Folter für Satire im Netz

Zouhair Yahyaoui aus Tunesien muss zwei Jahre hinter Gitter

„Was ist Tunesien? Eine Republik? Ein Königreich? Ein Zoo? Oder ein Gefängnis?“ Für diese satirische Anspielung auf das diktatorische Regime des seit 1987 amtierenden Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali auf seiner Internetseite TUNeZINE (www.tunezine.com) wurde Zouhair Yahyaoui (Foto) dreimal an den hinter dem Rücken gefesselten Handgelenken aufgehängt, seine Füße berührten kaum den Boden. Danach gab er das Passwort preis, mittels dessen die fragliche Interseite entfernt wurde. Und sie kostet ihn zwei Jahre seiner Freiheit.

Er habe den Präsidenten „lächerlich gemacht“ und wurde so wegen „Verbreitung von Falschmeldungen“ sowie „betrügerischer Nutzung von Kommunikationsmitteln“ eine Woche nach seiner Verhaftung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Anwälte durften ihn weder besuchen, noch erhielten sie Einsicht in die Prozessakten.

Zouhair Yahyaoui, der die Webseite im Juli 2001 eingerichtet hatte, wurde bekannt, weil er den Offenen Brief von Richter Mokhtar Yahyaoui an den Staatschef ins Internet gestellt hatte. Der Richter, sein Onkel, beklagte darin das völlige Fehlen einer unabhängigen Justiz in Tunesien. Von da an nahmen ihn die Behörden ins Visier, doch alle Zensurversuche fruchteten wenig: Die Seite wurde gerade wegen ihrer Unverfrorenheit und des satirischen Talents ihrers Schöpfers im In- und Ausland und vor allem bei den Jüngeren zunehmend beliebter.

Reporter ohne Grenzen
Skalitzer Straße 101 10997 Berlin, Germany
, www.reporter-ohne-grenzen.de
Tel.: (030) 615 85 85

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

USA: Zeitungen sterben im Tageslicht

Die Nachrichtenwüsten, die auch in Deutschland drohen, sind in den USA längst Realität. Vergleichbar mit der letztjährigen Veröffentlichung des Projekts „Wüstenradar“ hat die Northwestern School For Journalism, Media & Integrated Marketing Communications (MEDILL) in Evanston im Bundesstaat Illinois ausgewertet, wie sich das Zeitungssterben für die USA konkret darstellt. Laut dieser Erhebung sind in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als 3200 gedruckte Zeitungen in den USA verschwunden – mehr als ein Drittel.
mehr »

Free Speech statt Fakten bei Meta

Pünktlich zur Bundestagswahl will der Meta-Konzern mit einem „Elections Operations Center“ Desinformationskampagnen auf seinen Plattformen entgegentreten. Gleichzeitig schafft er in den USA das journalistische Fact Checking ab. Ersetzt werden soll es durch eine Selbstkommentierung der Community („Community Notes“). Was ist für die politische Meinungsbildung auf den Plattformen zu erwarten?
mehr »

Pressefreiheit EU: 1548 Angriffe in 2024

Die Medien- und Pressefreiheit steht weltweit unter Druck – auch in Europa. Laut eines aktuellen Berichts des EU-Projekts Media Freedom Rapid Response (MFRR) wurden im Jahr 2024 1.548 Angriffe auf insgesamt 2.567 Medienschaffende in 35 europäischen Ländern dokumentiert. Das heißt: Auch in Europa ist es längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Journalist*innen frei und unabhängig berichten können. Das gilt nicht nur für autokratische Staaten, sondern auch für Deutschlands demokratische Nachbarn.
mehr »

RSF: Mehr Schutz für Medienschaffende

Statt Anspruch auf Schutz und Schutzstatus von Menschen weiter aufzuweichen, fordert Reporter ohne Grenzen die Bundesregierung auf, unter anderem die Unterstützung von Medienschaffenden weiter auszubauen. Mit Blick auf das vergangene Jahr meldet die Organisation mehr als 700 Medienschaffende, denen sie dabei geholfen hat, sich nach Todesdrohungen, Vergeltungsmaßnahmen und vor willkürlichen Inhaftierungen in Sicherheit zu bringen. 70 Prozent der finanziellen Hilfe gingen dabei an Journalist*innen und Reporter*innen, die sich vorübergehend oder vollständig ins Exil begeben mussten.
mehr »