die Substanz gehen und unsere Streikfähigkeit gefährden“. Rzeski: „Ein voller Streikfonds nützt uns gar nichts, wenn wir keine streikbereiten Mitglieder haben.“

Franziska Hundseder (Karlsruhe), neue Bundesvorsitzende der Fachgruppe Journalismus, erklärte: „Es geht um unsere Zukunft. Wenn wir für neue Projekte kein Geld zur Verfügung stellen, dann machen wir einen Schritt hin zum gewerkschaftlichen Bestattungsverein.“ Werner Ach, Kameramann beim ZDF und IG-Medien-Senderverbandsvorsitzender, zeigte als Alternativen zum Vorschlag des Hauptvorstandes auf, daß entweder die Beiträge erhöht oder die Beschäftigten der IG Medien weiter belastet werden müßten. Klaus-Peter Hellmich (Wuppertal), Bundessprecher der Fachgruppe R/F/AV-Medien, wies auf den niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad (drei bis fünf Prozent) in Bereichen wie dem privaten Rundfunk und den privaten audiovisuellen Dienstleistern hin und plädierte für Annahme des Antrags.

Thomas Deutzmann, Drucker aus Hamburg, befürchtete hingegen eine falsche Signalwirkung nach innen und außen. Ernst Heilmann, Drucker und Betriebsratsvorsitzender bei Springer Offset in Ahrensburg, erinnerte daran, daß der Streikfonds vor einigen Jahren geschaffen worden sei, „weil wir nicht die Kraft hatten zu streiken“. Jetzt solle der Fonds „angeknabbert“ werden, „weil wir die normale Arbeit einer Gewerkschaft nicht mehr leisten können.“ Bernd-Ingo Drostel (Berlin) meinte: „Wenn wir ans Tafelsilber gehen, haben wir die nächsten Austritte. Die beste Mitgliederwerbung ist ein erfolgreicher Streik.“ Constanze Lindemann, Offsetdruckerin und Berliner Bezirksvorsitzende der IG Medien, fand die ins Auge gefaßten Projekte (Werbekampagne für die Papierverarbeitung und Aufbau gewerkschaftlicher Strukturen im Privatfunk) „völlig nebulös“. Der Antrag des Hauptvorstandes sei „Ausdruck von schlechter Arbeit und nichts anderes“.

Die große Mehrheit der Delegierten ließ sich schließlich von den Befürwortern des Hauptvorstandsantrags überzeugen und stimmte für die Einrichtung des Zukunftsinvestitionsfonds, dessen Mittel keinesfalls für laufende Ausgaben verwendet werden dürfen, insbesondere nicht für Ausgaben des laufenden Personalhaushalts, sondern nur für Projekte und Sonderinvestitionen, „die die Mitgliederbasis erweitern, zur Gründung von Betriebs- und Personalräten führen oder Arbeitskampffähigkeit in bisher nicht erschlossenen Bereichen herstellen“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »

Ver.di fordert Big-Tech-Regulierung

Durch die problematische Verquickung von politischer, medialer und ökonomischer Macht sind die dominierenden Online-Plattformen längst nicht mehr neutrale Mittler diverser Inhalte, sondern werden selbst zum kuratierenden Medium. Der Raum für Machtmissbrauch in Form politischer Einflussnahme oder Desinformation ist immens. Um die Resilienz unserer Demokratie vor einer autoritären Übernahme zu stärken, besteht akuter Handlungsbedarf.
mehr »

Landtage beschließen Rundfunkreform 

Der Sächsische Landtag hat heute positiv über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgestimmt. Wegen der Minderheitsregierung im Landtag Sachsen war die Mehrheitsfindung bis zuletzt ungewiss. Durch die Zustimmung aus Sachsen gilt es nun als unstrittig, dass der Reform-Staatsvertrag (7. Medienänderungsstaatsvertrag) in Kraft treten kann. Ver.di kritisiert die "Einigkeit in der falschen Sache".
mehr »

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »