Die Jongleurin

Bettina Grönewald ist Betriebrätin bei dpa in Düsseldorf

Wohl niemand möchte gerne mit einem saugenden Parasiten verglichen werden. Passiert es trotzdem, so deutet das meistens auf ein zerrüttetes Verhältnis hin. Abgesehen davon, dass es gute Gründe geben mag, einen anderen als Zecke zu titulieren, so ist der Gemeinte doch in aller Regel beleidigt, und das mit Recht. Bei Bettina Grönewald liegt die Sache anders. Sie bemüht den Vergleich nicht, um einen unliebsamen Gegner zu beschreiben. Sie meint sich selbst. „Ich bin wie eine Zecke“, sagt die 43-Jährige, zeigt ihre Krallen und lacht vergnügt.

Schluss mit Zweiklassengesellschaft

Wer sich mit Bettina Grönewald anlegt, hat zwar nicht von vornherein verloren. Aber seine Chancen stehen nicht besonders gut. „Ich bin zäh. Wenn ich etwas für richtig und wichtig halte, beiße ich mich fest, und ich lasse nicht locker, bis ich es erreicht habe“, sagt die Redakteurin und Betriebsratsvorsitzende der dpa in Nordrhein-Westfalen. Ihr Ziel: Sie will bei der Nachrichtenagentur keine Pauschalisten mehr. Dafür kämpft sie, auch als stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende. „Es muss endlich Schluss sein mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Redaktion.“ Denn Pauschalist zu sein bedeutet: Pflichten, aber kaum Rechte zu besitzen, dabei schlecht bezahlt zu werden und sozial nicht abgesichert zu sein. „Mir ist deshalb eine halbe, aber feste Redakteursstelle lieber als zwei Pauscha­listen“, so Grönewald.
Bettina Grönewald weiß, wovon sie spricht. Sie arbeitete selbst dreieinhalb Jahre als Pauschalistin im dpa-Büro in Arnsberg, ehe ihr 1991 eine Stelle als Re­dakteurin für Landespolitik in Düsseldorf angeboten wurde. Schon als Pauschalistin ließ sie sich in den Betriebsrat wählen, den Vorsitz übernahm sie vor etwa acht Jahren. „Ich stamme aus Bottrop. Dort wachsen die Menschen mit einem Arbeiter­bewusstsein auf“, erklärt Grönewald. Ihr hätte damals die IG Medien gut gefallen, weil das kein elitärer Journalistenclub gewesen sei. „Vor allem die Drucker und die Angestellten sind es, auf die man im Ernstfall zählen kann. Die meisten Journalisten kriegen doch kaum den Hintern hoch, wenn es um ihre Interessen geht“, kritisiert sie die Kolleginnen und Kollegen. Bodenständig ist sie geblieben, wie es sich für eine aus dem Ruhrpott gehört. Auch wenn sie beruflich mit den hohen Tieren der Politik zu tun hat, mit den Raus, den Clements, den Rüttgers, mit den Wichtigen oder denen, die sich wichtig nehmen – ihre Freunde sind die alten geblieben, manche sogar seit der Schulzeit. „Ich trenne, anders als viele andere, strikt Privat- und Berufsleben“, sagt Grönewald, die nicht raucht, grünen Tee statt Kaffee trinkt und auch deshalb eine Ausnahmejourna­listin ist.
Ihre politische Einstellung zum Beispiel hält sie für ihre Privatsache, die mit dem Job nichts zu tun hat. Deshalb fühlt sie sich bei der dpa wohl. Grönewald: „Wir müssen nicht links oder rechts schreiben. Diese Unabhängigkeit gefällt mir.“ Weil sie auch nicht ostentativ mit der roten Fahne durch die Gegend läuft, wissen „schätzungsweise 99 Prozent der Landespolitiker“ nichts von ihrem Engagement als Betriebsrätin. Unabhängigkeit ist ihr wichtig, und so ist sie, außer bei ver.di, in keinem Verein und in keiner Partei. Und trotz dreier Kinder hat sie ihren Lebens­gefährten, einen Unternehmer aus Düsseldorf, nicht geheiratet. „Ich binde mich grundsätzlich nicht gerne“, erklärt sie.
Landespolitik, Betriebsrat und Familie – wie kriegt sie das alles unter einen Hut? Das scheint sie selbst am meisten zu wundern. „Wie ein Jongleur muss ich ständig drei Bälle in der Luft halten. Dabei hilft mir mein Motto: Immer das gerade Wichtigste zuerst. Das kann mal der Job und mal die Familie sein. Ich bin selbst erstaunt, dass mir das seit Jahren gelingt und noch keiner gemeckert hat, weil ich meine Prioritäten falsch gesetzt hätte“, sagt sie und zuckt ratlos mit den Schultern. „Irgendwann werde ich bestimmt einen Ball fallen lassen. Mal sehen, was dann passiert.“ Angst hat sie davor nicht. Wie sie eigentlich vor gar nichts Angst hat und keinen Konflikt scheut. Die Kolleginnen und Kollegen wissen das zu schätzen und werden sie auch deshalb bei der Betriebsratswahl mit großer Wahrscheinlichkeit im Amt bestätigen. Beim letzten Mal sprachen sich rund 90 Prozent für sie aus. „Ich hatte noch nie ein Wahlprogramm. Aber aus Pauschalisten festangestellte Re­dakteure zu machen,“ dafür plädiert Bettina Grönewald – manchmal sogar gegen den Willen der Betroffenen selbst. Erst jüngst habe einer abgelehnt, Redakteur zu werden. Unverständlich findet sie das: „Anfangs mag eine Festanstellung in einigen Fällen finanzielle Nachteile bringen. Aber jeder sollte doch mittel- und lang­fristig denken.“

Besen statt Gänseblümchen

In NRW, erzählt Bettina Grönewald stolz, gebe es nicht mehr viele Pauscha­listen. Hartnäckig will sie bleiben, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Zum Ende dieser Wahlperiode bekam sie vom Gesamt­betriebsrat einen Hexenbesen geschenkt. Lachend erzählt sie, dass sie das für ein Kompliment hält: „Den Besen nehme ich lieber als Gänseblümchen.“

 

nach oben