BBC finanziert Lokaljournalismus

Zeitungstitel des Johnston Press-Verlags, Partner der von der BBC ins Leben gerufenen Local News Partnership
Foto: johnstonpress.co.uk

Die Krise des Lokaljournalismus schlägt hierzulande gerade große Wellen. Befürchtet wird vor allem eine Schwächung der Demokratie, wenn immer weniger über lokale politische Ereignisse berichtet wird. In Großbritannien scheint man auf dem Weg zur Rettung der Lokalnachrichten dagegen schon einen großen Schritt weiter. Dort finanziert die BBC mittlerweile mehr als 130 Reporter*innen, die über die Lokalpolitik in den Regionen und Kommunen des Landes berichten.

Vor rund einem Jahr hat die BBC gemeinsam mit dem britischen Verlegerverband News Media Association (NMA) das Projekt „Local News Partnership (LNP) initiiert. Der lokalen Newspartnerschaft gehören inzwischen neben der BBC 850 private Print-, Rundfunk, und Online-Medien an. Die BBC stellt die nötige Infrastruktur für die Partner bereit und hat angekündigt, in den nächsten elf Jahren acht Millionen Pfund pro Jahr in das Projekt investieren zu wollen.

Flaggschiff der Newspartnerschaft ist der Local Democracy Reporting Service (LDSR), ein Dienst, für den Lokaljournalist*innen ausschließlich über Kommunalpolitik berichten. Die Reporter*innen werden zwar von den Lokalmedien angestellt, ihre Gehälter jedoch von der BBC finanziert. Landesweit können sich Medien für die Reporterstellen bewerben, insgesamt sind 144 Plätze zu vergeben. Wie die New York Times berichtet, erhalten die Lokaljournalist*innen nicht nur ein Mindestgehalt von 22.000 Pfund, sondern auch ein zusätzliches Training durch die BBC. Angestellt werden sie zunächst für zwei Jahre. Mit Stand vom Februar haben diese Local Democracy Reporters, also die lokalen Demokratiereporter*innen, bereits 54.000 Geschichten geschrieben. Veröffentlichen darf sie jedes Medium, das Teil der Newspartnerschaft ist.

Demokratiereporter*innen decken auf

Weil die Gehälter für die Lokalreporter*innen von der BBC und damit aus den Einnahmen der Rundfunkgebühr kommen, wird deren Arbeit indirekt von den britischen Steuerzahler*innen, also öffentlich finanziert. Die Bürger*innen profitieren, indem sie dafür erfahren, worüber in ihren lokalen Parlamenten und Behörden entschieden wird. Keine Selbstverständlichkeit, denn vielerorts konnte mangels personeller Ressourcen über kommunale und regionale Gremien schon lange nicht mehr berichtet werden. Auch in Großbritannien ist der ökonomische Druck vor allem auf die Lokalpresse in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Tausende Stellen wurden abgebaut. Erst im November war etwa bekannt geworden, dass Johnston Press – der viertgrößte Zeitungsverleger der Insel, unter dessen Dach 200 Lokalzeitungen fallen – zum Verkauf steht.

Die Berichterstattung zum Beispiel aus Gemeinderatssitzungen ist so vor allem für kleinere Zeitungen kaum noch leistbar. Das will die Local News Partnership nun ändern und die Rolle der Lokalmedien für die Demokratie wieder stärken. Nicht wenige der von den lokalen Demokratiereporter*innen aufgedeckten Stories haben es schon auf die Titelseiten großer Medien geschafft. Darunter zum Beispiel der Skandal um ein Gesundheitszentrum in Trafford, Manchester, das 24 Millionen Pfund verschlang, aber niemals funktionsfähig wurde und noch weitere sieben Millionen Pfund kosten wird, um es als Bürogebäude nutzbar zu machen. Titelgeschichten gab es auch über marode und zum Teil einsturzgefährdete Schulen in Edinburgh und den damit zusammenhängenden Todesfall eines Schülers.

Mehr Kooperationen als neues Geschäftsmodell?

Zur LNP gehören außerdem ein News Hub, über den die kooperierenden Medien Zugang zum Audio- und Video-Content der BBC bekommen, sowie eine gemeinsame Datenabteilung. Hier produzieren BBC-Journalist*innen und externe lokale Nachrichtenjournalist*innen datenbasierte Investigativ-Stories, die wiederum mit allen Partnern des Projekts geteilt werden.

Maßgeblich vorangetrieben wurde die lokale Newspartnerschaft von Matthew Barraclough, der das Projekt auf Seiten der BBC leitet. In etwa zwei Jahren wolle er das Angebot erstmals evaluieren und bestenfalls über eine Ausweitung der Partnerschaft nachdenken, kündigte er im Oktober an. Bis dahin, so hoffe er, werde die News Partnership als Vorbild für Kooperationen in der Medienbranche dienen. Jeremy Clifford, Vorsitzender des Beratungsgremiums der LNP, findet schon jetzt, dass das Projekt „die BBC und den privaten Mediensektor näher zusammengebracht und mehr Verständnis dafür geschaffen hat, wie die kommerziellen Medien arbeiten, welchem Druck sie ausgesetzt sind und wie man sich besser unterstützen kann, anstatt gegeneinander zu arbeiten“. Gemeinsam mit dem Verlegerverband möchte er sich bei der BBC dafür einsetzen, die Zahl der Reporterstellen auf 200 zu erhöhen.

Doch es gibt auch Skeptiker: „Die Kooperation mit der BBC wird nichts weiter als ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde sein“, sagte der Honorarprofessor für Journalistik an der City, University of London Roy Greensdale der New York Times. Seiner Ansicht nach sei das eigentliche Geschäftsmodell der Lokalmedien schlichtweg zerstört und der Niedergang deshalb unaufhaltsam. Ratlos ist auch Daniel Ionescu, Redakteur bei der Nachrichtenwebsite „The Lincolnite“. Zwar habe sein Medium ebenfalls zwei Reporter*innen über die News Partnership angestellt; was die Zukunft betrifft, ist er jedoch wenig optimistisch. Werbegelder flössen zu Facebook und Google statt zu den lokalen Online-Medien: „Ich habe wirklich keine Ahnung, was noch getan werden könnte, um diese wegbrechenden Einnahmen zu kompensieren.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Eine Stimme für afghanische Mädchen

Die iranische Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Maydegol“ über viele Jahre eine junge Muay-Thai-Boxerin aus Afghanistan, die im Iran unter schwierigen Umständen für ein selbstbestimmtes Leben kämpft. Im Interview erzählt Alambeigi, welche Rolle das Kopftuch für den Film spielt, was sie von der jungen Generation gelernt hat und warum der Film endet, bevor Maydegol endlich gelingt, was sie sich wünscht.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

Trump: Angriff auf kritische Medien

Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, US-Medien, von denen er sich kritisiert und angegriffen sieht, auszuschalten, sollte er gewählt werden. Von welchen Möglichkeiten er dabei unter anderem Gebrauch machen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag aufgeführt. Es zeigt sich: Trumps Drohungen sind alles andere als unrealistisch. Und sein Vorbild für diese sitzt in Europa.
mehr »