Heidrun Abel, Gewerkschafterin mit Kompetenz fürs reale Leben
„Von der Theorie zur Praxis“ sei ihr Weg zur Gewerkschaft verlaufen, meint Heidrun Abel lachend. Die 43jährige hat Geschichte des 19. Jahrhunderts studiert, „da kommt man an der Arbeiterbewegung nicht vorbei“. Letztlich überzeugten sie Freunde aus der Kölner IG Medien, der Gewerkschaft beizutreten, nachdem sie 1992 als Sachbearbeiterin zur Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln ging. „Ich fand die IG Medien super.“
Die sie offenbar auch: Kaum hatte sie auf einer Ortsfachgruppensitzung der RFAV (Rundfunk, Film, Audiovisuelle Medien) „was gesagt, wurde ich vorgeschlagen und zur Vorsitzenden gewählt“. Später wurde sie stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende und Mitglied im Landesfachgruppenvorstand. „Wir haben die ersten Info-Treffs für WDR-Freie organisiert, neue Beratungsangebote entwickelt.“
Kein Problem mit Budgetierung
Inzwischen ist die aus einem Dorf bei Alzey gebürtige Tochter von Nebenerwerbslandwirten seit vielen Jahren Personalrätin in der GEZ, Vorsitzende des Bezirksfachbereichs 8 Köln/NRW Süd, stellvertretende Kölner ver.di-Bezirksvorsitzende und Mitglied im Landesfachbereichsvorstand. Heidrun Abel ist der seltene Fall einer aktiven Gewerkschafterin, die viel lacht, wenn sie von ihren Ehrenämtern erzählt, der Sitzungen auch „Spaß“ machen. Sie wirkt entspannt, wenn sie die unvermeidliche Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Gewerkschaftsarbeit beantwortet: „Ich werde immer gefragt, wie ich das schaffe, männliche Kollegen nie. Bei denen wird immer noch eine Ehefrau im Hintergrund vorausgesetzt.“ Ihre Kinder Tim und Nelly sind 9 und 7 Jahre jung und kommen nach der Ganztagsschule schon mal alleine mit dem Schlüssel in die von zwei Perserkatzen gehütete Wohnung in Köln-Ehrenfeld. Ehemann Uwe ist als Lehrer meist am frühen Nachmittag daheim. Abel schafft Fakten durch Praxis: „Als mein Sohn klein war, habe ich ihn während der Sitzungen gestillt und jeder musste ihn herumtragen. ‚Das muß jetzt so gehen’, habe ich gesagt, sonst müsst ihr den Babysitter bezahlen. Seitdem haben wir dafür einen Budgetposten namens Gender.“
Abels inhaltliche Schwerpunkte sind nicht unbedingt „die klassischen Frauenthemen, aber ich bin für Quotierung, weil Frauen anders zusammenarbeiten. Wir tun Vorständen gut“. Sie kümmert sich nicht ungerne um die Budgetierung, worüber sie wieder lachen muss, denn damit gehört sie zu einer kleinen qualifizierten Minderheit. „Ich kann das gut, mit Gremien sprechen, etwas durchsetzen und abstimmen, planen, organisieren, das Geld im Auge behalten“, sagt sie selbstbewusst. Inhaltlich beschäftigt sich der Vorstand derzeit vor allem mit Organizing, ein entsprechendes Projekt läuft in der Druckindustrie. Der Organisationsgrad in der GEZ ist relativ gering, Heidrun Abel, die aktuell mit einer 75%-Stelle Mitarbeiterin in der Qualitätssicherung ist, findet gerade in dieser Minderheit viel Rückhalt: „Wir sind eine richtig gute Truppe.“
Sie hat gelernt, vor vielen Menschen zu reden: „Man nimmt mir ab, dass ich meine, was ich sage. Ich spüre ganz gut, mit welchen Problemen wir uns beschäftigen müssen, was die Kollegen wollen. Wir dürfen als Gewerkschafter nicht den Leuten die Realitäten erklären, sondern müssen ihnen zuhören und sie fragen‚ was können wir gemeinsam tun.“ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Finanzierung liegen ihr naturgemäß am Herzen: „Als Ausbilderin in der GEZ habe ich immer gesagt, die 17,03 Euro gibt es, weil es den Artikel 5 gibt!“ Die aktuelle Qualitätsdiskussion möchte sie gerne vertiefen: „ARD und ZDF müssten viel offensiver auftreten, es gibt doch nicht nur arte und 3Sat.“
Heidrun Abel achtet darauf, wöchentlich nicht öfter als an zwei Abenden und möglichst nicht mehr als fünf, sechs Stunden für die Gewerkschaft zu arbeiten. Von „opfern“ spricht sie nicht. „Ich mag nur keine abgehobenen Debatten, ich diskutiere sozusagen am ‚lebenden Menschen’. Mich nerven Leute, die reden, ohne etwas zu sagen oder kilometerlange Sätze zum Besten geben, die niemand versteht“. Dabei wirkt sie weniger genervt als amüsiert. „Meine besten Ausbilder sind meine Kinder. Alle, die mich gut kennen, finden, dass meine Geduld und meine Überzeugungskraft immens gewachsen sind, seitdem ich Mutter bin“, sagt sie schmunzelnd. Aber auch ihre Zusatzqualifikation als Coacherin kommt ihr bei der Gewerkschaftsarbeit zugute. Sie führt eine Debatte gerne beizeiten zum Ziel, „auch wenn es noch kein konkretes gibt, ist es mir wichtig, auf ein Ergebnis hin zu diskutieren“. Als Vorsitzende will sie, „den Laden zusammenhalten, zum Mitmachen ermuntern“ und dabei klar und offen bleiben: „Ich mache keine Spielchen“. „Fusionserprobt und eher unbekümmert um Strukturen“, wie man in der IG-Medien war, hat sie mit ver.di keine Probleme: „Ich tummele mich viel über Fachgruppengrenzen hinweg, das ist sehr spannend.“
Ausgewiesene Nachteule
Wenn die Kinder größer sind, sieht sie sich nicht woanders als auf Bezirks- oder Landesebene, denn „das, was ich für die Praxis rausholen kann, setze ich auch in hiesigen Gremien durch“. Die besten Ideen kommen der „ausgewiesenen Nachteule“ ohnehin beim Bier mit den Kollegen nach den Sitzungen, die erhalten dann nach ein paar Runden „Sudoku“ noch die eine oder andere nächtliche Mail, bevor ihre Vorsitzende über einem Krimihörbuch einschläft.