„Monitor“ unter filmischer Beobachtung

"Mit eigenen Augen" (2020) von Miguel Müller-Frank Foto: Realfiction

„Mit eigenen Augen“ und auf großer Kino-Leinwand. Das war das Angebot der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) für den 11. November. Gemeinsam mit dem Real Fiction Filmverleih lud man zum Kinostart des Dokumentarfilms über die Redaktionsarbeit des Politikmagazins „Monitor“ in die Berliner Kulturbrauerei. Ein anschließendes Gespräch mit Regisseur Miguel Müller-Frank und dem ehemaligen „Monitor“-Redakteur Stephan Stuchlik nahm das Gesehene und redaktionelle Arbeit generell in den Blick.

Grundsätzlich kam alles anders als geplant: Der Streifen von Regisseur Miguel Müller-Frank sollte bereits im Frühjahr in die Kinos kommen, Corona bedingte Verzögerung. Doch nun wird der Film sichtbar.

Es sei zunächst mühsam gewesen, eine Redaktion zu finden, die ihm und seinem Kamerateam Einlass gewährte, berichtete Müller-Frank in der Berliner dju-Veranstaltung. Seine Idee war, die Arbeit einer öffentlich-rechtlichen Fernsehredaktion, das Bauen einer Sendung zu zeigen. Das „heute-journal“ und andere tagesaktuelle Formate winkten ab. Bei WDR-„Monitor“ hospitierte Müller-Frank dann monatelang, bis genügend gegenseitiges Vertrauen aufgebaut war. Dann konnte es losgehen.

„Alle Redakteure mussten zustimmen. Ich musste zusichern, dass der Informantenschutz gewährleistet bleibt und keine juristisch angreifbaren Szenen gezeigt werden. Das sind die Stellen, wo der O-Ton mit einem Piep übertönt wird. Sonst war ich frei in meinem Arbeiten, es gab keine Abnahme meines Films“, lobt Regisseur Müller-Frank die Kooperationsbereitschaft der Monitor-Redaktion.

Wichtig sei es ihm gewesen, zu zeigen, wie stark Journalisten unter Anspannung stehen. Keine Redaktion dürfe sich Fehler erlauben. Immer bestehe der Druck, exklusiv zu berichten. Vor allem wollte er zeigen, dass es nicht eine anonyme Presse, sondern eben Menschen seien, die Medien machen. „Plötzlich waren wir Objekt. Aber wir sind der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wir sind transparent. Uns war klar, wir machen das“, erinnert sich der damalige „Monitor“-Redakteur Stephan Stuchlik an die Dreharbeiten.

Brisante Themen – nüchterner Redaktionsalltag

Ergebnis ist der fast zweistündige Dokumentarfilm „Mit eigenen Augen“, der nun im „CineStar“ in der Kulturbrauerei begutachtet werden konnte. Er beobachtet mit extrem ruhiger Kameraführung in einer Art Countdown 19 Tage lang die Vorbereitung eines normalen Magazins bis zur Ausstrahlung. „Monitor“ ist seit seiner Gründung im Jahr 1965 bekannt für investigativen, meinungsstarken und häufig auch Journalismus gegen Rechts. Heute läuft die Sendung alle drei Wochen in der ARD und erreicht durchschnittlich zwischen zwei und drei Millionen Menschen.

Die behandelten Themen sind brisant, reichen etwa vom sexuellen Missbrauch in einer Saarbrücker Kinderklinik bis zu den Hintergründen rechtsradikaler Ideologieanhänger, die zu Mördern werden. Dennoch ist der Redaktionsalltag von großer Ruhe und Nüchternheit geprägt. Das zeigt der Film: Vom WDR-Bürohaus aus schaut man weit über Köln. Die Räume wirken steril. Keine Kunst, keine Sitzecken, kein Kicker. Öffentlich-rechtliche Sender sind keine Startups. Kein Stolpern über Pizza-Kartons oder leere Bierflaschen. Hier trinkt man Wasser, griffbereit gleich kästenweise. Sonstige Arbeitsmittel in der Redaktion: PC, Telefon, Stift, Notizblock. Je zwei Kollegen teilen sich ein Büro, nur der Chef Georg Restle hat mehr Platz. Hier finden auch die Team-Besprechungen statt.

„Einiges kommt in dem Film leider nicht so rüber. Es fehlen 15 bis 20 Diskussionsrunden, die stundenlang bis zur Erschöpfung dauern. Auch der Schnitt nur für einen Beitrag geht manchmal über drei Tage. Die Ermüdung bis in den späten Abend fehlt, die endlosen Telefonate“, sagt Stuchlik über den Film.

Geschlechterdebatte befeuert

Denn man stehe ständig unter Beobachtung. Man habe eben nicht nur Freunde in den Sendern. Hinzu komme der Druck durch die Sozialen Medien. Meldungen würden immer schneller online gehen. Früher hätte man vielleicht noch 15 Minuten Zeit zum Reagieren gehabt, heute nur fünf Minuten, so der Redakteur, der heute im ARD-Hauptstadtstudio arbeitet.

Was allerdings recht erkennbar wird, ist das Machtgefälle in der Redaktion. Da sind die Alpha-Männchen, die reden. Die wenigen Frauen haben Platz zu machen und zu schweigen. Freie stehen noch weiter unten in der Hierarchie. „Das ist eine reine Männerwirtschaft, als würde man Frauen nicht harte Recherchen zumuten. Und Freie sind noch mehr unter Druck“, beschreibt die Berliner dju-Landesvorsitzende Renate Gensch ihren Eindruck im Nachgespräch.

Das gesteht Stuchlik auch ein, es gebe diese Unart des Übersprechens anderer, meist weiblicher Stimmen in der Redaktion, zumal wenn sie „nur“ freie Mitarbeiterinnen sind. Der Film habe die redaktionelle Geschlechterdiskussion befeuert, die allerdings vorher schon da gewesen sei. Mittlerweile gebe es fest angestellte Redakteurinnen. Man arbeite an mehr Fairness und Geschlechterdiversität. Allerdings sei die Arbeit weiterhin wenig familienfreundlich. Im Grunde werde ein Einsatz rund um die Uhr verlangt.

Gensch sah den Film als Dokumentation von „demokratischem Schwarzbrot“ in den Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und erneuerte die dju-Forderung, bei den Politmagazinen nicht wie geplant von 90 auf 66 Sendungen zu reduzieren.

Gerade für Außenstehende gibt der nur beobachtende Streifen einen interessanten Einblick in den Maschinenraum öffentlich-rechtlicher Nachrichtenproduktion. Er wurde mit dem NRW-Filmpreis ausgezeichnet. „Wir dürfen uns, wie es der Titel verspricht, selbst ein Bild vom journalistischen Betrieb und seinen Bedingungen machen“, würdigte die Jury.

Noch interessanter wäre allerdings kritisches Nachfragen gewesen ­– etwa zu den Ressourcen, dem Redaktionsetat, ob und wie gespart werden muss. Gerne würde man erfahren, welche Recherche-Honorare etwa für freie Kolleginnen und Kollegen vorgehalten werden und wer Behandlungs- und Therapiekosten bezahlt, wenn jemand bei Dreharbeiten etwa auf rechten Demos verletzt wurde? Vielleicht gibt es ja einen Nachfolgefilm…


Die dju in ver.di lädt zu weiteren Filmvorstellungen mit anschließenden Diskussionen ein:

Nürnberg: Kino Casablanca, Montag, 15. November 2021, 19:00, Kino 1, im Anschluss an den diskutieren Regisseur Miguel Müller-Frank und dju-Landesvorstandmitglied Heinz Wraneschitz  über journalistische Arbeit, redaktionelle Zwänge und Bedrohungen aus der rechten Szene. Moderation: Arnim Jelinek (Nürnberger Zeitung).
dju/ver.di Mitglieder erhalten die Kinokarten zum ermäßigten Preis von 6 Euro, Anmeldung  bis 12.11. bei  heinz.wraneschitz@t-online.de Die Namenslisten liegen dann an der Abendkasse. Corona Regeln unter: https://www.casablanca-nuernberg.de/infos/hygienekonzept

München: Dienstag, 16. November 2021, 20:00, Kino Monopol 1, anschließend Diskussion mit  Regisseur Miguel Müller-Frank
dju/ver.di Mitglieder erhalten die Kinokarten zum ermäßigten Preis von  8,50 Euro; Corona Regeln unter: https://www.monopol-kino.de/

Saarbrücken: Dienstag, 30. November, 18:30, Filmhaus Saarbrücken (Mainzer Straße 8), anschließend ver.di-Talk mit dem Regisseur Miguel Müller-Frank, Plusminus-Redakteur Wolfgang Wirtz-Nentwig und weiteren Talk-Gästen. Kartenpreis: 5,50 Euro.

Plakat verdi-Talk Monitor mit eigenen Augen- Mit eigenen Augen

Über den Real Fiction Filmverleih läuft der Film außerdem in ausgesuchten Programmkinos, siehe: https://www.realfictionfilme.de/mit-eigenen-augen.html

 

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