Aus der Not eine Tugend gemacht

Das Peace Media Centre in Kapstadt, Südafrika

Südafrikas Übergang von einem diktatorischen und rassistischen Regime zu einem freien, demokratischen Vielvölkerstaat ist historisch einzigartig. Die Wahl des wohl prominentesten politischen Gefangenen Nelson Mandela 1994 zum ersten Präsidenten eines neuen Südafrikas und der dann eingeleitete Versöhnungsprozess gelten bis heute als vorbildlich. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielten von Anfang an die Medien.

Ausgehend von der Annahme, dass sich nicht nur Propaganda, sondern auch Botschaften der Versöhnung kommunizieren lassen, taten sich 1992 – noch während der Friedensverhandlungen – kritische Journalisten zusammen, um Alternativen zur bisherigen Berichterstattung zu entwickeln. Gemeinsam mit dem Centre for Conflict Resolution an der Universität Kapstadt gelang es, spezielle Workshops für Journalisten zu entwerfen, die sich rasch großer Beliebtheit erfreuten. Sehr bald wurde auch das National Peace Secretary, das die Friedensverhandlungen koordinierte, auf diese Aktivitäten aufmerksam und beauftragte die Journalisten mit der Gründung eines Medienbüros, das die Pressearbeit für das Sekretariat leisten sollte. Es zeigte sich aber sehr bald, dass dies nicht ausreichte. Die Zensur, Infiltrierung und Manipulation durch das Apartheidregime hatte auch die Medien zu einem großen Teil gleichgeschaltet. Mühsam mussten die Journalisten auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet werden. So entstand das Peace Media Centre in Kapstadt. Ziel der Arbeit war es, Journalisten mit den Prinzipien der Konfliktlösung vertraut zu machen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie Medien beim Versöhnungsprozess behilflich sein konnten. Einer der Gründungsdirektoren ist Hannes Siebert. Mit ihm sprach Jörgen Klußmann für M.

Wie arbeitet das Peace Media Centre?

Siebert: Das PMC hat im Wesentlichen vier Arbeitsbereiche: Erstens ein tägliches Radio-Programm und die Co-Produktion mit anderen Radiostationen, zweitens die Produktion vor Fernsehprogrammen, drittens die Mit-Herausgabe von verschiedenen Publikationen und viertens das Training von Journalisten. Außerdem veranstalten wir Foren, Konferenzen usw. Wir experimentieren mit verschiedenen Medien. So nutzen wir beispielsweise den Videodialog, indem wir verfeindeten Parteien Kameras direkt in die Hände geben und Videobotschaften austauschen lassen. Wir haben dies erfolgreich in drei Gemeinden in Südafrika ausprobiert.

Arbeitet ihr nur in Südafrika oder auch anderswo?

Siebert: Von 1992-1994 ging es vor allem darum den Friedensprozess zu begleiten. Nach den freien Wahlen in 1994 haben wir damit begonnen, auch international zu arbeiten. Wir waren u.a. in Sri Lanka und Palästina aber unser Schwerpunkt liegt bisher klar in Afrika.

Wie finanziert ihr eure Arbeit?

Siebert: Wir haben Gelder von der südafrikanischen und von ausländischen Regierungen erhalten. Doch diese Mittel waren meist projektgebunden und schnell verbraucht. Deswegen gründeten wir 1994 UBUNTU TV als eine profitorientierte Firma, die durch kommerzielle TV-Produktionen Geld einnehmen sollte. Das funktionierte auch ganz gut, aber irgendwann wurde deutlich, dass die Personalunion von Angestellten von PMC und UBUNTU Konflikte bereitete und wir Gefahr liefen, unsere Glaubwürdigkeit zu verspielen. Deswegen wurde 1999 UBUNTU verkauft. Ein großer Teil unserer Sponsoren kommt heute aus Europa, der größte Teil aus Deutschland, u.a. von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Wie ist die Resonanz auf eure Arbeit in Deutschland?

Siebert: Ich würde sagen, dass wir in Deutschland inzwischen die größte Aufmerksamkeit genießen. Dort sind inzwischen auch die aktivsten und progressivsten Akteure zu finden. Die Diskussion ist inzwischen viel weiter als in Amerika oder in England. Wir wollen deswegen nach New York auch ein drittes Büro in Berlin eröffnen.

Wann soll das sein und wer wird das finanzieren?

Siebert: Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr das Büro eröffnen können. Berlin ist uns vor allem deswegen wichtig, weil es dort eine große Medienkonzentration und viele potenzielle Sponsoren gibt.

Das heißt die Finanzierung ist noch unklar?

Siebert: Ja, aber vielleicht werden ja potenzielle Geber durch dieses Interview auf uns aufmerksam.

Viel Glück dabei. Wenden wir uns noch einmal den Inhalten zu. Wie werden Ihrer Meinung nach Medien in Zukunft mit Konflikten umgehen?

Siebert: Ich hoffe es gelingt uns, deutlich zu machen, dass Medien und Journalisten einen Einfluss auf Konflikte haben und dass sie eine positive Rolle spielen können. Dabei müssen sie begreifen lernen, dass sie in ihrer Berichterstattung immer auch ihre eigenen Werte und Normen einfließen lassen. Journalisten sind Teil des Kommunikationsprozesses, manchmal sind sie die einzigen Kommunikationskanäle zwischen verfeindeten Parteien. Indem wir uns für Fürsprecher der universellen Menschenrechte machen, können wir dabei helfen vorurteilsfreie Informationen zu verbreiten.

Laufen Journalisten dabei nicht Gefahr, ihr Mandat zu überschreiten?

Siebert: Nein, ich glaube nicht. Letztendlich müssen wir immer Position beziehen.

Vielen Dank für das Gespräch.


  • Das Peace Media Centre in Kapstadt ist über die e-Mail-Adresse pmc@iafrica.com zu erreichen.
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Türkei: Kurdische Journalisten in Gefahr

Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Media and Law Studies Association (MLSA) standen zwischen dem 4. und 7. März mindestens 21 Journalisten vor türkischen Gerichten. Diese Zahl mag für deutsche Leser*innen schockierend sein, in der Türkei sind diese Ausmaße juristischer Verfolgung von Journalist*innen leider alltäglich. Unter dem Ein-Mann-Regime von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht es mit der Meinungs- und Pressefreiheit im Land immer düsterer aus. Auch die jüngsten Daten der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG) zeigen deutlich, dass der Druck auf Journalisten wächst.
mehr »

Beschwerde gegen BND-Gesetz

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) ein. Damit reagieren die Organisationen auf ungenügende Reformen des Gesetzes, das den Schutz von Medienschaffenden nicht ausreichend berücksichtigt. RSF und GFF erwarten sich von der Entscheidung ein Grundsatzurteil, das nicht nur Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben wird, sondern auch Strahlkraft in die anderen Mitgliedstaaten des Europarates.
mehr »

Social Media: Mehr Moderation gewünscht

Wer trägt die Verantwortung, um etwas gegen zunehmenden Hass in den sozialen Medien zu unternehmen? Die Plattformen? Die Politik? Die Nutzer*innen? Alle drei Gruppen jeweils zu einem Drittel. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie der Technischen Universität München (TUM) und der University of Oxford. Sie zeigt auch: der Großteil der Menschen in den zehn untersuchten Ländern wünscht sich mehr Moderation bei Inhalten.
mehr »

Ecuador: Medien ohne Schutz

Mehr Schutz für Berichterstatter*innen, fordert Ecuadors Medienstiftung Fundamedios. Doch in der Regierung von Daniel Noboa, Sohn des Bananenmilliardärs Álvaro Noboa, stößt die Initiative auf Ablehnung. Dafür sei kein Geld da, lautet das Argument. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass Daniel Noboa eher auf TikTok, Instagram und andere soziale Netzwerke setzt und wenig von den traditionellen Medien hält. Erschwerend hinzu kommt, dass Kartelle, aber auch lokale Kaziken versuchen, Journalist*innen zu instrumentalisieren.
mehr »