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Wahlen des dju-Vorstandes 2019 – zwei Kandidat_innen im Visier

Es war eine herausragende Erfahrung, dass man mit einer starken Gewerkschaft im Rücken tatsächlich Verbesserungen für die Beschäftigten erzielen kann, was anders kaum möglich schien“, sagt Tina Groll, Betriebsratsvorsitzende bei Zeit Online. „Erst die Tatsache, dass wir uns zusammengeschlossen hatten und dabei die Gewerkschaften an unserer Seite wussten, bewirkte, dass der Arbeitgeber sich bewegte“, erinnert sich Peter Freitag, Betriebsratsmitglied bei der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft (RRG) an die Tarifauseinandersetzung in seinem Verlag. Zwei Verdianer_innen: kampferprobt und durchsetzungsstark. Im Februar 2019 werden sie für den Vorsitz des dju-Bundesvorstandes kandidieren.

Die Wirtschaftsjournalistin Tina Groll ist 38 Jahre alt, verheiratet, eine Tochter. „Schon immer“ wollte die norddeutsche Pflanze aus Itzehoe Journalistin werden. Folgerichtig hieß das zunächst Schülerzeitung. Während des Abis schrieb sie bereits für die ­Jugendseite der Norddeutschen Rundschau im Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und später dann für die Lokalredaktion in Itzehoe. Das freiwillige soziale Jahr führte ins Obdachlosenheim, ein Frauenhaus, eine Krabbelgruppe betuchter Eltern aus dem vornehmen Teil Bremens. „Das half mir, was fürs Leben zu lernen, es war wichtig, an der Basis gewesen zu sein“, ist sich ­Tina sicher, die aus einem „Arbeitgeber-Haushalt“ kommt – über fünf Generationen hatte ihre Familie einen mittelständischen Industriebetrieb in der Metallbranche. Während des Studiums an der Hochschule Bremen, Internationaler Studiengang Fachjournalistik Schwerpunkt Wirtschaft, absolvierte Tina ein Auslandsemester in Indien: „Total hilfreich, meinen Kulturbereich zu verlassen und in eine Region außerhalb des christlichen Abendlandes zu gehen, an einer renommierten Journalistenschule die Mediensysteme beider Länder vergleichen zu können!“ Nach dem Studium volontierte sie von 2007 bis 2009 beim Weser-Kurier, damals noch tarifgebunden.

Tina Groll, Wirtschaftsjournalistin bei Zeit Online, kandidiert für den neuen dju-Vorstand
Foto: Murat Tueremis

Parallel hat sich Tina während der Ausbildungsjahre in Berufsorganisationen engagiert. 2003 der ver.di-Eintritt. Die junge Berufseinsteigerin fand jedoch ­keinen Ansprechpartner in ver.di. Enttäuscht trat sie wieder aus. Der DJV dagegen umwarb die Otto-Brenner-Preis-Trägerin, Mitglied im Journalistinnenbund und im Vorstand von Netzwerk Recherche. Das verfing, sie wurde DJV-Mitglied. Dann sehr schnell das schmerzliche Erleben im Berufsverband: „Frauen wurden wenig wertgeschätzt und zum Beispiel auf Verbandstagen despektierlich behandelt.“ Zurück zu ver.di, wo sie „ohnehin eher ihre politische Heimat sah“. Zudem „schien sich bei ver.di mehr zu bewegen, hin zu Jüngeren!“. Zu jener Zeit begab es sich, dass Zeit Online gegründet und in Berlin Stellen ausgeschrieben wurden. Eine davon mit dem „furchtbaren Namen Karriere“. Gesucht wurde eine Frau, die sich aus Genderperspektive mit Arbeitsmarktpolitik beschäftigte. Das passte genau zum Profil der jungen Journalistin mit der Studien-Abschlussarbeit „Karriere­chancen und Karrierestrategien für Frauen im Journalismus“. „Zeit Online war tariflos, ich war jung und damit auch sehr billig“, weiß Tina, die mit der Gründung des Betriebsrates 2012 zur Vorsitzenden gewählt wurde.

Vorreiter für Tarife bei Online-Medien

Lange verlangten die hauptstädtischen Beschäftigten von Zeit Online die gleichen Entlohnungs- und ­Arbeitsbedingungen, wie sie ihren Kolleg_innen im Stammhaus des Zeit-Verlages zugestanden wurden. 2015 setzte sich die Erkenntnis durch, dass das allein mit dem Betriebsrat nicht durchzusetzen war. Tina warb für die Organisation in der Gewerkschaft, mit Erfolg. Etwa zwei Drittel der Beschäftigten waren im Sommer 2015 Mitglied bei ver.di. Die gewerkschaft­liche Tarifkommission, in der Tina mitarbeitete, formulierte Manteltarif- und Gehaltsforderungen. Fünf Monate währte die Tarifauseinandersetzung. Die Beschäftigten setzten mit einer kreativen Mittagspause „Z-Offline“ Zeichen und drohten mit Warnstreiks. Dazu kam es jedoch nicht. Letztlich gab es 2016 einen Abschluss, der „zu etwa 90 Prozent die Flächentarifverträge für Zeitschriften-Verlage abbilde“ und zusätzliche betriebsspezifische Regelungen enthalte – „ein Vorreiter für weitere Tarifregelungen im Online-Medienbereich“, schätzte ver.di den Erfolg ein. (M Online: https://tinyurl.com/yav6fgjq )

Peter Freitag, Lokalredakteur bei der Rheinischen Redaktions­gemeinschaft, stellvertretender Vorsitzender der dju in ver.di kandidiert erneut
Foto: Murat Tueremis

Er ist der Ältere im Duo und hat schon „Amtserfahrung“. Der Vize-dju-Vorsitzende und Lokaljournalist Peter Freitag ist 53, geschieden, eine Tochter. Er kommt aus Kassel und ist von klein auf „gewerkschaftspolitisch sozialisiert“ – also fast selbstverständlich, in die IG Medien einzutreten und später vor allem seit 2006 in der Kölner dju in ver.di aktiv zu sein. Hierher verschlug es ihn zum Magister-Studium Politik, Germanistik und Geschichte. Klar war, er wollte „was mit Sprache und Politik machen“. Was lag näher als beim Kölner Stadt-Anzeiger zu jobben für den Studien-Nebenverdienst. Während das Studium nicht seinen Erwartungen entsprach, hatte er Spaß „als Reporter die Stadt kennenzulernen, an Orte zu kommen, wo du als Student nie hingekommen wärst.“ Nach der Zwischenprüfung wurde das Studium unterbrochen, er war freiwillig frei als Polizei- und Lokalreporter unterwegs – ein Fulltimejob. Und doch auch noch Assistent beim WDR 1. EinsLive wurde aus der Taufe gehoben, dessen Programm ihm als jemand mit Vorliebe fürs Nachrichtliche nur partiell gefiel, etwa bei „Lattenknaller“ live aus den Stadien zu berichten, vor allem beim Sieg des 1.FC Köln gegen Bayern München. „Das war natürlich ganz großartig“. Erneuter Wechsel: „Newscutter“ für die „Lokalzeit“ in Köln beim WDR Fernsehen. „640 D-Mark Tagessatz war nicht schlecht damals, viel mehr als bei der Zeitung.“ Dennoch ergriff Peter – inzwischen Vater geworden – im sogenannten Kölner Zeitungskrieg die Chance auf eine feste Stelle bei der Gratiszeitung Kölner Morgen von DuMont als redaktioneller Mitarbeiter. Das Studium wurde nebenbei abgeschlossen. Nachdem der „Zeitungskrieg“ gewonnen war, wurde die ausgegliederte Redaktion zugemacht. Statt einer Übernahme wurde Peter „großzügig“ angeboten, beim Kölner Express zu arbeiten: „Boulevard war eine neue Erfahrung, aber nicht mein Ding“, sieht er zurück. Also lieber als Pauschalist zurück zum Stadt-Anzeiger, Seiten bauen, viel schreiben – bis 2014 die Rheinische Redaktionsgemeinschaft (RRG) gegründet wurde.

Zurück in den Tarif gekämpft

Bei der gemeinsamen Tochter von DuMont und Heinen wurden damit die Lokalredaktionen von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau zusammengelegt. Im Zuge dessen war für die 115 Mitarbeiter_innen der neuen Gesellschaft die frühere Tarifbindung weggefallen. Die Beschäftigten forderten einen Firmentarifvertrag. Damit wollten sie die Anerkennung der gültigen Flächentarifverträge für Redakteur_innen sowie für Angestellte an Tageszeitungsverlagen erreichen. Im Februar 2017 begannen die Gespräche. Aber erst nach einem Warnstreik war der Arbeitgeber bereit von seinen Vorhaben einer „innerbetrieblichen Regelung“ abzurücken und über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Nachdem die Vorschläge aus der Chefetage weit hinter den Erwartungen der Beschäftigten zurückblieben, gingen die Streiks mit hoher Beteiligung weiter. Dennoch stockten die Verhandlungen. Nach zehn Runden wurde die Landesschlichterin angerufen. Letztlich konnte im Herbst 2018 ein Haustarifvertrag auf der Basis des Schlichterspruches abgeschlossen werden, „sehr nah an den Regelungen des Flächen­tarifvertrages“, freute sich Peter Freitag. Als „angeblich“ Freier wurde Peter in den Betriebsrat der RRG ­gewählt und setzt sich seither besonders für eine Festanstellung der „Pauschalisten“ ein. (M Online: https://tinyurl.com/y77fwx7n )

Mehr Jüngere, mehr Frauen und mehr Onliner sollten das Gesicht von ver.di prägen, benennt Tina Gründe, für den Vorsitz der dju zu kandidieren. „Wir brauchen eine starke berufsständische Vertretung. Viele Vereine gehen über Selbsthilfegruppen kaum hinaus oder sind Karriere-Netzwerke. Nur Gewerkschaften können wirklich was bewirken“, ist sie überzeugt. Es gibt eine großes Potenzial an verschiedenen Berufen in der Medienbranche, das eigentlich nur ver.di bedienen könne. „In den Redaktionen arbeiten inzwischen auch andere Berufsgruppen journalistisch wie die Social Media Redakteurin, der SEO-Redakteur, die Programmiererin, der Mathematiker beispielsweise in den Teams Datenjournalismus. Sie alle könnten von ver.di vertreten werden, damit es gelingt, für sie gute Arbeitsbedingungen zu erwirken.“ Sie selbst kenne noch Printzeiten, sei aber permanent „im Maschinenraum einer Online-Redaktion unterwegs“ und erfahre Arbeitsverdichtung, Outsourcing … hautnah.

Zustimmung von Peter. Außerdem: „Die letzten vier Jahre haben mir Spaß gemacht“, sagt der stellvertretende dju-Vorsitzende. Gerade in der Tarifrunde habe er erfahren, dass man etwas bewegen kann, wenn man die eigene Lethargie überwindet und den Mut aufbringt, sich auch für die eigenen Belange zu engagieren, nicht immer nur anderen erklärt, wie es geht. „Eine Kombi beim dju-Vorsitz mit Tina ist Ansporn für mich, ich habe sie in den letzten Jahren schätzen gelernt“, sagt er. „Mein Vorteil: Ich habe alle Aggregatzustände des Berufs durchlaufen freiwillig frei, unfreiwillig, festangestellt mit und ohne Tarifbindung. Und ich kenne die Tageszeitung, den Boulevard, Radio und TV.“

Beide sind sich einig: Gewerkschaftsarbeit ist Team­arbeit, man ist aufeinander angewiesen, muss sich gegenseitig unterstützen! „Es ist nicht mehr zeitgemäß, wenn einer hierarchisch mit der Führung betraut ist. Man braucht Sparring-Partner, muss ping pong spielen, gemeinsam Ideen abklopfen“, so Tina. Brennende Themen dafür gibt es genug. Tina benennt als Beispiele die aktuelle „wegweisende Entscheidung“, den Tarifabschluss für Journalist_innen an Tageszeitungen nicht anzunehmen und zu sagen, wir wollen mehr. Zudem gehörten Onliner endlich in den Tarif. Nur weil der Ausspielweg ein anderer sei, gebe es nicht den gleichen Lohn wie fürs gedruckte Wort – „völlig absurd“. Peter hat zudem die Freien-Honorare im Fokus. Vergütungsregeln würden auch nach mehr als zehn Jahren nicht angewendet, obwohl von Verlegern unterschrieben. Der Einsatz für die berechtigten Interessen aller Urheber_innen sei ein weiteres Betätigungsfeld.

 

 

 

 

 

 

 

 

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