Rich Media, poor democracy – eine Diskussion über das Verhältnis von Medien zu Politik
Die kommerziellen Medien sind zu einer entscheidenden antidemokratischen Macht in den USA geworden. Mit dieser These warf der Medienökonom Robert McChesney von der Universität Illinois einen für hiesige Verhältnisse ungewohnt scharfen Blick aufs Gewerbe. McChesney ist Autor eines in den USA viel diskutierten Buches „Rich media, poor democracy“ und sprach auf der Cologne Conference im Rahmen des Kölner Medienforums.
Nur wenig mehr als zehn große Unternehmen, so McChesneys Begründung, beherrschten die amerikanische Medienszene und verfügten über enorme politische Macht. Und weil die Unternehmen an die Interessen der Anteilseigner gebunden sind, sei es auch mit dem investigativen Journalismus und mit der Meinungsvielfalt nicht mehr weit her. Alles zu aufwendig und zu teuer: „Was für die Aktionäre rational ist, ist schlecht für die Gesellschaft“, so das Resumee des Wissenschaftlers. Nach seiner Analyse geht die Kommerzialisierung Hand in Hand mit der Globalisierung. Dabei handle es sich nicht nur um einen wirtschaftlichen Prozess. Es gehe auch darum, weltweit eine „Kultur des Konsums, einer Kultur der Markennamen“ durchzusetzen.
„Desastertainment“
Manchen mögen die Thesen von McChesneys ein wenig holzschnittartig vorkommen; schließlich wird hierzulande über Besitzverhältnisse kaum ernsthaft debattiert und das „duale System“ hat einen Ruf, als wäre es unveränderbar genial. Auch trifft der Einwand zu, dass kommerzielle Medien weniger antidemokratischen, eher antipolitischen Journalismus produzieren. Man könnte auch sagen, dass sie weniger den investigativen Journalismus verhindern als den skandalisierenden fördern. Der Amsterdamer Medienwissenschaftler Klaus Schönbach sprach von einer „Spirale des Zynismus“. Der ZEIT-Journalist Jürgen Krönig, vertraut mit den Medien in Großbritannien, kritisierte die Nachrichtenkultur des „Desastertainment“: „Das schnelle Urteil ist gefragt, immer ungeduldig, immer auf Vereinfachung aus“. Politiker würden deshalb erst schnell hochgejubelt, dann wieder fallengelassen. Kennt man hierzulande auch. Die „Unattraktivität der politischen Klasse“, so Krönig, sei sicher „ein Ergebnis der privatisierten, aggressiven Medienwelt“.
Wie Medien und Politiker zueinander stehen, wer die Inszenierung liefert und wer die Bühne, das unterliegt unter Berliner Verhältnissen heute größerer öffentlicher Aufmerksamkeit als je. Politik kann ohne Fernsehen nicht mehr existieren, das ist ein Allgemeinplatz geworden. Jochen Keinath, US-Medienberater und vor 1995/96 im Coaching-Team von Clinton und Gore, erweiterte das Feld noch. Nicht nur Politik, auch Wirtschaft sei ohne Fernsehen nicht mehr denkbar. Dabei geht es natürlich vor allem um Botschaften und Images. Als Deutsche und Dresdner Bank ihre später wieder gescheiterte Fusion bekanntgaben, so ein Beispiel, hätten die Banker den Fehler begangen, ihre Pressekonferenz vor rotgrauem Granit abzuhalten. Mit einer solchen fatalen visuellen Botschaft könne man „nicht mehr glaubwürdig kommunizieren“. Bei der unumgänglichen Inszenierung von Politik, so Keinath, komme es jedoch letzten Endes auf die „politische Substanz“ und auf „Glaubwürdigkeit“ an.
Für die Journalistin Bettina Gaus, Autorin des Buches „Die scheinheilige Republik“ liegt das Kernproblem des Fernsehens darin, dass es vor allem mit Bildern und mit Emotionen arbeitet. Auch die politische Berichterstattung gehe seit längerem weg vom simplen Statement, hin zum Visuellen. Umso wichtiger sei es gerade für TV-Journalisten, die Herkunft der Bilder, ihre begrenzte Aussagekraft offenzulegen, sie einzuordnen und für das Publikum lesbar zu machen. Aber noch werde die Fiktion, Fernsehen bilde einfach nur Ereignisse ab, von den Journalisten selbst sehr gerne aufrechterhalten. Bettina Gaus hält es daher nicht für das entscheidende Problem, dass Politik inszeniert wird. Das Problem bestehe eher darin, „dass dieser Umstand nicht thematisiert wird“.
Ein ritueller Ort, an dem sich selbst inszenierende Politiker wöchentlich präsentieren, ist die ARD-Talkshow „Sabine Christiansen“. Redaktionsleiter Wolfgang Klein hält die Forderungen von Bettina Gaus allerdings für akademisch. Es gäbe in Wirklichkeit nur gutes oder schlechtes Fernsehen, so seine ausweichende Praktiker-Direktive. Als sei zu beweisen, dass nachfragender, insistierender Journalismus auch hierzulande eine eher seltene Fähigkeit ist, hakte Judith Schulte-Loh vom WDR nicht weiter nach und ließ Wolfgang Klein sich ausruhen auf dem Allgemeinplatz, es sei ohnehin „alles inszeniert“. Dabei hätte es doch gerade an diesem Beispiel interessant sein können, etwas von den Methoden, Mitteln und Tricks zu erfahren, wie als seriös geltende Journalisten diesen Inszenierungen beikommen. Wenn sie wollen. Wenn.
- Buchtipp: Bettina Gaus
Die scheinheilige Republik
Das Ende der demokratischen Streitkultur DVA
Stuttgart/München 2000
ISBN 3-421-05336-7